DW afrikaInternationale Filmfestspiele Berlin vom 15. bis 25. Februar 2024, BERLINALE, Wettbewerb Teil  10

Claudia Schulmerich

Berlin (Weltexpresso) – Wir sind im November 2021, Coronazeiten. Die politische Entscheidung ist durch Präsidenten Macron schon gefallen, von den Tausenden von Kunstschätzen aus dem Königreich Dahomey, die im Zuge des hier französischen Kolonialismus nach Paris gelangten, werden von hier dem Volk zurückgegeben, aus dem sie stammen. Heute heißt das Herkunftsland Benin. Es ist dokumentiert, wann und woher diese Statuen und andere Formate und Werke nach Frankreich gelangten. Es war der große Kunstraub von 1892, wo die Stücke, die nun zurückgegeben werden, mit tausend anderen als Siegesgut mit nach Hause gebracht wurden.

Der Film fängt ganz materiell an. Da sehen wir im Detail zu, wie die großen und schweren Stücke so verpackt werden, daß kein Bruch entsteht, sie werden über Gestänge gelegt, dort festgebunden und in große Holzumschalungen gesteckt, wie Urnen bei Begräbnissen, und dann mit Hebebühnen erst in Flugzeuge verfrachtet und dann mit ebensolchen wieder am Ankunftsort herausgeholt.

Dieser technische Vorgang nimmt viel Zeit in Anspruch, aber natürlich geht es nicht um diesen. Eigentlich geht es um einen parallelen Vorgang: im aufgeklärten und moralischer empfindenden Europa ist die Erkenntnis gewachsen, daß die überwiegende Anzahl der Kunstschätze, die vor allem in unseren außereuropäischen, unseren Weltkulturen- und unseren früheren Völkerkundemuseen, die Kolonialmuseen stehen und liegen, Raubgut ist, daß den Ländern, wo sie meist als Kultgegenstände galten, was uns Kunst ist, geraubt oder billig gekauft, auch durch Grabräuberei nach Europa gelangt, hier unrechtmäßig ein Zuhause erhielten, das mit einem Schlag nun als vorübergehend gekennzeichnet viele nicht mehr froh macht. Das fing übrigens schon vor Jahren mit den Ägyptern an, die ganz offiziell durch ihren sehr versierten Archäologen und Chef der Abteilung vom Britischen Museum bestimmte ägyptische Werke zurückverlangten.

Da die Ägypter über den Tourismus mit ihrer altägyptischen Kultur, dem Kult bis heute verbunden sind, war das für sie kein Problem, brauchte auch keine Diskussion unter ihnen, daß sie die Werke zurückhaben wollen und in den Museen ausstellen wollen, damit noch mehr Touristen kommen.

Das sieht nun im Benin anders aus. Das Land ist ein anderes, als das Königreich Dahomey, wo sie einst gestohlen wurden. Was bedeuten die Kultgegenstände, die riesengroßen Plastiken den heutigen Bewohnern? Das wird ausgiebig in einer Fragerunde unter Studierenden der Universität von Abomey-Calavi in Benin diskutiert. Es ist keine kunsthistorische, sondern eine politische Debatte, eben auch, wem die Gegenstände gehören, wenn sie einst aus Dahomey stammten. Wie andererseits der Filmemacherin die Gegenstände selbst wenig am Herzen liegen, konnte man im Film daran sehen, daß sie kunshistorisch nicht gewürdigt werden und daß sie bei der Vorstellung des Films immerhin im Wettbewerb kein einziges Foto der Kultgegenstände zur Verfügung gestellt wurde, sondern nur die Köpfe handelnder Personen. Wir finden nicht nur die Gesten, die politischen Gesten wichtig, sondern auch die Kunstwerke selbst. 

Foto:
©DW



Diese Diskussion zeigt, daß In den Herkunftsländern durch ein wachsendes Selbstbewußtsein der Bevölkerung, durch Bildung und Wissen das eigentlich selbstverständliche Verlangen gewachsen ist, die Kult- und Kunstgegenstände, die nach Europa und die USA gelangten, wieder dahin zurückzubringen, von wo sie einfach entführt, mitgenommen, geraubt wurden.
Doch ist es damit, mit der Restituierung nicht getan. Die hiesigen Kunstexperten wollen wissen, was mit diesen Kunstwerken in den Herkunftsländern geschieht und die dortige Öffentlichkeit will dies erst recht wissen. Was hat der Kult, der Ende des 19. Jahrhundert im Königreich Dahomey herrschte, mit dem heutigen Benin zu tun, mit den Bewohnern zu tun, ganz abgesehen von der Eigentumsfrage. Aber was bedeutet den Leuten von heute diese Gegenstände?

Interessant war für eine deutsche Zuschauerin erstmal, wie neuartig der Begriff der Restitution für die meisten Anwesenden war. Für Deutsche ist dieser Begriff schon länger, allerdings auch nicht direkt nach dem Krieg, sondern Jahrzehnte später, ein wichtiger und bekannter, denn die Nazis hatten Kunst- und Kulturschätze der von ihnen ermordeten Juden oder im Laufe der Verfolgung sich ins Ausland retten Könnenden, die ihren Besitz billig verkauften oder einfach enteignet wurden, entweder in persönlichen Besitz gebracht oder sie in Museen verteilt. Schon lange werden Restitutionen durchgeführt, werden Kinofilme darüber gedreht, wird über Eigentum und Moral verhandelt, manchmal auch gestritten. Denn hier geht es nicht um Volkseigentum, sondern um Privatbesitz, was in kapitalistischen Systemen zu den Grundlagen von Wirtschaft und Gesellschaft gehört. Da stellen sich dann schon die Fragen, ob Kunstwerke von Ermordeten nicht in den Museen besser aufgehoben wären, mit den Hinweisen, wer ihr Besitzer war, was mit ihm/ihr in deutschem Namen geschah, als wenn der in Australien lebende Ururenkel einen mittelalterlichen Tabernakel zurückerhält. Doch in diesem Film geht es um die Frage von Volkseigentum.
Natürlich sind solche Filme wichtig, weil sie Bewußtsein schaffen, wo noch keines vorhanden ist. Aber für meinen Geschmack sind die Fragestellungen zu formal geblieben, es fehlte der Sinn für die Schönheit der Gegenstände, die, noch einmal muß man es sagen, eigentlich nicht Kunst waren, sondern Kult, in unserer Kultur, wo dieser Kult nicht galt, was auch heute für Benin gilt, aber als Kunst wahrgenommen werden. Sie sollen in ihre Herkunftsländer zurück. Einverstanden. Sie sollen dort aber durch öffentliches Ausstellen auch jedem gehören und nicht in den Kunstkammern von Individuen verschwinden.

PS. Übrigens haben wir in der Bundesrepublik durchaus eine größere Diskussion gehabt, als im Sommer 2022 die geplante Rückgabe von Benin-Bronzen auch durchgeführt wurde, die Bronzen aber den Nachfolgern des ehemaligen Königreichs Dahomey übergeben wurden und nicht dem Volk. Das müßte ehrlicher diskutiert werden. 


Foto:
©

Info:
Stab

Regie Mati Diop
Buch Mati Diop
Kamera Josephine Drouin Viallard