f leanderSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. September 2017, Teil 7

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Was schon wieder ein Film über Nazi-Deutschland, bzw. über einen überlebenden Soldaten, schon wieder KZ und Juden. Nein, obwohl es für mich persönlich, auch von diesen Filmen nicht genug geben kann, weil der Schrecken und die Scham jedes Mal neue Gesichter haben, ist dieser Film über einen ehemaligen Wehrmachtsoffizier doch insofern etwas Besonderes, da eine Pointe...

Und natürlich darf man die nicht verraten, ahnt sie eigentlich auch nicht, denn das Geschehen ergibt auch so eine natürlich Spannung, der man sich überläßt. Und bevor die Geschichte erzählt wird, doch vorab noch ein Wort zu den deutschen Schauspielern. Denn mit Jürgen Prochnow und Suzanne von Borsody haben wir die Creme deutscher Schauspielkunst dabei, was auch für Petra Schmidt-Schaller gilt, die aber im Gegensatz zu den Erstgenannten sehr häufig in Film und vor allem im Fernsehen zu sehen ist.

Glaubwürdig verkörpert der 76jährigen Prochnow den 92jährigen Eduard Leander im Frühjahr 2014. Dessen Frau ist soeben gestorben und seine Tochter Uli (Suzanne von Borsody) und erst recht seine Enkelin Adele (Petra Schmidt-Schaller) sind ihm recht fremd. Hinzukommt, daß auch die beiden Frauen miteinander nicht können. Die Mutter war immer die taffe Frau und die, die sich um alles gekümmert hatte. Für die Tochter ist sie spießig, denn die ist selbstsüchtig nur auf die Gegenwart geeicht. Spaß muß her. Sie hat das Studium aufgegeben und jobbt lieber als Kellnerin, mal mit diesem, mal mit jenem die Nacht verbringend.

Leander will weg. Nichts hält ihn hier, aber alles zieht ihn in die Ukraine, wo er als junger deutscher Offizier im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatte und ausgerechnet dort die Liebe seines Lebens erlebte, die Frau aber verlassen mußte, die er nun suchen will. Am Ende seines Lebens. Seine Absicht aber hält er, den wir bei der Trauerfeier für seine Frau kennenlernen, geheim und schickt deshalb die Trauergäste, als diese zum Leichenschmaus im eigenen Haus erscheinen, schlicht weg, schmeißt vor ihnen die Tür zu, obwohl die Tochter den Tisch so schön ordentlich für alle gedeckt hatte und Kaffee und Kuchen warten und die beiden Frauen auch. Starke Szene.

Es kommt noch doller. Seine Tochter liest am nächsten Tag entsetzt die handschriftliche Nachricht vom Vater, daß dieser sich auf den Weg nach Kiew gemacht habe. Inzwischen haben wir Leander mehrfach kennengelernt. Als Wirrkopf, als entschlossenen Draufgänger, als absolutes Ekel, als kalten Vater und Großvater, als entschlossenen Tattergreis auch. Und das überwiegt für Uli. Entsetzt ruft sie die Tochter an, daß diese ihren Großvater sofort aus dem Zug hole. Diese will erst nicht, zieht sich dann doch an und saust los, findet auch den Zug, findet sogar den Großvater, nur kann sie ihn nicht bewegen auszusteigen, weshalb sich der Zug in Bewegung setzt: mit beiden. Nun gut, dann versucht sie es bis zur nächsten Stadion.

Das ist Frankfurt/Oder. Und da passiert so viel, daß Adele erst die übernächste Station aussteigen will. Noch immer am liebsten mit dem mürrischen Alten. Es ist Lew (Tambet Tuisk) zugestiegen, ein fescher Ukrainer mit russischen Wurzeln, der hier Geld verdient hatte und nun nach Kiew nach Hause will. Interessant ist er für Adele, interessant als Mann, es flackert hin und her, zudem ändert sich die Stimmung des Großvaters, der sich ohne Mühe mit Lew auf Russisch verständigen kann, was nun wieder Adele verwirrt. So flirten Leander und Enkelin mit Lew, oder besser: er auch mit ihnen und was Adele angeht, vergißt sie das Aussteigen und kommt mit Lew nach Drogengenuß zur Sache, ausgerechnet in der Zugtoilette. Andererseits, wo sonst?

Wie wichtig Lew wird, erweist sich an der Grenze, denn nur mit einem heimlich zugeschobenen Geldschein darf Adele ohne Papiere in die Ukraine einreisen; dasselbe Problem gibt‘s beim Hotelzimmersuchen. Denn ohne Paß wird sie nirgends genommen. Sie müssen also auf das Angebot von Lew, der ihnen seine Adresse gegeben hatte, zurückgreifen. Na klar, hier erleben wir das Gegenmodell zu Leanders kühler Familie. In Kiew geht es herzlich zu. Es wird gegessen und getrunken und gelacht und daß es zwischen Lew und seinem Bruder einen heftigen, tätlichen Streit gibt, der Politik wegen, das gehört dazu.

Lew hilft nun, die Frau, der die Reise gilt, zu suchen. Und diese Suche bleibt bis zum Schluß spannend. Zuerst geht es ins Historische Museum, wo es Dokumente und Sachkundige gibt, und nun hört Adele zum ersten Mal die Geschichte von ihrem Großvater als Kompaniechef einer Kosaken- Kavallerie, die gegen die Sowjets kämpfte. Na, klar die Don Kosaken und wer alt genug ist, weiß um die Nostalgie des Kosakenchors in Westdeutschland nach dem Kriege. Auf jeden Fall brachte das dem Großvater sieben Jahre Gulag ein und den Verlust von Svetlana, einer Kosakin, die ihm aber 1964 – also vor 50 Jahren - noch ein Bild von sich schickte – allerdings ohne Adresse. Sie will er finden. Sie muß er finden.

f leander2Dieses Roadmovie nun über die im Osten kriegsführende Ukraine hinweg ist irre. Denn im Osten der Ukraine findet er die Ortschaft nicht, deren Namen sie längst rausbekommen haben. Also heimlich immer weiter, über die Grenze nach Rußland...wir sind zu der Zeit, wo die Russen die Krim besetzen, es geht also auch im Film hoch her. Das muß vor allem Uli spüren, denn als sie vom Vater und der Tochter nichts mehr hört, fliegt sie hinterher, nimmt einen Leihwagen, kommt auch weit, aber als die Armee sie im ukrainisch-russischen Grenzgebiet nicht mehr weiterläßt, kommt der totale Zusammenbruch dieser Frau, was zu den stärksten Szenen gehört, wie diese sonst so durchsetzungsfähige und auch verantwortungsvolle Powerfrau einfach am Ende ist. Fahnenstange.

Das gilt nicht für die Dreierbande Leander, Adele und Lew, die immer östlicher nach Svetlana suchen und auch etwas finden. Aber wie das von statten geht und was passiert, das sehen Sie dann im Kino.

Bißchen konstruiert, zugegeben, aber bis zur Schlußpointe auch spannend!


Foto: ©

Info:

BESETZUNG

Eduard Leander      JÜRGEN PROCHNOW
Adele                       PETRA SCHMIDT-SCHALLER
Uli                            SUZANNE VON BORSODY
Lew                         TAMBET TUISK
Boris                       ARTJOM GILZ
Nastja                     MARIA KOCHUR
Nikolai                    JEVGENI SITOCHIN
Masha                    NATALIA BOBYLEVA
Ustinja                    NINA ANTONOVA
Hermann                KAI IVO BAULITZ
Eva                         KATHRIN ANGERER
Marcus                   ANDREAS PATTON