f wildesherzSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 12. April 2018, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das ist so ein Film, in den ich ohne große Erwartung hineinging und optimistischer, mutiger, ach, einfach energiegeladener wieder herausging und viel gelacht hatte.

Das alles verdankt sich dem, der wohl für den Filmtitel WILDES HERZ steht: ein Koloss von einem jungen Mann, gegen den Regisseur Charly Hübner, den wir alle als eindrücklichen Schauspieler kennen, fast zart wirkt. Und das will was heißen. Der Typ heißt Jan „Monchi“ Gorkow, ist der Frontmann der Band FEINE SAHNE FISCHFILET, was nach Norden klingt, was richtig ist, aber man muß hinzufügen, nach Osten klingt es auch. Und so finden wir die Punkband und ihre Protagonisten in einem kleinen Dorf irgendwo in Mecklenburg. Weit weg von den Zentren. Wobei für das WILDE HERZ von Monchi das Zentrum sicher immer er selber bleibt.

Mit entwaffnender Ehrlichkeit und auch auskunftsfreudig kommt uns Monchi entgegen. Es ist sein Film, das merkt man gleich und dennoch ist er es, der immer wieder die anderen in die Gespräche hineinzieht und der zwar von gewaltigem Selbstbewußtsein kündet, aber eine soziale Ader hat, die ihn immer wieder erdet und ihn immer wieder mal selbstkritisch, ja selbstironisch sich selbst in Frage stellen läßt. Nämlich, was er da mal wieder angestellt hat. Ein buchstäblich umwerfender Typ, dem man – wenn man ihn nicht kennt – lieber nicht abends im Dunklen begegnen möchte.

Was ein Fehler wäre, denn dies Kraftbündel hätte sicher auch dann noch was zu bieten. Aber auch so, auf der Leinwand, entfaltet er einen Wirbel und auch, wenn Charly Hübner seinen Film, der von der Band FEINE SAHNE FISCHFILET mit der Besetzung der verschiedenen Instrumente handelt, durch viele Konzerteinlagen genau zu einem Musikfilm, zu einem Film über Musiker macht, ragt Monchi durch Größe, Umfang und gute Laune unter seinen Kollegen hervor. Daß er singt, wissen wir ja längst, aber da ist Kai Irrgang, der den Baß spielt, Olaf Ney, zuständig für Schlagzeug und auch DJ, Christoph Sell, der mit der Gitarre und Gesang beiträgt, Max Bobzin, der seine Trompete bläst und mit Jacobus North noch ein Trompeter.

Im Film lernen wir dann auch den Polizeichef von Rostock kennen, den Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, die Stützen der Gesellschaft wie Lehrer, Politiker, Pfarrer, Bürgermeister, aber auch die Medien mit Radiomoderatoren und Pressesprechern und erst recht den Leiter des Verfassungsschutzes sowie Anwälte, von Monchi und auch andere und neben den schon aufgeführten Kerlen von der eigenen Punkband, sind auch andere Musiker unterwegs, sogar Campino! Der singt und unterstützt.

Aber was passiert nun im Film? Den haben sich Charly Hübner und Sebastian Schultz zusammen ausgedacht, zusammen geschrieben und im Doppelpack auch Regie geführt. Es geht chronologisch los, wenn wir – zum Schreien komisch – dieses große Kind Monchi, das nicht weiß, wohin mit seiner Kraft als Anhänger von Hans Rostock, erst einmal lauter Unsinn machen sehen. Wer die Fanszene kennt, der weiß, was da abgeht und es muß einen gar nicht wundern, daß bei einem Aufwärtsspielen Jan Gorkow gleich mal im Polizeigewahrsam von Dortmund landete. Da war er noch sehr jung. Was zu Hause im Hause Gorkow los ist, erkennt man auch daran, daß die die Eltern flugs nach Dortmund aufbrechen, dort von der Polizei nicht nette Sachen erzählt bekommen und ihren Sohn nach Hause fahren.

Aber ein liebevolles Elternhaus kann nicht verhindern, daß Monchi erst einmal die typische Ostkarriere machte. Ein radikales Arschloch. Ein Radikaler, der den eigenen Frust an der Gewalt gegen Sachen ausläßt. Wie er aufwacht und sieht, was er anstellt? Genau diese Vorgänge schildert der Film, ohne eine brave Politstory zu werden. Es kommt noch schlimmer. Oder besser. Er durchschaut sein früheresgealttätiges Verhalten und das der heutigen ‚Edelpatrioten‘ in der Ex-DDR. Gewinnt eine eigene Meinung über die Welt. Und leistet Widerstand, jeden Tag spricht er die Leute an, die sich abfällig über die Umstände mit Flüchtlingen äußern, oder die sich negativ über die Zeit oder sogar Antisemitisches äußern.

Genau das kann jeder vom Film für sich selbst lernen. Unmittelbar, wenn öffentlich Unsinn geredet wird, darauf selbst verbal zu reagieren. Und zwar souverän und mit Lachen. Die Punkband, die noch immer erfolgreich tourt und vor allem die Jugend anzieht, hat für sich auch viel zu erzählen. Denn sie ist von einem Objekt des Verfassungsschutzes, in das sie geriet, weil sie gegen Rechts mobilisierte – jeder weiß, daß rechts viel weniger geguckt wird als links – zu einem Vorzeigemodell für aufrechtes staatsbürgerliches Verhalten geworden. Aber nicht zu lammfromm. Die alte Aufsässigkeit ist noch da und es gibt ja auch genug, wogegen protestiert werden muß.

Foto:
© Verleih

Info:
Jan „Monchi“ Gorkow
Kai Irrgang
Olaf Ney
Christoph Sell
Max Bobzin
Jacobus North
Torsten Otto
Michael Ebert
Dr. Norbert Nieszery
Lothar König
Karin Hannig
Dietmar Mahnke
Svenner Ralf
Eric Mickan
Andreas Hänisch
Jürgen Hingst
Lorenz Caffier