Leben Pogues TV1TV-Erstausstrahlung des Dokumentarfilms über die wilde Karriere des Shane MacGowan am Freitag, 10. März 2023 bei Arte

Margarete Ohly-Wüst

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Shane MacGowan war nicht nur der legendäre Frontmann der irischen Folk-Punk-Band The Pogues, die in den 1989er- und 1990er Jahren große Erfolge feierten, er war daneben auch ein hervorragender Songschreiber, aber er war auch ein Rebell und bezeichnete sich selbst als Punk.



Shane MacGowan kam am 25. Dezember 1957 in Tunbridge Wells in England als Sohn irischer Eltern zur Welt, wuchs dann aber ab Ende der 1950er Jahre im irischen Tipperary auf. Die Familie zog 1964 wieder zurück nach England und lebte u.a. in Brighton und London. MacGowan behauptet von sich, dass er bereits mit drei Jahren von seinen Verwandten in Tipperary Alkohol und Zigaretten bekommen hätte und dass er auch damals schon im örtlichen Pub singen musste.

Obwohl er an einer der elitärsten und teuersten Schulen in England angenommen wurde, erreichte er dort keinen Schulabschluss, sondern machte aber bald in Londoner Clubs Musik für die irische Bevölkerung, dabei vermischte recht schnell die gerade aufkeimende Punkmusik mit irischem Folk.

1981 gründete er mit zwei Freunden seine erste Band, die sich, als sie um drei weitere Mitglieder erweitert wurde, ab 1983 The Pogues nannte. Nachdem die Band in England und Irland immer bekannter wurde, hatte sie 1987 mit "Fairytale in New York" (gesungen von MacGowan zusammen mit Kirsty MacColl) ihren bekanntesten Welthit, der auch heute noch eines der am meisten gespielten Weihnachtslieder in Großbritannien ist. Daneben verschaffte die Band ihren irischen und nordirischen Landsleuten eine Stimme während des Nordirlandkonfliktes in den 1980er und 1990er Jahren.

Bereits vor "Fairytale in New York" hatten The Pogues mit dem Album Rum, Sodomy & the Lash großen Erfolg. Besonders bekannt wurden "A Pair of Brown Eyes" mit dem Text von Shane MacGowan und einer Melodie, die lose auf "Wilde Mountain Thyme" basiert, sowie zwei Coverversionen mit "Dirty Old Town" des schottischen Musikers Ewan MacColl und dem australischen Antikriegslied "And the Band Played Waltzing Matilda" von Eric Bogle.

Doch Shane MacGowan war auch für seinen exzessiven Lebensstil berühmt und berüchtigt. Er war nicht nur bei Interviews, sondern auch auf der Bühne häufig betrunken oder bekifft. Bekannt sind von ihm Bilder, bei denen ihm jahrelang einige der Vorderzähne fehlen.

Leben Pogues TV21991 warfen die übrigen Mitglieder von The Pogues MacGowan wegen dessen unprofessionellen Verhaltens aus der Band. Der gründete daraufhin eine neue Band, Shane MacGowan and The Popes, die allerdings nicht mehr an die frühen Erfolge der Pogues anknüpfen konnte.

Der Musiker hat es trotz seiner Alkohol- und Drogen-Eskapaden geschafft, bis heute zu überleben. Daneben hat er selbst bis vor wenigen Jahren mit The Pogues Musik gemacht und Konzerte gegeben, mit denen er seit 2001 auch wieder zusammen auftritt. Allerdings musste er immer wieder Konzerte abbrechen. Leider sitzt er seit einigen Jahren im Rollstuhl und auch seine Möglichkeit zu Sprechen wirkt in den Interviews doch etwas eingeschränkt.


In dem hier besprochenen Dokumentarfilm, der im Kino unter dem Titel "Shane" lief und der im Original viel besser "Crock of Gold: A Few Rounds with Shane MacGowan" hieß, setzt Regisseur Julien Temple dem Musiker anhand von Archivaufnahmen und bisher unveröffentlichtem Bildmaterial ein würdiges Denkmal. Der Film wurde u.a. von Johnny Depp produziert, der mit MacGowan schon seit vielen Jahren befreundet ist und ihn auch in einigen Szenen selbst interviewt.

Julien Temple hat die einzelnen Interviews und Unterhaltungen mit MacGowan gefilmt - der hatte meist einem Drink in der Hand oder auf dem Tisch -, in denen neben Johnny Depp u.a. auch Gerry Adams, der ehemalige Führer vom Sinn Féin, und der schottische Singer-Songwriter Bobby Gillespie mit dem Musiker sprechen.

Interviews wurden daneben z.B. mit seiner Schwester Siobhan MacGowan, seinem Vater Maurice MacGowan, seiner Frau Victoria Mary Clarke oder der Pogues Biographin Ann Scanlon geführt. Weitere interessante Archivaufnahmen zeigte der Film z.B. von seiner verstorbenen Mutter Therese MacGowan und dem 2002 verstorbenen The Clash Sänger Joe Strummer, der selbst kurzzeitig Mitglied der Pogues war.

Leben Pogues TV3Dazwischen spielt Regisseur Julien Temple immer wieder Aufnahmen früherer Gespräche und Interviews mit dem Sänger ein. Dadurch erreicht er, dass MacGowan zum Erzähler seines eigenen Lebens wird. Das gibt dem Film eine spannende Authentizität.

Julien Temple geht in seiner Dokumentation noch einen Schritt weiter. Er lässt einige von MacGowans Erlebnissen (farblich meist in Sepia oder Schwarz/Weiß gehalten) nachspielen oder zeigt sie auch als kurze Animationsfilme. Dabei wird nicht nur das ärmliche Leben im Irland der 1960er Jahre nachgespielt, sondern Temple geht auch noch weiter in die irische Vergangenheit zurück, auf den Spuren der großen Hungersnot im 19. Jahrhundert und dem Unabhängigkeitskrieg von 1919, denn diese Ereignisse haben in der großen Familie des Musikers ihre Spuren hinterlassen. Dabei konnte der Regisseur neben den nachgestellten Filmen auch auf Originalfotografien der Familie zurückgreifen.

Die Musikdokumentation endet mit einem Konzert im Januar 2018 zum 60. Geburtstag des Musikers in der National Concert Hall in Dublin, bei dem er vom irischen Präsidenten Michael D. Higgins mit dem Lifetime Achievement Award ausgezeichnet wurde. In dem Konzert traten Musikgrößen wie Bono, Sinead O'Connor, Lisa O’Neill, Finbar Fury, Bobby Gillespie, Glen Hansard und andere auf. Johnny Depp spielte in der 60th Birthday Band Gitarre und Nick Cave sang mit dem im Rollstuhl sitzenden Shane MacGowan "Summer In Siam". Am 25. Dezember 2022 konnte der Musiker trotz des jahrzehntelangen Alkohol- und Drogenkonsums seinen 65. Geburtstag am feiern - nach einem Krankenhausaufenthalt wieder zu Hause.

Der Film zeigt nicht nur die Erfolge, sondern auch die Schattenseiten des exzessiven Lebensstils. Allerdings betont Shane MacGowan im Gespräch, dass er nichts davon bedauert, sondern dass er immer noch gerne Alkohol trinkt.

Leben Pogues TV4Insgesamt ist "Mein Leben mit den Pogues - die wilde Karriere des Shane McGowan" ein kurzweiliger und faszinierender Dokumentarfilm über einen Mann voller Widersprüche. Das Biopic ist trotz seiner 124 Minuten in keiner Sekunde langweilig und deshalb auch für Menschen, die mit irischer (Punk-)Folk-Musik nichts anfangen können und deshalb die Songs der Pogues nicht mögen, unbedingt sehenswert.

Zusatz: Johnny Depp und Shane MacGowan kennen sich nicht nur seit beinahe 30 Jahren. Der Schauspieler hat 1994 beim Video zu Shane MacGowan and the Popes: That Woman's Got Me Drinking nicht nur die Hauptrolle übernommen, sondern auch selbst Regie geführt und ist danach auch mit der Band als Gitarrist aufgetreten.

Foto 1: Shane MacGowan im Jahr 1986 - ein großmäuliger Selbstzerstörer und begnadeter Songwriter, der den Iren in der aufgeheizten Stimmung des Nordirlandkonflikts eine selbstbewusste Stimme gab © Andrew Catlin / Arte
Foto 2: Johnny Depp (r), den Produzenten des Films, verbindet mit Shane MacGowan (l) und dessen Frau Victoria Mary Clarke eine langjährige Freundschaft © Greg Willia / Arte
Foto 3: Aus der Subkultur des Punk heraus schrieb Shane MacGowan mit "Fairytale in New York" einen der meistgehörten Weihnachtssongs des Vereinigten Königreichs, für den die Pogues international berühmt wurden © Andrew Catlin / Arte
Foto 4: Shane MacGowan ist heute über sechzig, aber in Geist, Herz und Haltung ist er immer noch ein unverwüstlicher Punk © The Gift Film Ltd. / Arte

Info:
Mein Leben mit den Pogues - die wilde Karriere des Shane McGowan (Großbritannien, Irland 2020)
Originaltitel: Crock of Gold: A Few Rounds with Shane MacGowan
Genre: Dokumentation, Biopic, Musik
Filmlänge: ca. 124 Minuten
Regie: Julien Temple
Drehbuch: Julien Temple
Darsteller: Shane MacGowan, Johnny Depp, Siobhan MacGowan, Gerry Adams, Victoria Mary Clarke, Bobby Gillespie u.a.
FSK: ab 12 Jahren
Die Dokumentation, die im Kino unter dem Titel ″Shane″ lief, wird unter dem Titel ″Mein Leben mit den Pogues - die wilde Karriere des Shane McGowan″ als TV-Erstausstrahlung und -Highlight am Fr. 10.03.2023 um 22:05 Uhr bei Arte gezeigt. Das Biopic ist vom 10.03.2023 bis zum 07.06.2023 in der Arte Mediathek abrufbar.