MITTENDRIN. Persönliches Tagebuch der BERLINALE 2014, Teil 1

 

Hanswerner Kruse

 

Berlin (Weltexpresso) - Berlin hat sich warm gemacht für die Berlinale, der Schnee ist verschwunden, heute sollen es 10 Grad plus werden. Für die Verrückten ist das gut: Sonntagabend um 18 Uhr wartete bereits die erste Kinoenthusiastin mit dem Schlafsack vor den Kassen, an denen Montagfrüh der Vorverkauf begann.

 

Sie blätterte glücklich im frisch ausgelegten Programmheft, wusste noch nicht, was sie ansehen wollte und erzählte, dass sie das seit 15 Jahren so mache. Im Morgengrauen bildeten dann weitere Verrückte lange Schlangen, die bis zum Nachmittag nicht abrissen. So geht das jetzt jeden Tag. Immer wieder komme ich an den Wartenden vorbei, spreche sie an. Viele finden es „verrückt“, für die begehrten, stets früh ausverkauften Filme im Wettbewerb anzustehen: „Budapest Hotel“ oder den Clooney-Film „Monuments Men“.

 

Manche gucken seltsame Filme über den sozialen Wandel in Südkorea oder magische Heilverfahren mit englischen Untertiteln. Andere begeistern sich für restaurierte

Stummfilme aus den 20er Jahren oder zahlen ein Vermögen für Drei-Gänge-Menüs, die vom Film inspiriert sind. „Schlafen wird auf der Berlinale überschätzt!“, sagte Anke Engelke im TV, die sich selbst als „Film-Verrückte“ bezeichnet. Meine Frau findet auch verrückt,

dass ich drei bis vier Filme am Tag ansehen werde –sie könne das nicht. Allein das Auswählen der vielen, parallel laufenden Filme ist lustvolle harte Arbeit.

 

Und für die zahlreichen Pressevorführungen stelle ich mich auch immer gerne rechtzeitig an. Im letzten Jahr verpasste Filme lassen mich jetzt erst los. Die Berlinale ist ein Rausch – wie Karneval in Rio, Fußball-WM oder Woodstock. Das muss eigentlich alles gar nicht sein: Aber mit insgesamt 500 000 Kinobesuchen macht die Berlinale hier einfach alle etwas verrückt!

 

INFO:

 

Hanswerner Kruse (65) ist freier Journalist und Filmkritiker aus Schlüchtern. Er pendelt seit fünf Jahren zum Festival und schreibt für uns ab heute wieder täglich über seine Eindrücke von der Berlinale.

 

KRUSES BERLINALE-TAGEBUCH: Wie Karneval oder Fußball-WM: JETZT GEHT'S LO-HO-S

 

Erste Berlinale: 1951

Amtsantritt von Festivalchef Dieter Kosslick: 1. Mai 2001

Verkaufte Tickets: etwa 300 000 (2013)

Fachbesucher: etwa 20 000, darunter 3700 Journalisten

Filme insgesamt: rund 400

Filme im Wettbewerb: 23, davon haben 20 Chancen auf einen Bären

Dauer des Festivals: 11 Taqe

Mitglieder der Jury: 8

Geld, das die Berlinale der Stadt Berlin bringt: 125 Millionen Euro

Etat: 21 Millionen