Heiner Goebbels erhält den mit 335 000 Euro dotierten Ibsenpreis

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist selten. Das einer einen Preis gewinnt, einen Preis, den man vorher gar nicht kannte, ob dessen Dotierungshöhe einem fast der Atem stockt und den man dem Ausgelobten total gönnt, ja sich mit ihm freut, über das Symbolische daran, aber auch ganz einfach über das viele Geld. Was er damit alles initiieren kann, von seinen Ideen verwirklichen kann, ist die erste Überlegung.

 

Aber erst einmal müssen wir uns über den Henrik- Ibsen- Preis schlau machen, den die norwegische Regierung seit dem Jahr 2008 mit 335 000 Euro verleiht. Henrik Ibsen (1828-1906) natürlich, das norwegische Urgestein, das ob seiner politischen Renitenz von 1864-91  ins „freiwillige Exil“ nach Italien und Deutschland ging, was seiner nationalen Größe heute nicht mehr im Wege steht. Sein großes Stück PEER GYNT beispielsweise schrieb er 1867, fern der Heimat. Und aus einem anderen Stück, mit der Formulierung vom DRITTEN REICH  als Synthese zwischen Heidentum und Christentum, bedienten sich die Nationalsozialisten. Seine Stücke zeigen die Frauen als das aufrechte, gleichwohl verfolgte Geschlecht. 

 

Also der Ibsen-Preis ist ein Theaterpreis, der für ein Lebenswerk erteilt wird, wenigstens wird für sein Lebenswerk Heiner Goebbels ausgezeichnet. Dabei wird er, 1952 in Neustadt/Weinstraße geboren,  im August erst sechzig Jahre, ein Alter für einen Musiker und Theatermann, das noch auf viel hoffen läßt, weshalb es auch richtig ist, einen Preis für ein Lebenswerk dann zu erteilen, wenn man damit noch viel Gutes machen kann. Heiner Goebbels befindet sich in illustrer Gesellschaft. Erster Preisträger war der legendäre englische Theatermann Peter Brooks, im Jahr darauf die genauso verehrte französische Theaterleiterin Ariane Mnouchkine. Letztes Jahr erhielt den Preis der norwegische Stückeschreiber Jon Fosse.

 

Heiner Goebbels, Musiker, Hörspielautor, Regisseur und Soziologe erhält den Preis für seine Theaterarbeit. Das kann man ganz schlecht beschreiben, was das Ungewöhnliche an dieser ist, wo doch die meisten Heiner Goebbels als Komponisten kennen. Das bleibt auch richtig, aber seine Professur in Gießen übt er in „Angewandten Theaterwissenschaften“ aus, was ein eigenes Institut ist, das Heiner Goebbels seit 1999 leitet. Er ist nämlich nicht ein Schnellstarter, der überall herumturnt, sondern ein sehr nachhaltiger Arbeiter, der beides vereinen kann, eine sehr bodenständige Arbeit und ein Abgehobensein mit seinen Projekten, die in ganz Europa berühmt sind, insbesondere auf den Festivals, die sich der Avantgarde verpflichtet fühlen, oder den Theatern, die mit ihm seit Jahren arbeiten, wie der Mousonturm in Frankfurt am Main und vor allem das Theatre Vidy am Genfer See, wo die meisten Uraufführungen seines Musiktheaters stattfanden.

 

Man müßte hier seine Arbeit sinnlich wahrnehmbar abbilden können. Zumindest können Sie unter der unteren Ibsengewinnerwebseite mit Klick auf Goebbels Gesicht einen Film anschauen, der über dessen Theaterarbeiten gemacht wurde. Heiner Goebbels fragt: „Wie muss ein Theater heute aussehen, wenn wir wollen, dass in ihm morgen etwas entsteht, was wir jetzt noch nicht kennen?“ und handelt demgemäß. Er läßt weg, gibt Raum, erzeugt Zwischenwelten. Er wendet sich gegen die Vereinfacher, die alles eindimensional erleben und weitergeben und spricht von den komplexen Lebens- und Kunstzusammenhängen und handelt demgemäß künstlerisch. Heute, wo er abgeklärt und dennoch revolutionär seine Ideen weitergibt, denkt man selbst romantisch an das „Linksradikalen Blasorchester“ zurück, an dem er in den70er Jahren beteiligt war. In diesem Jahr beginnt seine Intendanz als künstlerischer Leiter der Ruhrtriennale 2012-2014. Preise hat er sein ganzes Leben lang erhalten.

 

„Heiner Goebbels ist ein großartiger Botschafter Frankfurts, der mit seiner künstlerischen Arbeit international begeistert. Seine Inszenierungen und Kompositionen werden weltweit aufgeführt und beeindrucken Kritik und Publikum durch ihre innovative Formensprache und ungewöhnliche Aufführungspraxis.“, mit diesen Worten gratuliert Oberbürgermeisterin Petra Roth dem Komponisten, Regisseur und Theaterwissenschaftler zum Ibsen-Preis. „Als Komponist und Regisseur eigener Musiktheaterstücke ist Heiner Goebbels ein wahrer Erneuerer seiner Zunft, dem mit dem Preis die gebührende Anerkennung zuteilwird. Er setzt Bühnentext und Musik in ein neues Verhältnis und macht dadurch klangräumliche Erfahrungen möglich, die die Wahrnehmung der Zuschauer dauerhaft verändern und lange in Erinnerung bleiben“, setzt  Kulturdezernent Felix Semmelroth fort.



„Heiner Goebbels erhielt unter anderem bereits die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt und den Binding-Kulturpreis. Der Internationale Ibsen-Preis wurde von der norwegischen Regierung gestiftet, um eine Persönlichkeit, Organisation oder Institution aus dem künstlerischen oder kulturellen Bereich zu ehren, die Bedeutendes im Geist von Henrik Ibsens Werk geleistet hat. Mit 335.000 Euro dürfte die Auszeichnung der höchst dotierte Theaterpreis der Welt sein“, setzt die stolze Stadt ihre Presseerklärung zum Ibsenpreis an den in Frankfurt ansässigen Künstler fort.

 

www.interantionalibsenaward.com 

www.heinergoebbels.com