f beautifulSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 24. Januar 2019, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Drogen, Drogenabhängige, insbesondere drogenabhängige Jugendliche erwecken neben Angst sofort Mitleid, was sich zu Mitgefühl steigert, wenn es die Eltern sind, die um die Gesundheit, ja das Leben ihrer Kinder kämpfen. Dies kann man geradezu exemplarisch in BEAUTIFUL BOY an sich selber erleben, wobei die beiden Hauptdarsteller Vater David Sheff (Steve Carell) und Sohn Nic (Timothée Chalamet) diese Anrührung durch ihr intensives Spiel bekräftigen.

Und doch. Und doch, da ist etwas, was einen irritiert. Man bemerkt es erst nach einer Weile. Und das, was auffällt, ist einerseits etwas Gutes, das doch zugleich den ganzen Film in Frage stellt. Wir kennen das Thema Drogen im Film fast immer in Verbindung mit armen, hilflosen Menschen in sozialen Rand- ja, Schieflagen, in deren Lebenselend die Droge der Versuch ist, der schrecklichen Wirklichkeit zu entfliehen. Die dann Entzugsprogramme durchlaufen, auch immer wieder Menschen finden, die ihnen helfen, die Sucht zu bekämpfen und sie entweder besiegen können oder jämmerlich zugrunde gehen. Von alledem finden Sie in diesem Film nichts. Hier geht es um die Wohlstandsgesellschaft, die in der Familie Sheff ihren sinnbildlichen Ausdruck findet. So eine nette Familie, so ein rührender Vater, so eine zugewandte Mutter, das läuft doch alles prima in dieser Familie, der Sohn Nic ist zudem in einer privilegierten Situation, was Schule und Ausbildung angeht. Die Welt steht ihm offen, er kann werden, was er will, er kann das College, die Universität wählen, wie er will, doch er will nur eines: den nächsten Kick.

Das ist als Grundthema für den Zuschauer nicht glaubwürdig. Der hätte schon gerne ein Verständnis für die Drogensucht des jungen, hübschen Kerls aus den besten Verhältnissen. Das, was ihm das Drehbuch von Luke Davies und Felix van Groeningen als sinnhafte Erklärung für die Sucht unterschieben, ist einfach nicht glaubhaft. Er will „den Druck des Alltags lindern“, sagt er einmal, was man kopfschüttelnd kommentiert, wenn man dies liebevolle Familienleben im herrlichen Haus in der besten Wohngegend miterlebt. Da allerdings ist man in die eigene Fall getappt, die da heißt, daß es einen faktischen Grund geben müsse, warum jemand Drogen verfällt. Denn erst einmal Drogen zu nehmen, gehört für junge Leute durchaus noch in den Bereich des Probierens, wie Rauchen und auch Alkohol. Und es gibt Menschen, die sofort süchtig werden, und andere, die probieren und sogar regelmäßig Drogen konsumieren können und dennoch nicht abhängig werden, also jederzeit aufhören und aussteigen können. Eigentlich wäre also das Thema des Film, wie das ist mit den Drogen und dem Abhängigwerden, eine echte Fallstudie über Sucht.

Aber das wäre ein anderer Film, denn dieser ist ja nach zwei Erfolgsbüchern in den USA entstanden. Vater und Sohn Sheff haben beide ihre Version der schrecklichen Geschichte, die dann gut ausgeht, in Autobiographien gegossen, was den Belgier van Groeningen zu seinem ersten Film in Hollywood brachte. Und das kann man einfach nicht verstehen. Denn van Groeningen steht für etwas anderes, als diese durch die Wirklichkeit festgezurrte Geschichte ihm abverlangt. Es bleibt nämlich das Glaubwürdigkeitsproblem, schlicht auch die Frage, was einen so fesseln soll bei einem Geschehen, von dem man ja weiß, daß es gut ausgeht und das ganze Ambiente von Reichtum und Konzentration der Familie auf den drogensüchtigen Sohn durchaus auch Aggressionen erwecken können, wenn man an diejenigen denkt, um die sich niemand kümmert.

Aber daß solche Gedanken sich nicht festsetzen und dann doch das Interesse an Nic anhält, hat allein mit dem Spiel des sehr begabten Jungschauspielers Timothée Chalamet zu tun. Aufgefallen ist dieser im Film CALL ME BY YOUR NAME, wofür er sogar eine Oscar©-Nominierung erhielt. Er spielt den Jungen derart intensiv, auch körperlich im Suchtverlangen überzeugend, daß im Zusammenspiel mit Steve Carell dann doch eine überzeugende Darstellung gelingt, die aber trotz aller Brillanz die oberen Bedenken nicht völlig aus der Welt schaffen kann.

Foto:
© Verleih

Info:
Besetzung
David Sheff       Steve Carell
Nic Sheff           Timothée Chalamet
Karen Barbour   Maura Tierney
Lauren                Kaitlyn Dever
Dr. Barbour         Timothy Hutton
Spencer              Andre Royo
Vicky Sheff          Amy Ryan
Nic Sheff (12 Jahre alt)    Jack Dylan Grazer
Nic Sheff (8 Jahre alt)      Zachary Rifkin
Nic Sheff (5 Jahre alt)       Kue Lawrence