IMG 2715Im Wettbewerb – Berlinale-Tagebuch (4)

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) – Gleich in zwei weiteren Wettbewerbsbeiträgen geht’s mit starken und kämpferischen Frauen weiter. Ich hatte ja gestern bereits geahnt, dass es die Berlinale der Frauen wird... 
Und zur Weltpremiere von "Spaceman" gibt es auch noch etwas zu sagen.

 

Im sehr exotisch wirkenden, chinesisch-afrikanischen Film „Black Tea“ verweigert Aya (Nina Mélo) das Ja-Wort zur Heirat, weil sie die Ehe nicht mit einer Lüge beginnen will. Sie verschwindet aus der Elfenbeinküste, reist nach China und verliebt sich hier in den Teehändler Cai (Chang Han). Doch auch der neue Lover versteckt sie irgendwann mal im Schlafzimmer, um ihre Beziehung zu verbergen - und Aya erinnert sich an ihre Verweigerung der Heirat im Anfangsbild des Filmes.

Im italienischen Film „Gloria“ ringt gleich ein ganzes Kammerorchester aus älteren Waisenmädchen, in der Nähe von Venedig zum Beginn des 19. Jahrhunderts, gegen ihren autoritären, unfähigen, steinalten Maestro. Hier agiert besonders Teresa (Galatéa Bellugi) zunächst sehr zurückhaltend, doch dann setzt sie sich kraftvoll bei den anderen jungen Frauen und überraschend radikal gegen den Maestro durch. Regie und Musik ist von der Regisseurin, Musikerin & Komponistin Margherita Vicario

202402164 1 RWD 2400Ein Film außerhalb des Wettbewerbs möchte hier im Weltexpresso nicht unerwähnt bleiben. Hochkarätig besetzt, entführt uns „Spaceman“ - in der Berlinale-Sektion Special - in den Weltraum.

Auf einer langen Reise soll Jakub (Adam Sandler) hinter den Jupiter schauen, Experimente durchführen und Proben aus einem Nebel am Ende des Sonnensystems nehmen. Verzweifelt versucht er mit seiner Frau Leika (Carey Mulligan) Kontakt aufzunehmen. Doch die Chefin der Bodenstation (Isabella Rossellini) blockiert Anrufe und Nachrichten, weil Leika sich - trotz Schwangerschaft - von ihm trennen will. Weil er immer so lange weg ist und auf sie keine Rcksicht nimmt.

Der Astronaut verzweifelt, doch eine seltsame Kreatur gelangt plötzlich in das Raumschiff, lässt sich nicht vertreiben und tröstet den Spaceman. Auch dieses unbekannte Wesen aus einer anderen Galaxie ist einsam und braucht einen Gefährten. In Rückblenden und Gesprächen wird deutlich, dass Jacubs Frau unter der Abwesenheit ihres Mannes leidet. Ihm selbst war und ist das gar nicht bewusst, aber vielleicht erkennt er ja jetzt seine Schuld? 

Mit Wehmut erinnert man sich an David Bowies Mayor Tom". Denn Jabubs Geschichte wird derart pathetisch und mit süßlich-dramatischer Musik erzählt, dass auch der letzte im Publikum glauben muss, wie schlimm alles ist. Mit Wehmut erinnert man sich an David Bowies "Mayor Tom"...

Na klar, "Spaceman"  ist vom berühmten Regisseur Johan Renck gedreht, der aber bestimmt selber weiß, dass sein Film kitschig, kommerziell und aufgeblasen ist. Das brauchen wir ihm nicht zu sagen. Aber Netflix, wo der Streifen demnächst läuft, hat ihn mit Sicherheit genauso gewollt und bestellt.

Rätselhaft bleibt allerdings, warum Carlo Chatrian, der scheidende Leiter des Festivals, unbedingt die neue Sektion Special mit solchen Filmen eröffnen musste. 

Fotos:
Bild oben Margherita Vicario © Hanswerner Kruse
Bild unten Jakub (Adam Sandler) © Netflix

Service:
"Spaceman", USA 2024, 107 Minuten, ab 1. März 2024 bei Netflix
Regie Johan Renck, mit Adam Sandler, Carey Mulligan, Isabella Rossellini und anderen.