Serie: Frankfurter Buchmesse 2014 , Teil 35:Viel Neues im Norden

 

Corinne Elsesser

 

Frankfurt am Main ('Weltexpresso) - Im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse, deren Ehrengast in diesem Jahr Finnland ist, zeigt das Deutsche Architekturmuseum (DAM) sieben junge Architekturbüros aus Finnland. Die Architekten sind noch wenig bekannt, doch könnten sie das Bauen in Finnland einst bestimmen, meint Peter Cachola Schmal, Direktor des DAM in Frankfurt.

 

 

Auffallend ist, dass in Finnland die Architekten bereits in jungen Jahren bedeutende öffentliche Aufträge erhalten. Diese gehen meist aus anonymen, offen ausgeschriebenen Wettbewerben hervor, die auch jungen, noch unbekannten Teams eine Teilnahme ermöglichen. So ging es Ville Hara, der sich 2003 anläßlich eines Wettbewerbs für eine Friedhofskapelle in Vantaa mit Anu Puustinen unter dem Namen Avanto Architects zusammenschloß. Entstanden ist ein zurückhaltender, horizontal gelagerter Bau, der ein bestehendes Gotteshaus dezent ergänzt. Befragt nach dem großen architektonischen Erbe Finnlands, das unweigerlich den Architekten Alvar Aalto ins Gedächtnis ruft, meint Hara: «Aalto begegnet einem in Finnland überall. Schon mein Kindergarten war mit Stühlen von ihm ausgestattet.»

 

Kirchen und Schulen

Obwohl die zwischen 1973 und 1987 geborenen Architekten längst eigene Wege gehen, sind immer wieder Referenzen an den Meister erkennbar. Das Office for Peripheral Architecture (OOPEAA) hat sich 2010 mit dem Entwurf einer Kirche in Jyväskylä einen Namen gemacht. Von außen betrachtet lässt sich der geschlossen wirkende Bau durchaus mit der analogen Architektur der 1990er Jahre in Graubünden vergleichen. Im Inneren jedoch zeigt sich ein filigran aus Holzgitterwerk gestalteter hoher Raum, der leicht und hell wirkt. Holz ist ein bevorzugter Werkstoff für den 1973 geborenen Bürogründer Anssi Lassila. An der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig gestaltete Lassila die Ausstellung im finnischen Pavillon. Was den Kirchenbau von OOPEAA und Avanto Architects betrifft, so ermöglicht die Galerie der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst in München bis zum 5. Dezember in der Ausstellung «Lichtzauber und Materialität – Kirchen und Kapellen in Finnland seit 2000» eine vertiefte Begegnung mit dem Schaffen der beiden Büros.

 

Nicht nur Kirchen, sondern auch ganze Stadtquartiere können mittels einer speziellen Schichtholztechnik (CNC) aus Holz errichtet werden. In Helsinki erbauen Anttinen Oiva Architects eine «Holz-Stadt» bestehend aus vier Büro- und Wohnhäusern auf einem ehemaligen Hafengelände. Bekannt wurden Selina Anttinen und Vesa Oiva im Jahr 2012 mit dem Kaisa-Haus der Universitätsbibliothek von Helsinki. Vor wenigen Wochen erhielten die beiden Architekten im Wettbewerb für die neue Halle 12 der Frankfurter Messe eine besondere Anerkennung (dieweil der erste Preis an Kadawittfeldarchitektur aus Aachen ging).

 

Schon während ihrer Studienzeit haben Hilla Rudanko und Anssi Kankkunen in der Dritten Welt gearbeitet. 2012 realisierten sie in Udong in Kambodscha eine Berufsschule. Eindrucksvoll erscheint sie, wenn man bedenkt, dass die Architekten damals gerade 25 und 29 Jahre alt waren. Schulbauten gehören zu den vorrangigen Bauaufgaben in Finnland. Sie dienen nicht allein dem Unterricht, sondern auch der Erwachsenenbildung sowie der Jugendarbeit und bieten außerdem Konzertsäle und öffentliche Bibliotheken. Die von Verstas Architects 2012 in Espoo erbaute Saunalahti-Schule ist horizontal um einen Innenhof gelegt. In ihrer Struktur erinnert sie an Alvar Aaltos Villa Mairea in Noormarkku. Die von Esa Ruskeepää ebenfalls in Espoo realisierte Opinmäki International School verteilt die Schulräume dagegen auf mehrere Gebäude, die über Innenhöfe und Grünräume miteinander verbunden sind.

 

Mit Präzision und Pragmatismus

ALA Architects gewannen 2005 einen Wettbewerb für das Kilden Theater- und Konzerthaus im norwegischen Kristiansand, das 2012 fertiggestellt wurde. Sie konnten sich mit ihrem ersten Projekt gleich international einen Namen machen. Das Gebäude zeichnet sich durch den imposanten Schwung seines wellenförmigen Holzdaches aus, das durch die Frontverglasung hindurch ins Innere fortgeführt wird.

 

 

So zeigt denn der im DAM gebotene Überblick über das Schaffen von Finnlands junger Architektengeneration, dass die Grundsätze Aaltos längst selbstverständlich geworden sind. Organische Formen in Verbindung mit einer hohen Präzision im Umgang mit Holz prägen die finnische Architektur bis heute. Internationale Trends werden pragmatisch integriert, ohne den Bezug zur eigenen Bautradition aufzugeben.

 

INFO:

Bis 18. Januar 2015 im DAM in Frankfurt, anschliessend im Museum of Finnish Architecture (MFA) in Helsinki.

 

 

Katalog: Suomi Seven – Junge Architekten aus Finnland. Hrsg. Juulia Kauste und Peter Cachola Schmal. Deutsches Architekturmuseum (DAM), Frankfurt 2014. 108 S., € 16.– (im Museum oder über www.dam-online.de)

 

Die Rezension wurde am 26. September 2014 in der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlicht.