Die Wettbewerbsfilme der 64. Berlinale vom 6. bis 16. Februar 2014, Film 5

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) - Weit über die Hälfte des 170 Minuten langen Films, der einen jungen verliebten und politisch aufgeschlossenen deutschen Nationaldichter Friedrich Schiller zeigt, ist man hingerissen von der wunderschönen thüringischen Landschaft, die von der Kamera geradezu liebkost wird, wie auch die Frauengesichter. Doch dann zieht es sich.



Es fängt so schön und heiter an: Sommer 1788 in Rudolstadt. Der aufrührerische Dichter Friedrich Schiller und zwei mittellose Schwestern aus dem thüringischen Adel verbringen eine unvergessliche Zeit, die sie für immer aneinander binden wird. Die unglücklich verheiratete Caroline von Beulwitz und ihre schüchterne Schwester Charlotte von Lengefeld nehmen ihren Schwur ernst, alles miteinander zu teilen, auch den Autor der „Räuber“.



Charlotte geht die Ehe mit Schiller ein, sodass die ménage à trois unter dem Deckmantel der Konvention fortgesetzt werden kann. Caroline, deren Roman Schiller anonym publiziert, verlässt ihren Mann. Als sie schwanger wird, zerbricht das fragile Gleichgewicht des Liebesdreiecks. Doch Schiller ringt um beide Schwestern.


Dominik Graf stellt in seinem ersten abendfüllenden Kinofilm seit acht Jahren nicht den wilden Starautor Friedrich Schiller in den Mittelpunkt, sondern die ewig aktuelle Frage: Kann man eine ungewöhnliche Liebe leben? Das kulturelle Zentrum Weimar, die Entwicklung des Buchdrucks und die Französische Revolution liefern den Hintergrund zu der leidenschaftlichen Liebesgeschichte. Ein Film mit heller, leichter Kamera, nah an seinen Figuren, modern im Denken, Handeln und Fühlen. So urteilt weitgehend das Programmheft.

Wir können dem für den überwiegenden Teil des Films zustimmen, aber die heitere Anfangsstimmung hält der Film nicht durch, kann er gar nicht durchhalten, denn das Leben der drei hat sich dann anders entwickelt, als ursprünglich gewünscht. Die Darstellerleistungen sind hervorzuheben. Die beiden so unterschiedlichen Schwestern verkörpern unterschiedliche Frauentypen. Daß der junge Friedrich Schiller, hier noch vor seiner Berufung als Professor für Geschichte an die Universität von Jena, beeindruckt ist und sich nicht entscheiden kann, weil er sich auch nicht entscheiden muß, ist jederzeit nachvollziehbar.

Das Eigenartige und Sympathische am Film ist die mangelnde Historizität. Liebe und Leidenschaft und auch gesellschaftliche Zwänge sind etwas Universelles und im direkten Umgang von Mann und Frau miteinander und auch Schwester zur Schwester sicher zu allen Zeiten in gleichbleibender Offenheit möglich. Das macht den Film 'modern', ohne die Figuren zu verbiegen, zumal man im Film immer wieder sich fragt, ob unsere heutigen Lebensmodelle denn wirklich 'fortschrittlicher' sind als die damaligen. Was die geliebten Schwestern angeht, sicherlich nicht. Von denen kann man sich auch heute eine Scheibe abschneiden, von Schiller auch.



Aus der Pressekonferenz:

Anwesend: Henriette Confurius als Charlotte von Lengefeld, Florian Stetter als Friedrich Schiller, Hannah Herzsprung als Caroline von Beulwitz, Regisseur Dominik Graf

 

Gefragt wird nach den unterschiedlichen Fassungen 170 Minuten die Berlinale Pressevorführung, 190 zwei Fernsehfilme, 140 Minuten als gezeigter Spielfilm, wobei nach Aussage von Graf inhaltlich kaum Kürzungen seien. Die Minuten sparte man ein, weil man die Verlangsamung, die eintritt, wenn man die Wege durch die Auen und Flußläufe verfolgt, oder die Pferdekutschenreise so ausführlich dokumentiert, wie sie dauert, durch Schnitte schneller macht. Gerade aber in diesem Verfolgen des Schlenderns und Fahrens liegt ein großer Reiz des Films.

 

Stetter hat mit seiner Darstellung, Schiller in Schutz in genommen, ist eine steile These eines Kollegen, von dem wir mal annehmen, daß er nicht sehr viel von Schillers literarischen Aktivitäten kennt. Graf meinte dazu, Sturm und Drang spielten hier keine Rolle, der Kern der Geschichte ist von großer Zärtlichkeit, man liebt die Liebe, die man fühlt, alle drei sind in die Liebe zu sich selbst verliebt.

 

Die Fassungen? Unter 200 Minuten nicht zu haben. Ein Kinoerlebnis sollte den Zuschauer komplett aus dem Alltag herausheben, was auch mit der Länge zu tun hat. Die Formate des Fernsehen sind fürs Kino zu kurz. In der Relation von Fiktion und Dokumentation hat sich der Regisseur Spielraum gegeben. Chronologisch übernommen sind 13 Szenen, aus dramaturgischen Gründen aber manche Ereignisse zu einer anderen Zeit gefilmt worden.

 

Die Schauspieler zeigten sich begeistert von den Dreharbeiten mit dem Regisseur, aber auch hingerissen von der thüringischen Landschaft. Sie selbst hatten allen Gestaltungsspielraum, der ihnen die Rolle bot. Urheber dieser Idee allerdings war die Produzentin Uschi Reich.

 

INFO:

 

Deutschland / Österreich 2014, 170 Min

Deutsch

REGIE

Dominik Graf

DARSTELLER

Hannah Herzsprung
Florian Stetter
Henriette Confurius
Claudia Messner
Ronald Zehrfeld