Reich Ranicki Platz Annerose Heidenreich Christiane Weindel Rachid Rawas Mike Josef Hilime Arslaner Copyright Stadt Frankfurt a Main Holger MenzelPlatz im Stadtteil Dornbusch wird nach dem Ehepaar benannt

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ein vielen Frankfurterinnen und Frankfurtern vertrauter Platz im Stadtteil Dornbusch bekommt jetzt auch sichtbar einen besonderen Namen: Am Samstag, 13. Dezember, hat der Magistrat der Stadt Frankfurt gemeinsam mit dem Ortsbeirat 9 den Platz vor dem Haus Dornbusch nach Teofila und Marcel Reich-Ranicki benannt. Mit dem Platz im Herzen des Stadtteils Dornbusch soll das Ehepaar gewürdigt werden. Der renommierte Literaturkritiker und seine Frau lebten vier Jahrzehnte lang in einer Wohnung im Dichterviertel – unweit des jetzt nach ihnen benannten Platzes.

 
„Wir wollen hier an die Privatmenschen Reich-Ranicki erinnern“, sagte Ortsvorsteher Friedrich Hesse bei der Feier im Saalbau Dornbusch. „Marcel Reich-Ranicki und seine Frau Teofila waren unsere Nachbarn. Viele Menschen im Viertel kannten sie als Spaziergänger oder Kunden in der Apotheke oder als Gäste im Café. Hier am Dornbusch spielte sich ihr Privatleben ab.“
 
Stadtverordnetenvorsteherin Hilime Arslaner sagte: „Dieser Platz ist eine bescheidene, aber aufrichtige Geste der Wertschätzung gegenüber Marcel und Teofila Reich-Ranickis als langjährige Nachbarn in diesem Viertel.“ Die Benennung sei ein posthum ausgesprochenes „Ihr gehört hierher, ihr gehört zu uns“, ein Angebot an zwei Menschen, die offenbar gerne am Dornbusch wohnten, auch wenn sie sich mit dem Begriff Heimat schwertaten.
 
Oberbürgermeister Mike Josef sagte: „Teofila und Marcel Reich-Ranicki, Überlebende des Warschauer Ghettos, Heimatlose und Bedrängte, wurden mit den Jahren zu Bürgern unserer Stadt. Und als solche erinnern wir heute an sie mit der Benennung dieses Platzes. Durch den Namen dieses zentralen Ortes am Dornbusch werden alle heutigen Bewohner an diese beiden herausragenden Persönlichkeiten erinnert, die genau hier in der Literaturstadt Frankfurt, der Heimatstadt Goethes, ein Zuhause gefunden haben.“
 
Kulturdezernentin Ina Hartwig würdigte in ihrer Rede als ehemalige Journalistin und Fachfrau für Literatur den im Alter von 93 Jahren verstorbenen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. „Seit Alfred Kerr hat es in Deutschland keinen derart populären Kritiker gegeben wie ihn, Marcel Reich-Ranicki. Nicht ausschließlich subtiler Geschmack, nicht unbedingt ästhetischer Wagemut haben Marcel Reich-Ranickis unglaublicher Karriere den Weg gewiesen, sondern sein schier ungeheurer Fleiß, seine Brillanz und der unbedingte Wille, Einfluss zu nehmen auf das literarische Geschehen in Deutschland, vor allem aber seine polarisierende, geschickt vereinfachende Rhetorik“, sagte Hartwig. „Ein jüdischer öffentlicher Intellektueller vom Schlage Reich-Ranickis war in der alten Bundesrepublik darüber hinaus wohl nur in Frankfurt möglich, der Buch- und Messestadt mit der jüdischen Geschichte, derer sie sich nach willfähriger Unterstützung der Nazibarbarei in der Nachkriegszeit wieder besann.“
 
Marcel Reich-Ranicki war einer der einflussreichsten Literaturkritiker seiner Zeit. In Polen geboren und als Jude verfolgt, überlebte er – ebenso wie seine spätere Frau Teofila – das Warschauer Ghetto. 1958 kamen sie nach Deutschland, wo Marcel Reich-Ranicki seine Karriere als Literaturkritiker begann. Ab 1973 leitete er das Literaturressort der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und erlangte durch die Fernsehsendung „Das Literarische Quartett“ auch über die Literaturszene hinaus an Berühmtheit. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt, den Hessischen Verdienstorden, die Ludwig-Börne-Medaille und den Goethepreis der Stadt Frankfurt. Reich-Ranicki starb im September 2013, seine Frau Teofila zwei Jahre zuvor.
 
Der Wunsch, den Platz vor dem Haus Dornbusch nach dem Ehepaar Reich-Ranicki zu benennen, wurde im Ortsbeirat 9 erstmals bereits vor zwölf Jahren geäußert. Mit der Benennung soll ein Andenken an die Reich-Ranickis als Menschen und Stadtteilbewohner geschaffen werden. In der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung ist rechtlich geregelt, dass die 16 Ortsbeiräte der Stadt Frankfurt unter anderem Straßen, Plätze und Siedlungen benennen dürfen.
 
Bereits im vergangenen Jahr beschloss das für Eschersheim, Ginnheim und den Dornbusch zuständige Stadtteilgremium die Benennung des Platzes an der Eschersheimer Landstraße/Ecke Marbachweg nach dem Ehepaar Reich-Ranicki. Nun wurden die Straßenschilder montiert und enthüllt. Das ist allerdings erst der Anfang: Der Ort soll langfristig umgestaltet und aufgewertet werden – zu einer neuen Mitte des Stadtteils, die das Andenken an die Namensgeber in würdiger Weise ehrt.

Foto:
Enthüllten das Schild für den Reich-Ranicki-Platz gemeinsam (v.l.): Annerose Heidenreich, Christiane Weindel, Rachid Rawas, Mike Josef und Hilime Arslaner, Copyright: Stadt Frankfurt am Main
©Holger Menzel