mrs.harisssSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. November 2022, Teil 2

Redaktion

London/Paris(Weltexpresso) - Ada Harris ist keine gewöhnliche Frau. Sie ist stets liebenswürdig, bewundernswert zäh und absolut zuverlässig, sie strengt sich an, immer das Beste in den Menschen zu sehen – oder zumindest über ihre auffälligsten Makel hinwegzusehen. „Mrs. Harris ist eine sehr authentische Figur. Sie ist einfach immer sie selbst, was sie so liebenswert für jeden macht, der mit ihr in Berührung kommt“, erklärt Filmemacher Anthony Fabian. „Sie macht niemandem etwas vor, setzt keine Maske auf – vielmehr demaskiert sie die Menschen um sie herum. Sie hilft ihnen dabei, sich selbst zu finden.“

Bei der Suche nach einer Schauspielerin, die die Wärme und den Charme dieser Figur erfolgreich verkörpern könnte, dachte Fabian gleich an die Oscar®-nominierte Lesley Manville, die erfahrene Darstellerin, die man für ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Mike Leigh und ihren hinreißenden Auftritt an der Seite von Daniel Day-Lewis in Paul Thomas Andersons Film Der seidene Faden kennt. „Lesley Manville verfügt über bemerkenswert viele außergewöhnliche Qualitäten und bringt eine so beeindruckende Bandbreite mit, dass sie alles mühelos spielen kann, von Adas Liebenswürdigkeit bis zu Adas Willensstärke. Es ist eine Figur, die eine große Wandlung vollzieht und sich auf ein riesiges Abenteuer einlässt. Sehr wenige Schauspielerinnen bringen das nötige Rüstzeug mit, um eine Figur wie Ada spielen zu können.“

Manville war bestens vertraut sowohl mit dem Leben in England in den 1950er-Jahren, der Ära, in der die Geschichte spielt, als auch mit der Modewelt der Zeit – beides hatte sie bereits für Der seidene Faden erschöpfend recherchiert. Die Schauspielerin sah die Rolle als faszinierende Möglichkeit, ihr darstellerisches Können auf etwas ungewohnte Weise unter Beweis zu stellen. Und Lesley Manville sagte zu, nicht nur die Titelrolle zu übernehmen, sondern aus als ausführende Produzentin an Bord zu kommen.

„Man kennt mich für eher komplizierte Rollen auf der Bühne und im Film“, berichtet sie. „Ich dachte, es wäre doch nett, wenn ich eine zwar wie gewohnt komplexe, glaubhafte Person spielen könnte, alles aber mit einem leichteren Pinselstrich gezeichnet werden würde. Ada ist eine Kämpferin, andererseits ist sie aber auch selbstlos, großzügig und warmherzig. Frauen in ihren Fünfzigern wussten damals genau, dass sie nicht mehr viel vom Leben erwarten konnten, aber Ada lehnt das einfach ab. Sie ist temperamentvoll. Sie steckt voller Freude und Humor. Sie ist ehrlich und fair. Sie ist mutig. Sie ist dem Leben und dem Zufall gegenüber aufgeschlossen – und sie kann der Idee von Liebe etwas abgewinnen.“

Zu Beginn des Films gilt ihr geliebter Ehemann Eddie seit Jahren als vermisst – er ist nie von den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs zurückgekehrt. Dennoch kann sich Ada über einen Mangel an Liebe in ihrem Leben nicht beklagen. Sie hat eine enge Beziehung zu ihrer besten Freundin, Vi Butterfield, die ebenfalls als Putzfrau arbeitet. „Die Freundschaft zwischen Vi und Ada ist sehr wichtig“, sagt Manville. „Sie sind sich gegenseitig ein zuverlässiger Rückhalt im Leben.“

In der Rolle der überschwänglichen, verlässlichen Vi besetzten die Filmemacher Ellen Thomas, die vor allem für ihre Arbeit für das Theater und das britische Fernsehen bekannt ist. Sie ist eine vollendete Darstellerin, die auf Augenhöhe mit Lesley Manville spielen kann, und freute sich über die Gelegenheit, den Filmemachern dabei zu helfen, ein Schlaglicht auf die wichtigen Beiträge afrikanisch-karibischer Menschen zu den britischen Kriegsanstrengungen zu werfen. „Afrikanisch-karibische Frauen waren wichtig für die Wirtschaft des Landes und die Menschen in den Fünfzigerjahren, dabei sieht man ihre Geschichte nie auf der Leinwand“, erklärt sie. „Über diese Zeit zu recherchieren, war faszinierend. Es war die Zeit der Schilder ,Keine Hunde, keine Schwarzen, keine Iren‘, als afrikanisch-karibische Menschen Probleme hatten, Wohnungen und Arbeit zu finden.“

Bei Gesprächen über den liebevollen Umgang ihrer beiden Figuren miteinander redeten Manville und Thomas auch darüber, dass sich Ada und Vi höchstwahrscheinlich während des Kriegs bei ihrer Arbeit in einer Fabrik kennengelernt hatten, wo sie Freundschaft fürs Leben schlossen. „Lesley und ich unterhielten uns darüber, dass sie sich unentwegt gegenseitig besuchen, alles voneinander wissen und so etwas wie ein gegenseitiger Anker füreinander sind“, berichtet Thomas, die viele Seiten an ihrer Figur entdeckte, die sie zutiefst bewunderte. „Ich liebe es, dass sie immer geradeheraus sagt, was sie denkt, was bei Ada ganz ähnlich ist. Ich liebe es, dass sie ganz viel von ihrem Heimatakzent behalten hat und nicht versucht hat sich anzupassen. Sie ist einfach sie selbst geblieben.“

Fabian war immer wieder überrascht darüber, wie Ellen Thomas ihre Rolle spielte. „Ellen strahlt eine ansteckende Lebensfreude aus, mit der sie jeden Raum zum Strahlen bringt. Sie und Lesley sind zusammen eine Yin-und-Yang-Kombination, wie ich sie mir nicht besser hätte erträumen können“, erzählt der Filmemacher.

Ada und Vi treffen sich oft nach der Arbeit in einem Pub in ihrem Viertel, wo sie ein liebenswertes irisches Schlitzohr namens Archie kennenlernen, einen Buchmacher, der gerne mit den Damen flirtet, aber vor allem eine respektvolle Freundschaft mit ihnen pflegt. Diese Figur ist eine Erfindung der Drehbuchautoren und spielt eine entscheidende Rolle bei Adas Bemühen, genug Geld zu sparen, um sich das Kleid von Dior leisten zu können – und er erweist sich außerdem als möglicher Kandidat, später eine zentrale Rolle in ihrem Leben zu spielen.

Der Part ging an Jason Isaacs, bestens bekannt für seine Arbeit in Filmen wie Das Ende einer Affäre oder The Death of Stalin und natürlich als Bösewicht Lucius Malfoy in den Filmen des Harry Potter-Franchise. „Es war ganz anders als die Drehbücher, die ich sonst zu lesen bekomme“, sagt Isaacs. „Die Geschichte ist ungeheuer liebenswert und optimistisch, ohne allzu simpel zu sein, ein Loblied auf diese einfache Frau, Mrs. Harris, ohne herablassend zu sein. Es ist außerdem eine unglaublich moderne und nuancierte Geschichte über Kommerz und Kapitalismus und die Gesellschaft, und doch hat sie einen märchenhaften Anstrich. Man wird pausenlos überrascht.“

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Info:
MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR (Mrs. Harris Goes to Paris)
von Anthony Fabian, GB/CDN/F/USA/HUN/B 2022; 115 Min.
mit Lesley Manville, Isabelle Huppert, Lambert Wilson, Alba Baptista, Lucas Bravo, Philippe Bertin
Filmmärchen
Abdruck aus dem Presseheft