Eberhard Mayer-Wegelin präsentiert DAS ALTE FRANKFURT, Teil 2

 

Hubertus von Bramnitz

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso)- Am 21.11.2014 fand also die von Weltexpresso angekündigte Vorstellung „Das Alte Frankfurt“, nach Fotografien von Carl Friedrich Mylius, herausgegeben von Eberhard Mayer-Wegelin durch den Autor selbst statt.

 

Sagen wir es gleich: Der Autor ist schriftlich mit den wunderbaren Fotografien von Mylius aus dem 19. Jahrhundert sehr viel besser am Platz als als Vortragender. Aber sicher hat er durch sein trockenes, aber inhaltlich reiches Vortragen die Lust auf die Anschauung verstärkt. Wir wollen also seine Aussagen zu den einzelnen Bildern gleich mit den von uns angesehenen Bildern bereichern, ehe wir im Folgeartikel noch einmal das Gesamtwerk würdigen wollen. Dazu ist nämlich aller Anlaß. Dies ist ein wunderschönes Buch, das in keiner Frankfurter Familie fehlen sollte und – sagen wir es unverblümt, der Zeitpunkt der Veröffentlichung und Vorstellung legt es eh nache – ein repräsentatives und informatives Weihnachtsgeschenk abgibt. Für wen auch immer. Tatsächlich.

 

Der Band ermöglicht, sich das alte Frankfurt räumlich im Kopf erstehen zu lassen und es dann hier und da mit dem heutigen Bild von Frankfurt zu vergleichen oder auch zu konfrontieren. Eine 3-D-Wiedergabe liegt sozusagen in der Luft, bleibt aber jedem selbst überlassen, der sich auch seiner Phantasie überlassen kann. Es handelt sich überwiegend um Architektur-Fotografie, entweder Städtbilder oder Häuser, dann überwiegend Fassaden oder deren Rückseiten.

 

Der Autor ging auf den 1. + 2. Weltkrieg und die Nachkriegszeit sowie den Wiederaufbau besonders ein. Das alles sind Perioden großer gesellschaftlicher Brüche. Wie sieht dagegen das 19. Jahrhundert aus? Wir verstanden Mayer-Wegelin eher als einen Vertreter der Auffassung, dieses die Welt stärker als andere Säkula verändernde 19. Jahrhundert stehe 'dagegen', sei beschaulich. Wen dies allerdings jemand aufgrund der so schönen ruhigen beschaulichen Fotografien wegen annehmen täte, läge er falsch. Der Schleier von Schönheit und auch Ewigkeit, der auf diesen – natürlich! - Schwarzweiß-Fotografien ruht, verdankt sich der langen Belichtungszeit, die am Anfang der Technik des Fotografierens noch nötig war. Es handelt sich wirklich um den Beginn der Photographentätigkeit überhaupt und in diesem Band erleben wir auch, wie sich die Technik veränderte und die Fotografen mit ihr.

 

Der Autor stellte den Künstler, der einem durch die Straße im Westend auch als Name bekannt ist, kurz vor: Carl Friedrich Mylius, Stadtfotograf, 30-40 Jahre allein in Frankfurt-Fotograf, so daß Vergleichsbilder von 1850-1890-1900 in Permanenz vorliegen. Es ist ein gewichtiger, recht schwerer Bildband im Großformat. Sodann zeigte Mayer-Wegelin eine Folge von Abbildungen aus dem Band, die er kommentierte und auch immer wieder Aufnahmen aus der selben Perspektive, aber Jahre später verglich. Man braucht zum Verständnis des Folgenden (eigentlich) den Bildband, aber vielleicht regen ja allein die hier vorgestellten Aufnahmen das Interesse auf Vertiefung an.

 

1. Aufnahme mit Leonhardskirche und Paulskirche, weiter hinten, 1858, Verhältnis zwischen den Kirchen blieb in zwei Fotoansichten; Standort Sachsenhausen-Ufer, vorne: Holzlager Sachenhausen;aus Halbkreis bei Alter Brücke gesehen.

 

Anlegestelle drüben. getrocknete Wäsche/Tücher.

 

Mylius hatte finanziellen Erfolg, hat selbst ein Haus gebaut, der Verkauf von ausgelegten Fotografien für den Tourismus erfolgte in Buchhandlungen. Eine besonders gute Möglichkeit lag am Freien Deutschen Hochstift vor, von wo Führungen für Touristen

ausgingen. Mylius war eigenbrötlerisch, kein Mitglied in Vereinigungen.

 

 

2. Blick: Paul – Leonhard – Nicolai – Dom, runde Kuppel (Dom), noch - ähnlich vorher

1867 Dombrand, Dom ab 1865 zur Spitze erweitert; Fotos 1869/1871: Domtürme eingerüstet, 1877 Spitze fertiggestellt. Zur Linken Zollhof, wie an jedem Hafen, Kai: für Verzoll-Prozedur. Belebung: Fischerboote vorne (Sachsenhausen), Verbindungsstrecke (Gleise) zu sehen, Wolken wurden vielfach wegretuschiert, Himmel wie Schnee.

 

Immer wieder wurden von Mayer-Wegelin in die konkreten Aufnahmen allgemeine Bemerkungen eingestreut wie: Außenfotos waren schwierig, weil Fotowagen, Dunkelkammerwagen nötig, für Entwickeln. Problem des Stillhaltens aufgrund von Belichtungszeit (Problem: Verwischen, wenn Person sich bewegt). Das „Bitte Stillhalten!“ war üblich.

 

3. Belebte Szene Römer, mit „Hockinnen“ (Marktfrauen), etwas verwischt, da Marktfrauen sich bewegen, Römer mit ins Bild genommen, wirkt schlichter als heute. 1863 war Fürstentag: Verschönerung wurde gemacht. Haus rechts, an Römer anschließend, hat Baldachin hinzugekommen. Ähnliche Fotos geben über Veränderungen Auskunft, wann und wie. Kleine Merkmale, die im Vergleich offensichtlich werden. - im Vergleich.

 

 

4. Fahrgasse (Durchgangsstraße von Zeil Richtung Mainm ) „belebt“ (allgemein ging Belebtheit fototechnisch nicht wie heute, da Gefahr des „Verwischens“), wenig Leben möglich, da sonst Verwackeln die Folge. Schriftsetzerei – Buchdruckerei: „Stritt“ (Geschäft, Betrieb) erkennbar

 

5. Eschenheimer Tor-Bleichstraße, Bebauung ging näher an Straße als heute.

Als Stadtmauerbebauung, in der Gründung erkennbar

 

6. Main-Panorama. Mylius hat 26 Aufnahmen von der Nordseite gemacht, sechs von der Südseite. Entstehungszeit 1860-61. Damaliges Frankfurt mit heutigem kaum zu vergleichen, es war eine andere Zeit, mehr vorindustriell, es hatte mehr Bürgerkultur, aber auch Kleinbürgerkultur.

 

7. Von Friedens- zur Obermainbrücke. Die Aufnahmen sind immer 100 Meter zu verschieben. Jeweilige Seitenenden der einzelnen Teile sind nicht verzerrt! Das Wetter war während gesamter Aufnahmezeit zu bedenken.Schnappschüsse waren noch nicht möglich. 'Nur' gestellt sind die Aufnahmen, was man ihnen ansieht.

 

8. Frobenius-Haus/am Main. Das gab es heute noch/Degussa; inzwischen abgerissen heißt jetzt aber: Dick Assets AG/Main Palais. Auch Mylius hat mit Absicht vor Abrißmaßnahmen aufgenommen, was zu 'untouristische' Aufnahmen führt, die seinen „Vorzeigebilder“ entgehenstehen, dafür aber den Stadtumbau, der konsequent in vorhandene Struktur eingriff, deutlich macht, z.B. beim Durchbruch für die Battonstraße und anderen. Mylius hat sich geradezu „modern“ verhalten, er hat die Rolle eines Stadtpflegers übernommen und hat den Wandel dokumentiert. Viele Aufnahmen wurden dem Historischen Museum Aufnahmen geschenkt.

 

9. Bleichstraße, Goethehaus – Liebfrauenkirche, übergehend in Töngesgasse, vorkragende Stockwerke, Hutfabrikation, Schirmherstellung, kleines Handwerk zu erkennen.

 

10. Fahrgasse, „Zum König von England“, Batton-Durchbruch 1875

 

11. Zeil (vor Stiftstraße), die Biegung ist gut erkennbar, Schäfergasse und Kleine Friedberger sind beide gut auszumachen. Möglicherweise mußte er stundenlang mit der Kamera operieren und vorsorglich mehrere Aufnahmen machen, denn da wurden Fenster plötzlich geöffnet, Markisen ausgezogen, alles Dinge, die halt passieren in kürzeren Abständen.

 

12. Zeil, Kleinherstellung, mittelständische Geschäfte, Handwerksbetriebe, vor denen die

Inhaber gerne posieren.

 

13. Neue Mainzer Straße, geradezu gutbürgerlich, Bebauung anders als auf der Zeil

prägnanter Schattenwurf, Gaslaternen 1875, Blick Richtung Main, Knick (noch) am Ende zu sehen, Städel-Haus! (auf Neue Mainzer), 5. Haus rechts; 1875 Umzug des Städel an den Schaumainkai.

 

 

Zu den Erklärungen über die Aufnahmen gab der referierende Autor immer wieder auch weitere Informationen zu Mylius selbst. Wie arbeitete damals ein Fotograf. Richtig, einene Großteil der Aufnahmen hat er erst einmal in eigener Verantwortung und aus eigenem Interesse hergestellt, aber natürlich hat Mylius zum Lebemsunterhalt auch Auftragsaufnahmen gemacht und damit zusätzlich verdient. Es liegen Quittungen für verkaufte Aufnahme vor - 260 Gulden (mehrere tausend Euro)

 

14. Haus Mumm (Zeil) Gartenseite

 

15. Rückseitenaufnahme, Handelsfamilie lässt sich fotografieren; „Stillhalten“, Diener steht stramm (hält still). Die Aufnahme sind nicht einfach nur Momentaufnahmen, hier will ein Geschlecht im Bild festgehalten werden. Die Aufnahmen sind manchmal im Bild signiert, oft aber auf Karton gezogen und auf diesem dann signiert.

 

16. Nestle-AG-Haus (nicht mehr vorhanden), Familie mit aufgenommen.Man muß zwischendurch, erst recht, wenn man die heutige Mode der Selfies anschaut, doch noch einmal betonen: Fotografieren war damals eine Seltenheit. Mit dem gutem Willen konnte beim Stillhalten gerechnet werden. Das Gebäude konnte aus einem Stockwerk von gegenüber aufgenommen werden.

 

Für die Tourismus-Aufbereitung – Mylius hatte die Stadtansichten als Marktlücken erkannt - wurden Fotos in der Größe 20 x 30 abgezogen, auf Karton gezogen und dann üblicherweise als Kleine Alben mit 12 Aufnahmen verkauft. Man geht von 800 Aufnahmen aus, allerdings ist der Nachlaß verstreut, Mylius war ein Eigenbrötler, hatte keine Lehrlinge, hat alles selbst gemacht und den Vetrieb über Buchhandlungen organisiert. Er hatte fünf Kinder, eine Tochter überlebte, die den Nachlaß 1916 versteigern ließ. Fortsetzung folgt.

 

INFO:

Das alte Frankfurt
Photographien von 1855–1890

von Carl Friedrich Mylius
Hrsg. und mit einem Text von
Eberhard Mayer Wegelin
288 Seiten, 248 Tafeln und
22 Abbildungen in Duotone
ISBN 978-3-8296-0682-0