Serie: Fritz Bauer: Bücher, Filme, CDs und vor allem die Ausstellung in Frankfurt am Main, Teil 14

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zugegeben, es ist schon einige Wochen her, seit im Frankfurter Logenhaus in der Finkenhofstraße am 16. Juli der 111. Geburtstag des unvergessenen Fritz Bauer gefeiert wurde, aber für die, die dabei waren, liegt das Gefühl dieses Abends noch im Gemüt. Sehr angenehm nämlich, obwohl es tropisch heiß und total überfüllt war.

 

Rundherum lag das an zwei Dingen. Das eine ist ein Mensch, heißt Eberhard Panne, hat diesen Abend in der Freimaurerloge konzipiert, gestaltet, eröffnet und mit Sentiment, Esprit und Eleganz durchgeführt. Das andere ist der Film von Ilona Ziok FRITZ BAUER. TOD AUF RATEN, der einen, so oft man ihn auch sieht, immer weiter die politischen und auch die menschlichen Dimensionen von Fritz Bauer nahebringt, in einer unauflöslichen Mischung von Gefühl und Verstand.

 

Eberhard Panne sprach auch über das Freimaurerhaus und die dort befindlichen Logen. Fritz Bauer hätte mit seiner humanistischen Grundüberzeugung gut dazu gepaßt, aber den Logenbrüdern liegt es fern, ihn vereinnahmen zu wollen, wenn sie auch vielfältige gemeinsame Zielsetzungen geststellten. Der Gastgeber Panne stellte die Gäste des Abends vor, den Schauspieler Wolfgang Kaven, Uwe Kaltenmark aus Stuttgart und Ilona Ziok als Regisseurin des Film des Abends, der zum Geburtstagsfilm wurde.

 

Wolfgang Kaven war ein junger Mann, als er nahe Fritz Bauer in der Feldbergstraße wohnte und dieser sich immer wieder mit ihm unterhielt, denn das Entscheidende für eine echte Demokratisierung Deutschlands, sah er in der Bildung und Erziehung der Jugend. Das wissen wir heute, für den jungen Wolfgang Kaven wurde das einfach als große Chance gesehen, an der geistigen und geistvollen Welt des Fritz Bauer teilzuhaben. Er brachte – ja, das ist schon professionelles Können, so vorzulesen – Texte von Bauer, über den wir so viel reden, aber von dem wir viel zu wenig lesen: nicht mal in der Ausstellung im Jüdischen Museum sind seine Schriften ausgestellt.

 

Uwe Kaltmark, der in Vertretung von Herta Däubler-Gmelin als ihr Stellvertreter des Arbeitskreises Justiz der SPD aus Stuttgart gekommen war, verblüffte erst einmal, als er in Bauerschem Duktus mit dunkler Stimme und auf Schwäbisch begann und sich dann als Schauspielschüler outete. Seine Worte enthielten soviel Bauer, das wir ihn baten, sein Redemanuskript zur Verfügung zu stellen, was im nächsten Teil 15 abgedruckt wird.

 

Die größte Überraschung war allerdings erst einmal, wie Eberhard Panne dann am Klavier den ganzen Saal zum Singen brachte. Zuerst einige und etwas verhalten, dann wurden es mehr, aber er hatte ausdrücklich um leiseres Singen gebeten. Vorne an die Wand wurden die Texte projiziert, was fast immer gut ging. Panne gab am Klavier erst einmal die jeweilige Melodie vor und dann ging es mit DIE GEDANKEN SIND FREI los. Da allerdings wunderten wir uns, daß die allermeisten für das Singen die Textvorlage brauchten. Das hätten wir nun für ein so bekanntes musikalisch-textliches Kulturgut gehalten...Aber gerade in der Volksmusik haben ja die Nationalsozialisten besonderen Schaden angerichtet, weil sie diese für ihre Parteizwecke mißbrauchten und nach 1945 den Kindern das Singen erstmal eher ausgetrieben wurde, als daß die natürliche Lust an der Hervorbringung von Tönen, die noch mal so schön wird, wenn man das gemeinsam macht, gefördert worden wäre.

 

DIE GEDANKEN SIND FREI ist in der uns geläufigen Fassung von Hoffmann von Fallersleben aus dem 19. Jahrhundert, geht aber auf Walther von der Vogelweide – joch sint iedoch gedanke fri - Anfang des 13. Jahrhunderts zurück, er hat die Idee der Freiheit im Kopf, die einem niemand nehmen kann, jedoch auch nicht erfunden. Als Gedankenkonstrukt kennt man dies seit der Antike. Für die Freimaurer wurde es sozusagen ein Grundsatzlied. Wichtig wird der Sinn des Liedes immer dann, wenn andere einem sagen, was man zu denken hat oder wenn man sogar wegen der eigenen Gedanken eingesperrt wird. Dann nämlich sagte einem die dritte Strophe:

 

Und sperrt man mich ein

im finsteren Kerker,

das alles sind rein

vergebliche Werke.

Denn meine Gedanken

zerreißen die Schranken

und Mauern entzwei:

Die Gedanken sind frei!

 

Waren es fünf, waren es sieben Lieder? In Erinnerung blieben TROTZ ALLEDEM, was Freiligrath nach dem schottischen Dichter Robert Burns dichtete, das BUCHENWALDLIED, was die Nazis zwei österreichischen Häftlingen abpreßten, besonders SAG MIR WO DIE BLUMEN SIND, das durch Marlene Dietrich weltbekannt wurde, aber auf Deutsch auch von der Antikriegsikone Joan Baez gesungen wurde. Pete Seegers, der um 1955 das Lied schuf, bekannte sich zu ukrainischen Vorbildern und auch dazu, daß der deutsche Text schöner sei und sich besser singen ließe. Über die Funktion von Musik und vor allem eingängiger Musik, Schlagermusik hatte sich Jorge Semprun, der Buchenwald überlebte, in Erinnerung an Zarah Leander ausgelassen.

 

Und dann, nach einer nötigen Pause begann die Vorführung des Films von Ilona Ziok „Fritz Bauer - Tod auf Raten“, den aufmerksame Frankfurter schon im Naxos Kino, im Club Voltaire, in der Pupille und an anderen Orten hatten sehen können, den man aber, wie schon angedeutet, gar nicht oft genug sehen kann, weil einem jedesmal wieder etwas Neues besonders auffällt. Fortsetzung folgt.