frenchvieleSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 21. Oktober 2021, Teil 3

Redaktion

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Meldung: Arthur Howitzer; Jr. (Bill Murray), der hochgeschätzte Gründer und Verleger von The French Dispatch of the Liberty, Kansas Evening Sun, wurde, mutmaßlich nach einer Herzattacke, tot aufgefunden in seinen Büroräumen im Druckerviertel von Ennui-sur-Blasé, Frankreich.

Seine handverlesenen Mitarbeiter - darunter der Cartoonzeichner (Jason Schwartzman), der Chef vom Dienst (Fisher Stevens), der Justiziar (Griffin Dunne), die leitende Redakteurin (Elisabeth Moss), die Korrekturleserin (Anjelica Bette Fellini) und ein fröhlicher Schreiber namens Wally Wolodarsky - der seit Jahren die Büros von The French Dispatch heimsucht und noch nie ein einziges Wort geschrieben hat - versammeln sich um seinen Leichnam und beratschlagen über einen gemeinsamen Nachruf. Angeführt werden sie von Howitzers geliebten Autoren, die er hätschelte und ermutigte, herabsetzte und aufbaute, und sich so ihre Liebe und ihre Hingabe verdiente:

Es sind dies Herbsaint Sazerac (Owen Wilson), der furchtloseradelnde Reporter, den es in die verstörendsten und unappetitlichsten Ecken entlegener Städte zieht... J.K.L. Berensen (Tilda Swinton), die Kritikerin, Chronistin, und intime Kennerin aller Aspekte der modernen Kunstwelt... Lucinda Krementz (Frances McDormand), die einzelgängerische Essayistin, die ihre journalistische Integrität so beharrlich beschützt wie ihre privaten Leidenschaften... und Roebuck Wright (Jeffrey Wright), der einsame Universalgelehrte im Exil, ausgestattet mit einem typografischen Gedächtnis, den Howitzer einst entdeckte und aus demütigenden Umständen rettete.


Auf den Seiten von The French Dispatch können wir über Folgendes lesen:

- Sazeracs Tour durch Ennui-sur-Blasé selbst, eine alte, auf einem Berg gelegene Stadt, überragt von den Türmen der historischen Kathedrale, mit eng gewundenden Kopfsteinpflastergassen entlang ehrwürdiger steinerner Fassaden, charmant und schäbig, eine Stadt, in der alle Epochen, gleich dem nahegelegenen Fluss Blasé, sich zusammenfließend vereinen, die Essenz eines ewigen Frankreichs beschwörend.

- Berensens Geschichte „Das Beton-Meisterwerk“ über das Werk des kriminellen und geistesgestörten Malers Moses Rosenthaler (Benicio del Toro und Tony Revolori als junger Mann), entdeckt, rücksichtslos vermarktet und zu astronomisch steigenden Preisen von dem Kunsthändler Julian Cadazio (Adrien Brody) und dessen Onkeln (Bob Balaban und Henry Winkler) verkauft... und über Rosenthalers seit vielen Jahren mit höchster Spannung erwarteten Meisterwerks, inspiriert von seiner Gefängniswärterin und Muse Simone (Léa Seydoux), das schließlich mit großem Tamtam der ungeduldigen Kunstwelt - darunter der renommierte Kunstsammler und potentielle Käufer aus Kansas, Upshur „Maw” Clampette (Lois Smith) - enthüllt wird.

- Krementz‘ „Korrekturen eines Manifests”, ein Bericht aus erster Hand über die Nöte und Leidenschaften, politisch und sexuell, von denen die romantisch enttäuschte Jugend von Ennui dazu getrieben wird, ihren erwachsenen Vormündern den Krieg zu erklären und einen tumultuösen Generalstreik zu initiieren, der schließlich zur Lahmlegung des ganzen Landes führt. Krementz’ Bericht würdigt die charismatischen Helden, Heldinnen und Köpfe der Bewegung - den verträumten Zeffirelli (Timothée Chalamet) und die kompromisslose Juliette (Lyna Khoudri), deren Beziehung unter einem schlechten Stern steht.

- Roebuck Wright zeichnet mit „Das private Speisezimmer des Polizeichefs“ das Porträt des legendären Kochs Nescaffier (Stephen Park)— der in den Diensten des Kommissars von Ennui-sur- Blasé (Mathieu Amalric) steht — das sich unerwartet in einen Nerven zerfetzenden und spannungsgeladenen Krimi verwandelt, als eine Bande Schurken, angeführt von „dem Fahrer“ (Edward Norton) den geliebten Sohn des Kommissars und sein Protégé, das ihm bei den Ermittlungen unterstützt, kidnappen und zu töten drohen, sollte nicht der kürzlich inhaftierte Buchhalter des lokalen Verbrechersyndikats aus dem Gefängnis freigelassen werden.

Vier verblüffende, komplexe, makellos ausgearbeitete, detailreiche, unerwartet komische und überdies unerwartet bewegende Geschichten, versammelt auf den Seiten eines liebevoll gestalteten Magazins - The French Dispatch of the Liberty, Kansas Evening Sun.


Es begann im Klassenzimmer

THE FRENCH DISPATCH ist vieles - eine Schatzgrube von Geschichten inmitten von Geschichten inmitten von Erinnerungen inmitten von Rahmenhandlungen, die sich zu einem organischen Ganzen formen; ein filmisches Kuriositätenkabinett, angefüllt mit dynamisch bewegten Wundern aller Größen und Formen, ein Liebesbrief an die Welt der Druckerzeugnisse im Allgemeinen und an das Magazin The New Yorker im Besonderen, an Frankreich, und an französische Filme... Eine bewegende Meditation über das Leben weit weg von zuhause. Und es handelt sich nie nur um eines dieser Elemente zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern ist alles gleichzeitig. Also zusammengefasst: ein Wes Anderson-Film.

Tilda Swinton beschreibt den Film kurz und knapp: „Er ist Wes’ französischer Liebesbrief an die Internationale der Kultur und an die segensreiche Kunst des unabhängigen Journalismus.” Anderson meint dazu „Ich las einmal ein Interview mit Tom Stoppard, in dem ihn jemand fragte, wo eines seiner Stücke herkam. Und er antwortete, dass es am Anfang immer zwei verschiedene Ideen gäbe, die er zusammenfüge um sein kommendes Stück zu entwickeln. Genau das passiert auch mir bei wirklich jedem Film. Deshalb besteht dieser Film aus drei Dingen: er besteht aus einer Sammlung von Kurzgeschichten, etwas, was ich schon immer mal machen wollte; es ist ein Film, der inspiriert ist vom The New Yorker Magazine und der Art von Autoren, durch die es seine Berühmtheit erlangte; und außerdem habe ich über die Jahre viel Zeit in Frankreich verbracht und wollte immer schon mal einen französischen Film machen, einen Film, der einen Bezug zum französischen Kino hat.”

Für Anderson ist The New Yorker Magazine seit der Highschool das Nonplusultra des Journalismus. „Als ich im zehnten Schuljahr war, befand sich mein Klassenraum in Houston in der Bibliothek, und mir gegenüber standen Holzregale voller Magazine. Eines davon hatte eine Abbildung auf dem Cover, und ich habe mal hineingeschaut. So wurde ich, während ich auf den Unterrichtsbeginn wartete, zum ständigen Leser des The New Yorker. Ich begann auch die älteren Ausgaben zu lesen und suchte nach den Namen der Stammautoren. Ich wurde also wirklich angefixt.”

„Als wir im College einen Raum teilten,” erinnert sich Owen Wilson, „las er ständig den New Yorker, was ziemlich ungewöhnlich war. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er ein Abonnement hatte - das wäre wohl außerhalb der finanziellen Möglichkeiten gewesen - aber es war total sein Ding. Was für ein herzliches Geschenk an all diese Autoren.”

„Es geht um jene Sorte von Magazinartikeln, die einem woanders hintransportieren, vor Google und vor Live Streaming,” sagt Produzent Jeremy Dawson, „die einem wirklich den Geist eines Ortes vermitteln können - die Gerüche, den Geschmack, den Charakter - vermittelt durch die Worte von jemand, der die Fähigkeit besitzt, Bilder vor dem inneren Auge des Lesers auferstehen zu lassen.”

„Dies ist ein Film, der das geschriebene Wort feiert, und das ist ein gesundes Anliegen, gerade heutzutage und für unser Land”, sagt Jeffrey Wright. „Denn wir sind dabei die Wertschätzung für Sprache und für den Geist, der durch die Sprache ausgedrückt wird, zu verlieren.”

„In diesem Film treten die Anknüpfungspunkte rund um das geschriebene Wort auf mehreren Ebenen auf”, fügt Anderson hinzu. „Die eine Ebene ist das, was man auf der Leinwand sieht, dann gibt es Untertitel, es gibt die Textur des Magazins. Und es gibt den Wert, der den Beziehungen zu den Autoren beigemessen wird, die Wertschätzung für jene Art des Schreibens, von der viele Menschen das Gefühl haben, dass sie heutzutage verloren gegangen ist. Der eigentliche Held jeder Geschichte ist der Autor.”

„Ich finde, dass es schwer ist, kreative Prozesse und ihre Herausforderungen überzeugend darzustellen, sie spürbar zu machen”, sagt Wilson. „Doch das ist es, was Wes in diesem Film gelingt.”

Die Liebesaffäre des Regisseurs mit dem französischen Kino begann schon in jungen Jahren. „Der Beginn des französischen Kinos ist der Beginn des Kinos, dank der Gebrüder Lumière und Georges Méliès. Ich liebe die Regisseure der dreißiger Jahre, Julien Duvivier, die Marseiller Geschichten von Marcel Pagnol, die Filme von Jean Grémillon, die ich erst vor kurzem entdeckte. Und außerdem Jacques Tati, Jean-Pierre Melville, und die Filmemacher der Nouvelle Vague - Truffaut, Louis Malle, Godard. Und vielleicht, im Zentrum von allem, Jean Renoir.” Die Figur des Rosenthalers wurde von einem Film von Renoir inspiriert. „Wes erwähnte einen französischen Film namens BOUDU SAUVÉ DES EAUX”, sagt Benicio del Toro, „ein Film zu Beginn der Dreißiger mit einem der größten Schauspieler aller Zeiten, Michel Simon, als Clochard.

Ich habe ihn vor langer Zeit gesehen, und es ist ein großartiger Film. Als ich ihn wiedersah, habe ich begriffen, was ihm für diesen Filmcharakter vorschwebte.”

Seit einigen Jahren lebt Anderson in Frankreich, und so ist THE FRENCH DISPATCH auch eine Liebeserklärung an seine Wahlheimat und gleichzeitig auch eine künstlerische Betrachtung aus der Perspektive eines Außenseiters. „Der Film wurde geboren aus seiner Liebe für das französische Kino, die französische Literatur und Kultur, und bezieht sich auch auf die Erfahrungen, die er in Frankreich über zehn Jahre lang gemacht hat”, sagt sein langjähriger Cutter Andrew Weisblum. „Und ich glaube, dass er mit seinem Film all diese Dinge ausdrücken und teilen will.“

„Dieser Film ist zusammengesetzt aus Impressionen über Frankreich,” sagt der in Frankreich geborene Komponist Alexandre Desplat, „Impressionen, die ein bisschen verzerrt sind, weil sie durch Wes’ Hirn gingen. Man könnte also sagen, dass es sich im Frankreich handelt, jedoch ein poetisches Frankreich, mit vielen Details und Verweisen, die oft nicht wahr sind, aber wahr scheinen. Ist das das authentische Frankreich? Nein - aber, irgendwie, ist es doch französisch.”

Foto:
©Verleih

Info:
The French Dispatch
Titel: The French Dispatch
Originaltitel: The French Dispatch
Startdatum: 2021-10-21 00:00:00.0
Länge (min): 107
FSK: 12
Regie: Wes Anderson
Darsteller: Benicio del Toro, Frances McDormand, Jeffrey
Wright, Adrien Brody, Tilda Swinton, Timothee Chalamet, Lea
Seydoux, Owen Wilson, Bill Murray, Matthieu Almaric, Liev
Schreiber, u.v.a.