die liebeSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. Februar 2023, Teil 1

Jemima Khan

London (Weltexpresso) – Als ich 20 Jahre alt war, ließ ich mein Leben in London für einer Ehe zurück, die mich nach Lahore und Islamabad führte, wo ich ein Jahrzehnt lang lebte und meine beiden Söhne zur Welt brachte. In dieser Zeit entwickelte ich eine tiefe Zuneigung für Pakistan: ein quirliges und faszinierendes, jedoch oft negativ dargestelltes Land. Das Leben dort öffnete mir die Augen für eine grundlegend andere Vorstellung von andauernder Liebe. So begann WHAT’S LOVE GOT TO DO WITH IT?, als eine Versuchsanordnung, mit der ich
untersuchen wollte, wie sich die Vorstellung von Romantik im Osten und Westen unterscheidet.

Meine Freunde in England sahen arrangierte Ehen als eine Art mittelalterlichen Kuhhandel an (oftmals verwechselten sie das Konzept einer arrangierten Ehe auch mit der grauenhaften Idee einer Zwangsehe). Ich dagegen entdeckte einen besonderen Wert in diesem scheinbar unromantischen einvernehmlichen Arrangement. Im Lauf meiner Zeit in Pakistan habe ich viele arrangierte Ehen erlebt, die funktionierten. Ich wurde sogar das ein oder andere Mal gebeten, selbst eine in die Wege zu leiten.

Die Paare mit arrangierten Ehen, die ich traf, begannen nicht mit Liebe – sie endeten damit. Wenn ich pakistanischen Freunden Glauben schenken darf, dann entwickelt sich lebenslange Liebe entlang einer „Erst köcheln, dann kochen“-Philosophie. Verträglichkeit anstatt Chemie erwies sich zusammen mit den traditionellen Ideen geteilter Wertesysteme als eine solidere Grundlage als Abenteuer und Pragmatismus langlebiger als Leidenschaft.

Meine eigene Ehe war die einzige Liebesheirat in der Familiengeschichte meines ehemaligen Ehemanns. Und die einzige Scheidung. Als ich nach London zurückkehrte, änderte sich die Dating-Landschaft radikal. Endlose Möglichkeiten waren mit einem Mal nur einen Wisch entfernt, dank der boomenden Popularität von Dating-Apps. Daraus ergeben sich wiederum ganz eigene Probleme; die Tyrannei der Auswahl, das entmutigende Gefühl der Verfügbarkeit, verzerrte Erwartungen durch eine endlose Abfolge von Rom-Coms.

Ich witzelte mit meinen Single-Freunden in London, dass wir alle von einem unverhohlen, praktischen Sozialsystem profitieren könnten, das daraus besteht, die Absichten vorab eindeutig zu äußern, einen vorab vereinbarten Ehevertrag einzugehen, um keine Erwartungen zu enttäuschen, und verfügbare, gleichgesinnte phobische Männer kennenzulernen, die von den Menschen ausgewählt wurden, die uns am besten kennen. Daher stammt die Idee für diesen Film.
 
Ich wollte diese moderne Zwickmühle reflektieren, durch die beide Hauptfiguren gehen: Zoe, die App-Süchtige, die sich nicht festlegen will, und Kaz, der dem Wirbelwind der Romantik ausweicht und seine Entscheidungen an seine glücklich verheirateten Eltern delegiert. Ich wollte außerdem, dass in WHAT’S LOVE GOT TO DO WITH IT? Pakistan gefeiert wird. Als ich dort lebte, hörte ich eine Klage immer wieder: Dass Pakistanis im Westen entweder als durchgeknallt und fanatisch oder als zurückgeblieben dargestellt werden und das Land
längst den Stempel abbekommen hat, eines der gefährlichsten der Welt zu sein, in dem sich alles nur um Terrorismus und Extremismus dreht. Ich wollte, dass WHAT’S LOVE GOT
TO DO WITH IT? zum einen eine Feier des multikulturellen Großbritannien ist, in dem meine britisch-pakistanischen, muslimischen Söhne leben, zum anderen eine Feier des  gastfreundlichen, farbenfrohen und fröhlichen Pakistaans, wie ich es kenne. Nennen wir es einen Liebesbrief an Pakistan… mein alter Freund. 

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