Serie: Die angelaufenen Filme in deutschen Kinos vom 2. Januar  2014, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Schon aufgefallen, wie oft derzeit in den Filmtiteln vom Baum die Rede ist? Hier aber geht es nur um Bäume, um die im Regenwald, was dem Film von der Filmbewertungsstelle – ja, die gibt es noch – das Prädikat „besonders wertvoll“ einbrachte. Wir meinen zu Recht.

 

 

DAS GEHEIMNIS DER BÄUME

 

Die Begründung zum Prädikat für diesen, vom Naturfilmer Luc Jacquet mit dem französischen Biologieprofessor Francis Hallé gefilmten Geheimnisfilm, dessen deutsche Übersetzung Bruno Ganz wunderbar in Schweizerdeutsch, also langsam und leicht verschroben, spricht, lautet, daß der Regisseur uns „wahrhaft majestätische Bilder von ganz nah bis ganz weit weg,“ zeigt, „die die Schönheit und Faszination des Regenwaldes nachfühlen lassen.“

 

Und nicht nur die. Uns beschlich beim Sehen und Hören des Films ein derartiger Respekt vor der Natur, eine Demut dem Werden und Vergehen auf Erden gegenüber, die beim Regenwald ja nicht in menschlichen Dimensionen der Generationenfolge zu messen sind, sondern in Jahrhunderten, ja Jahrtausendenvon Jahren. Eine Aussage wie, daß ein intakter Regenwald, der abgeholzt wird, rund 700 Jahre braucht, bis er wieder ein Primärregenwald sein wird, läßt uns schlucken. Schon bei den tausend Jahren alten Bäumen haben wir mitgerechnet, daß die also noch Zeitgenossen unseres Mittelalters sind, was man sich schlicht mit dem Verstand kaum vorstellen kann, so sehr man sich auch anstrengt.

 

Dieser Film hat nicht Gnade vor der versammelten Kritikerzunft gefunden. Es sei zu wenig naturwissenschaftliches Wissen und zu viel populäres Standardwissen eingeflossen, hieß es da. Wir haben das ganz anders gesehen. Wir haben nicht nur die - ja, durchaus gewöhnungsbedürftigen – Zeitrafferaufnahmen genossen, die uns hoch in den Wolken über diesen hohen Bäumen, die wirklich vor lauter Wald die Bäume erst einmal nicht sehen lassen, von der Vogelperspektive aus dann – ruckruckruck - bis zum kleinsten Wurm führen, der gerade ein Blatt löchrig frißt. Ehrlich gesagt fanden wir dann, allein diese technische Leistung des Abfilmens der Natur als für das Wohnrecht des Menschen auf Erden angemessen. Denn ansonsten kommt der Mensch, außer dem beobachtenden, kommentierenden und wertenden Francis Hallé ,in diesem Film nicht vor. Eine Wohltat im menschenzentrierten Kino.

 

Der Inhalt des Films? Schlicht, wie das ist mit dem Werden und Vergehen im Wald, wenn man die Natur der Natur überläßt, hier: vom Entstehen, also Werden der Bäume, von ihrer Existenz inmitten von anderen Bäumen und mit ihrem Vergehen, also dem Absterben der jahrhundertealten Naturmonumente, wobei ihr Weiterleben über das raffinierte Ausstreuen von Samen gesichert ist. Wir fanden die Aufnahmen von oben, von unten, im Detail und immer wieder in die Bäume hinein, als eigenen Zauber und hätten den Film auch stumm weitergeschaut. Natürlich belebt eine menschliche erklärende Stimme auch die Natur.

 

Der Film beginnt mit der raunenden Stimme von Bruno Ganz, der da etwas von Wiedergeburt erzählt, vom Schlafzauber, der über Jahrhunderte dafür sorgte, daß der Baum Millionen Samen im Unterholz verstreut hatte, die, wenn alle Bäume gefällt werden, dafür sorgen, daß der Exwald – nun licht geworden – aus seinem Unterholz heraus von Neuem wächst. Als kleine Pioniere werden sie uns vorgestellt, die Grünlinge, die einander ähnlich, aus der grau-braunen Erde-Laubschicht hervorstoßen und vom ersten Tag an sich gegen die anderen zur Wehr setzen müssen, denn es überleben – nein, nicht die stärksten –, sondern diejenigen, die als Keimlinge von wenigen Tagen besser stehen, mehr Licht bekommen, weniger Fraß haben, also ein Sammelsurium an positiven Bedingungen, warum gerade diese eine Pflanze zum Baum wachsen darf und die anderen irgendwann unterwegs absterben und Platz machen für den Baum, der nun zum Wunder heranwächst. Fortsetzung folgt.