Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 5. September 2013, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Rund um die Studentenbewegung war der Name WILHELM REICH nicht nur den allermeisten ein Begriff, sondern er war synonym mit der Sache, um die es ging: man – bzw. frau - selbst zu sein, sich und seinen Gefühlen nahe zu sein und sie ohne Schaden für andere auszuleben, nicht zu verdrängen, was gerade in Reichs Faschismusanalyse eine Ursache des deutschen Unheils wurde.

 

 

DER FALL WILHELM REICH

 

Heute muß ein Film über den berühmt-berüchtigten Freud-Schüler und Psychoanalytiker eben sehr viel mehr Historisches der Nachkriegszeit aufarbeiten, als es vor fast 50 Jahren nötig war. Andererseits ist die Psychoanalyse selbst heute – von Amerika kommend – geläufiger in der Anwendung als sie es früher war. Vor zwei Jahren hatte zudem Cronenberg einen Film über C. G. Jung EINE DUNKLE BEGIERDE gedreht, wo das spannende Schicksal seiner Patientin Sabina Spielrein in einer stark zwanghaften, aber auch gradlinigen und unverblümten Keira Knightley eine aufrüttelnde Darstellerin fand, wenngleich der Film selbst irgendwie klinisch erschien, was vielleicht auch daran lag, daß Jung mit seiner Entdeckung der Archetypen und seinem darauf basierenden Tiefenpsychologischem Konzept, damit der Abkehr von Freud einen etwas aseptischen Gurustempel seiner Jünger erhielt.

 

Davon ist der Freund ebenfalls abtrünnige und verstoßene Wilhelm Reich fern. Seinem interessanten, verrückten Leben, das ihn in die Emigration nach Amerika führte, wo er vor allem für die Messung der psychischen Energien von Lust und Leidenschaft eine Orgasmusmaschine zu konstruieren versuchte. Seine Orgasmusfetischisierung fand vor 42 Jahren in einem adäquaten Film seinen Widerpart im Kino. Das war W.R. - DIE MYSTERIEN DES ORGANISMUS vom Filmemacher Dusan Makavejev. Jetzt wagt sich der österreichische Regisseur Antonin Svoboda an DER FALL WILHELM REICH, und greift ein derzeit häufig angewendetes Verfahren an, das man mit Biopic bezeichnet.

 

Das will sagen, daß keine filmische Biographie den Mann, sein Leben und Werl vorstellt, sondern, daß man einen Lebenspunkt herausgreift, diesen dramatisch zum Mittelpunkt macht, womit der Film anfängt, auf diesen aber dann durch Rückblenden wiederum vorbereitet, bis er zur für die Zuschauer verständlichen Hauptsache werden darf. Hier sind es die Jahre, die der von den Nazis verfolgte Reich, der zudem auch noch Kommunist und Jude war – also die allerschlimmste und eigentlich tödliche ausgehende Kombination – seit 1939 in den USA verbrachte, wo sein Hauptinteresse der Erforschung der von ihm entdeckten Lebensenergie ORGON galt.

 

Der Film stellt die damalige Zeit in ihrer speziellen Prüderie und Angst vor dem Sex und seinen Folgen gut heraus. Denn dieser Reich wurde nicht nur verschärft beobachtet, was später in der McCarthy-Ära zur regelrechten Überwachung ausartete, sondern war schon durch seine Existenz und sein Forschungsinteresse auf dem Land von jeher mißtrauisch beäugt. 1955 aber gab es auf Betreiben einer Regierungsstelle sogar ein Urteil, das ihm verbot, seine Orgon-Akkumulatoren herzustellen und zu verkaufen.Tatsächlich war dies das Ende seiner hochfliegenden Pläne und auch das Ende für ihn, der vereinsamt im Gefängnis starb, was wir hier miterleben.

 

Im Film nun werden auch diese letzten Jahre im Labor zum Mittelpunkt gemacht, wo eine zusätzliche innerfamiliäre Laborsituation entsteht. Neben den Mitarbeitern sind anwesend: Peter, der Sohn, Ilse, die Frau, mit der er noch verheiratet ist, Eva, die wieder seine Tochter sein will. Daß der Film auf den Seiten Reichs steht, verschweigt er nicht. Und das muß man angesichts der amerikanischen Überwachungszustände und Verfolgungen auch sein. Anders sieht es mit der von Reich angestrebten Maschine zur Messung von Energie und Glück aus.Da hätte man sich schon etwas Kritisches gewünscht.

 

Zusätzlich widmet der Regisseur seinen Film einem Berliner Reichianer, der 2011 verstarb und an den Vorbereitungen zum Film mitgearbeitet hatte. Wer aber glaubt, daß Regisseur Svoboda mit der Darstellung der amerikanischen Situation, in der Reich angefeindet und verfolgt wurde, übertreibt, der irrt. Denn so bigott waren sie wirklich, die Behavioristen, die damalige amerikanische Mode in Psychologie und Psychiatrie, die Reich und seine Anhänger sowie seine Sexmaschinen verteufelten und ihren Patienten mit Elektroschocks 'halfen'. Wenn man das weiß, ist es fast erschreckend, wie wenig die damalige Paranoia in den USA einschließlich ihrer Geheimdienste auf der Leinwand deutlich wird. Dabei kommt der Film doch in eine Zeit der politischen Wiederauflage von allgemeiner Überwachung in Amerika,von Verfolgung und angeblichem Landesverrat mit Gefängnisstrafen, die sonst noch nicht einmal Mörder erhalten. Also auch in dieser Hinsicht ist der Film zu kritiklos. Zu harmlos.

 

Warum wir über die Schauspieler noch nichts sagten? Weil wir in dem doch wunderbaren Klaus Maria Brandauer einfach keinen Dr. Reich wiederfanden und auch Julia Jentsch als die erst widerspenstige, dann versöhnungwillige-bereite Tochter Eva nicht den intellektuell funkelnden Widerpart verkörpert, der sie war. Bleibt Birgit Minichmayr, die – wie immer – stark ist als

 

 

KÖNIG VON DEUTSCHLAND

 

Gut gemachte Sozialkomöde, die der Sohn des legendären Helmut Dietl, David, mit Oli Dietrich als total durchschnittlicher Durchschnittsbürger (sonst als Herr und Frau Mustermann gekennzeichnet) drehte, der mit Hilfe von Frauen wie Veronica Ferres und Katrin Bauerfeind sich lebendig fühlt, aber erst durch gezielte Überwachung zum strategischen Ziel des gläsernen Bürgers, d.h. hier Käufers wird, was für die Branche übel ausgeht.

 

 

 

DAS MÄDCHEN WADJDA

 

Der erste Film einer Regisseurin aus Saudi-Arabien. Und dann dreht Haifaa Al Mansour auch noch einen so schönen Film, der als Kinderfilm uns die Welt einer Zehnjährigen in diesem großen arabischen Land zeigt. Wir erleben die komplexen familiären Hintergründe und vor allem, wie dieses Mädchen es sich möglich macht, das ersehnte Fahrrad zu bekommen und mobil in einem Land zu sein, wo selbst weibliche Zehnjährige das nicht sollen. Ein ganz wichtiger und schöner Film!