DSC04873 2 optimiertDoppelt bis dreimal mehr als im vergangenen Jahr hatten sich am Bunker zum Gedenken eingefunden

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Name Reichspogromnacht ist alljährlich Programm für ein Gedenken an 84 vergangene Jahre seit der schändlichen und unfassbaren Reichspogromnacht 1938 mitten in Frankfurt. Es ist zugleich Programm für Reflexion und stilles Nachdenken. An diesem entsetzlichen Tag hatten SA und Jugendbanden Synagogen in ganz Deutschland geschändet und verwüstet.

Wie alljährlich hielt Diwi Dreysse eine kompakte Rede ohne Umschweife auf dem kleinen Platz um die Gedenkplatte. Es ist der Ort der ehemals größten und prächtigsten Synagoge der Stadt und es handelt sich, geschichtlich gesehen, um eine besondere Gemeinde, die an dieser Stelle ihren Versammlungsort hatte.


Die Gemeinde rangiert als Austrittsgemeinde aus einer großen. Sie repräsentierte eine fortschrittlich orthodoxe - nämlich die  Reformgemeinde namens Israelitische Religionsgesellschaft, Frankfurt. Mit dem Pogrom sollte auch das herrliche Gebäude einer jüdischen Gemeinde getroffen werden. Es war das einleitend große Fanal im Gefolge von 1933, mit Rassengesetz und Berufsverboten als Reaktion auf den politischen Mord duch einen jugendlichen Juden auf den Gesandten in Paris, woraufhin die Parteiführung zur Zerstörung jüdischen Eigentums, also Geschäften, Einrichtungen und Häusern selbst von einfachen Bürgern mittels einer notorischen Tätergeneration im Wartestand aufrief.

Viele einfache und weniger einfache Charaktere haben mitgemacht und Läden und Geschäfte geplündert. Andere haben zugeschaut und haben so etwas wie Genugtuung empfunden. Wegen der tausendfach zerbrochenen Scheiben hat sich für diese Nacht des Schreckens im Volksmund der Ausdruck Kristallnacht eingebürgert. Architekt Dreysse plädiert dafür, diesen Ausdruck beizubehalten, weil er inzwischen als selbsterklärend gilt. Dieser Nazi-Begriff hinsichtlich einer Nacht „ging auch ins Ausland“.

DSC04871 optimiert 23000 jüdische Männer wurden verhaftet, zusammengetrieben und in die Festhalle ‚verbracht‘ und manche weiter nach Buchenwald und Dachau. Was die Nazis Menschen antaten war ein gewolltes Zeichen für: Haut ab! - Es eskalierte zum Beginn der Ausrottung der Juden in Deutschland, die später durchgeführt wurde. Es war ein Tag von größter Tragweite, die große Mehrheit hat sich passive verhalten und ist nicht eingeschritten. Die Lehre hieraus muss sein, dass das nie wieder passieren darf. Etwa in anderen Zusammenhängen. Heute leben viele verschiedene Nationen und Ethnien in unserer aller Land und kommen miteinander aus, doch Minderheiten können jederzeit angegangen werden.

Die Bunkerlösung entlarvt die Nazis als Schwindler und Verdränger

Bunker sind im Krieg nur Alibi und wiegten die Volksdeutschen in Sicherheit. Der Bunker ersetzte also die Synagoge. Er war in Frankfurt der größte, für 12-1600 Personen, die sich reinducken konnten. Im Schutzraum musste sich gedrängt werden. Er blieb unvollendet. Juden hatten keinen Zugang, ebenso wie andere Minderheiten nicht, die ebenfalls verfolgt und vernichtet wurden, wie Sinti und Roma, Homosexuelle und politische Gegner.

Was ist zu tun, um Ähnliches zu verhindern? Es muss darum gehen, Vergleichbares nicht mehr aufkommen zulassen. Wir müssen uns schützend vor diese, die Angefeindeten und Angegangen, stellen. Die Vernichtung der israelitischen Gemeinde war ein Menetekel, mit dem vorgeblich ‚Arisches‘ umgesetzt wurde; dennoch, viele kamen wieder zurück. Wir haben, so betont Dreysse, in Frankfurt eine sehr lebendige jüdische Gemeinde, wie auch in anderen Städten. Leute sagt: Wir stellen uns schützend vor Euch. Dieser Ort des Gedenkens ist aktiv am Schutz Gefährdeter beteiligt. Dazu werden Veranstaltungen angeboten, wie Tafeln am Eingang bezeugen.

Es hat fünf Ausstellungen:

- Jüdische Musikerinnen und Musiker
- Die Ostend-Geschichte
- Die Fotoausstellung Rafael Herrlich
- Zum jüdischen Leben heute in Deutschland
- Betreff des ehemaligen DP-Lager (Displaced Persons) bei München, das geschlossen wurde

Die Letzten kamen von dort nach Frankfurt und wurden hier heimisch.

Auch sei die Ausstellung „Zerstörte Synagogen“ bedacht.

Während der Zusammenkunft sind sie virtuell wiedererstanden. Sie zeigen eine historisierende Architektur aus dem Wechsel vom 19. zum 20. Jahrhundert. Hierzu schrieben wir bereits: „Die prächtige Synagoge [an der Friedberger Anlage] wurde 1907 eingeweiht und hat bis 1938 31 Jahre gestanden. Der Sakralbau ist nach Elementen der Romantik und des Orientalismus errichtet“ und „Die Gemeinde fühlte sich als aktiver Teil der Frankfurter Gesellschaft, was seinen lebendigen Ausdruck in vielen Aktivitäten und Gründungen der Stadtgesellschaft fand“.

DSC04876 5 optimiertAm diesjährigen 9. November verfolgten wir Geladenen laufende Projektionen auf die große Bunkerwand, die sowohl Innen- als auch Außenarchitektur ehemaliger Synagogen zeigte. Es können mittels animierter Wiedergabe auch Rituale kenntlich gemacht werden.

DiWi Heysse schloss mit den Worten: Wir dürfen froh sein, dass an diesem Abend des Neunten November so viele zahlreich gekommen sind. Hierfür sprach er einen extra Dank aus.

Die Synagoge kündigte für den Abend des 9. November 2022 an:

„Wir laden alle ein, am Gedenken an die Pogrome 1938 zu erinnern. Am 9. November werden wir, wie jedes Jahr, am Ort der zerstörten Synagoge der Israelitischen Religionsgesellschaft um 17 Uhr Kerzen anzünden. Unser Mitglied Diwi Dreysse wird eine kurze Ansprache halten“.

„Mit Beginn der Dämmerung wird der World Jewish Congress eine Fassadenprojektion mit der virtuellen Rekonstruktion (TU Darmstadt, FG Digitales Gestalten) der Synagoge der Israelitischen Religionsgesellschaft an die Außenwand des Hochbunkers zeigen. Die Ausstellungen im Hochbunker sind ab 17 Uhr geöffnet“.
Die Animation lief die ganze Nacht über.

Fotos:
©
Heinz Markert

Info:
Die Synagoge weist folgende Öffnungszeiten aus:
Mittwochs 17:00 – 19:00 Uhr
sonntags 11:00 – 14:00 Uhr
Von Mai bis Ende November
Führungen nach Vereinbarung