Hellmuth Karasek in der Grimmstadt Steinau auf der Märchenstraße

Hanswerner Kruse

Steinau/Hessen - Auf den Tag genau feierte die „Deutsche Märchenstraße“ ihren 40. Geburtstag am Gründungsort Steinau. Diese Vereinigung von mittlerweile gut 60 Gemeinden ist ein recht erfolgreiches professionelles Projekt zur touristischen Vermarktung des Erbes der Brüder Grimm von Hanau bis Bremerhaven.

 

Zur kulturellen Nutzung der „Märchenstraße“ für den Fremdenverkehr dienen Orte wie Steinau oder Kassel, in denen die Grimms gewirkt haben. Es sind aber auch viele Landstriche beteiligt, die man mit ihnen in Verbindung bringen möchte, obwohl es zum Wesen der Volksmärchen gehört, selten Ortsangaben zu machen. Die „Märchenstraße“ liegt mittlerweile auf Platz 56 der deutschen Sehenswürdigkeiten und ist von den 150 Deutschen Ferienstraßen die bekannteste.

Eigentlich wäre der Festakt wohl eher ein Thema für die Wirtschaftsseite gewesen, hätten die Veranstalter nicht den Literaturkritiker und Autor Hellmuth Karasek (81) als Festredner eingeladen. Bereits ganz überraschend skizzierte seine Vorrednerin Iris Gleicke (SPD), die Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, begeistert die Märchenwelt der Brüder Grimm. Gerne hätte sie ihre Überlegungen noch vertieft, inwieweit die überlieferten Erzählungen immer noch unsere Ängste und Wünsche widerspiegelten. Aber sie sei ja als Tourismusexpertin eingeladen, meinte sie bescheiden, und schlug den Bogen von den Märchen zur Ökonomie.

Ihre Mahnung, die Förderung des Fremdenverkehrs durch die Kultur sei kein „Tischlein deck dich“, bezog sie auf die Notwendigkeit, kleinere Städte und abgelegene Regionen zu unterstützen: „Ohne die ‚Ferienstraße’ hätten die das nicht so erfolgreich geschafft.“ Man kann Gleicke auch so interpretieren, dass die Kultur zwar die Wirtschaft fördert, dafür jedoch auch Investitionen für die Kultur notwendig sind. Doch so selbstverständlich ist das für viele Gemeinden - auch Steinau – nicht.

Karasek, der Charmeur, wurde von einer „Märchenkönigin“ begrüßt und ließ sich freudig von ihr in Steinau herumführen. Zu Beginn seines Festvortrags verwies er auf den Bayernkönig Ludwig II, „der wegen Verschwendung aus dem Amt gejagt wurde und wie im Märchen in einem See ertrank.“ Heute seien „Kinis“ Schlösser von größter Bedeutung für den Tourismus in Bayern. Karasek ließ in seinen Vortrag auch viele persönliche Bemerkungen einfließen: „Märchen haben mich sehr geprägt, deshalb bin ich stolz, hier über meine ersten und tiefsten Leseerlebnisse zu sprechen.“

In seiner Promenade durch die Märchenwelt stellte er immer wieder Bezüge von den wunderhaften Erzählungen zu aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen oder seinen Alltagsbeobachtungen her. „Das tapfere Schneiderlein“ sei ja nun wirklich ein hervorragendes Beispiel für die Arbeit der Werbebranche. Oder gestern Abend in einer Steinauer Kneipe sei am Nachbartisch ein Mann mit einer wunderschönen Frau und einer ebenso schönen Tochter gesessen, da habe er an „Schneewittchen“ denken müssen. Fasziniert sei er schon immer von den Sprachschöpfungen der Brüder Grimm gewesen, „die haben unendlich viele geflügelte Worte geschaffen!“ Man könne ja oft genug „ach wie gut dass niemand weiß...“ im Bundestag hören. Auch „Rattenfänger“ oder „den Gürtel enger schnallen“ seien beliebte politische Floskeln geworden. Gleichsam als „Zugabe“ erzählte der Festredner noch einige derbe Witze. „Mit meinen Witzbüchern verdiene ich richtig Kohle“, verriet er uns später im Gespräch.

FOTO:

Hanswerner Kruse:
Hellmuth Karasek und seine Steinauer Märchenkönigin (Mariéle Syllwasschy)