f agentin4Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. August 2019, Teil 8

Yuval Adler

Tel Aviv (Weltexpresso) - Trotz der großen Beliebtheit von Spionagegeschichten – sowohl im realen als auch im fiktionalen Bereich – werden nur selten die Mechanismen betrachtet, die sich tatsächlich hinter solchen komplexen Operationen verbergen. Auch die Leben der Menschen hinter diesen Operationen stehen kaum im Fokus. Als ich „The English Teacher“ von Yiftach Reicher Atir – einem ehemaligen Mossad-Mitarbeiter – las, war ich sofort begeistert.

Seine Fokussierung auf die psychologischen Belastungen der tatsächlichen Spionagearbeit, seine fanatische Liebe zum Detail und die Erforschung der menschlichen Aspekte von HUMINT (Human Intelligence) haben mich fasziniert. Das Buch basiert auf realen Ereignissen und dem Leben echter Spione – so detailgetreu, dass es zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung in Israel stark zensiert wurde. Bei der Spionagearbeit geht es nicht hauptsächlich um Schießereien oder Verfolgungsjagden, sondern vielmehr darum, eine andere Identität anzunehmen. Ein normales Leben aufzugeben und ein falsches Leben zu erschaffen, sich selbst in Gefahr zu begeben und ständig die Wahrheit vor allen verbergen zu müssen. Warum sollte das jemand wollen? Welche mentale Verfassung bringt jemanden dazu, dieses Leben zu wählen? So fremd – und doch auch vertraut. Jeder kennt dieses Gefühl, dass alles, was wir tun und sogar unsere Identität selbst eine Fabrikation ist, die wir vergeblich zu schützen versuchen.

Rachel ist eine Frau ohne Wurzeln, die überall und nirgendwo aufgewachsen ist. Eine Person ohne emotionale Bindung zu einem Land, einer Sache – die fast zufällig in Israel gelandet ist. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb tritt sie dem Mossad bei und wird zu einer der besten Spione, die der Westen im Iran positioniert hat. Sie ist ein Mensch, der Sinn in diesem willkürlichen Leben findet – befreit durch die Maske, die sie trägt. Der Film erforscht ihre Reise und ihre komplexen Beziehungen zu ihrem Kontaktmann Thomas und dem iranischen Geschäftsmann Farhad Razavi, ihrer ahnungslosen Zielperson in Teheran.

Thomas – ein in Leipzig lebender australischer Jude – ist selbst ein Außenseiter im Mossad. Er ist Rachels einziger Kontakt im Westen. Die Beziehung zwischen Kontaktperson und Agent fasziniert mich sehr. Es ist eine besondere Beziehung, die ich in meinem vorherigen Film BETHLEHEM zu erforschen begann. Die Kontaktperson verwendet echte Emotionen, echtes Einfühlungsvermögen und echte Zuneigung, um zu manipulieren und zu kontrollieren. Es ist eine widersprüchliche Rolle, in der die Kontaktperson sowohl verborgen als auch exponiert ist. Ihre Dynamik wird komplexer durch Rachels Beziehung zu ihrer iranischen Zielperson Farhad – eine Beziehung, die sowohl den Mossad als auch Rachel selbst schockiert. Für den Mossad wird sie dadurch zu einem unberechenbaren Risiko – einer Agentin, die schwer zu kontrollieren ist. 

Doch der Kontakt zu Farhad ist zu wertvoll für den Mossad und überwiegt dessen Vorbehalte bezüglich ihrer Sicherheit und Intimsphäre. Es liegt nun an Thomas, Rachel auf dem von Mossad vorgegebenen Kurs zu halten, während er mit seinen eigenen Gefühlen für sie zu kämpfen hat. Blendet man das Spionageumfeld aus, handelt es sich um eine klassische Dreiecksgeschichte. Mit Thomas hat Rachel ein komplexes Verhältnis aus Vertrauen, Abhängigkeit, Frustration und gegenseitiger Manipulation. Bei Farhad ist sie viel offener, sowohl emotional als auch sexuell, gerade weil sie alles verbirgt und ihn ständig anlügt. Für mich ist DIE AGENTIN ein sehr intimes Drama, welches das Spannungsverhältnis zwischen der professionellen und der persönlichen Ebene verhandelt. Neben den Actionszenen und internationalen Spionage-Verschwörungen liegt mein Fokus in diesem stilisierten Thriller immer auf den Gesichtern der Charaktere – der Erforschung ihrer inneren Welt. 


Über den REGISSEUR Yuval Adler,  Drehbuchautor, Regisseur und Produzent

Yuval Adler studierte zunächst Mathematik an der Universität von Tel Aviv und zog später nach New York, wo er an der Columbia University in Philosophie promovierte. Parallel dazu studierte er Bildhauerei und Fotografie und war mit seinen Arbeiten bei mehreren Kunstausstellungen in New York vertreten, bevor er sich ganz dem Filmemachen widmete. Sein Spielfilmdebüt BETHLEHEM feierte 2013 Weltpremiere auf den Internationalen Filmfestspielen in Venedig, gewann den Hauptpreis der Venice Days sowie sechs Auszeichnungen beim Israelischen Filmpreis und ging 2014 als israelische Einreichung ins Oscar®-Rennen. DIE AGENTIN ist Yuval Adlers zweiter Spielfilm.


DIE BUCHVORLAGE DIE AGENTIN

ist eine bemerkenswert authentische Darstellung des zeitgenössischen Spionage-Handwerks, das die emotionalen Folgen des langfristigen Undercover-Daseins erforscht. Das Drehbuch basiert auf dem Roman „The English Teacher“, einem israelischen Bestseller des ehemaligen israelischen Geheimdienstmitarbeiters Yiftach Reicher Atir, der die Details seiner Geschichte aus eigener Erfahrung sowie aus realen Berichten von Mossad-Agenten zusammengetragen hat. Das Buch wurde in Israel stark zensiert, in den USA jedoch von der Kritik sehr positiv aufgenommen. Die Washington Post nannte es "einen der besten Thriller des Jahres 2016 – mit einem erstaunlichen Einblick in das Spionage-Handwerk des Nahen Ostens."

DER AUTOR

Der Autor Yiftach Reicher Atir wurde 1949 im Kibbuz Shoval im Süden Israels geboren. Als junger Kommandooffizier nahm er an der Operation Entebbe und anderen Militär- und Geheimdienstoperationen teil, bevor er als Brigadegeneral (Geheimdienst) schließlich in den Ruhestand ging. „The English Teacher“ ist sein dritter Roman. In Deutschland erscheint der Roman als Erstausgabe unter dem Titel DIE AGENTIN am 10. Oktober 2019 exklusiv bei Zweitausendeins.

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© Verleih

Info:
Originaltitel: The Operative
Deutschland/Israel/Frankreich/USA 2019, 116 min
Genre: Thriller
Regie: Yuval Adler
Drehbuch: Yuval Adler
Kamera: Kolja Brandt
Schnitt: Hansjörg Weißbrich
Musik: Haim Frank Ilfman
Produktion: Viola Fügen, Michael Weber, Eitan Mansuri, Jonathan Doweck, Anne Carey, Jean Labadie
Darsteller: Diane Kruger, Martin Freeman, Cas Anvar, Werner Daehn, Ohad Knoller
FSK: 16
Kinostart: 29.08.2019

Veröffentlichung aus dem Presseheft