Schmutzige Briefe1Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 28. März 2024, Teil 8

Margarete Frühling

München (Weltexpresso) – In den 1920er Jahren leben in dem kleinen britischen Küstenstädtchen Littlehampton (West Sussex) die Nachbarinnen Rose Gooding (Jessie Buckley) und Edith Swan (Olivia Coleman). Rose ist Irin, Witwe und zusammen mit ihrer Tochter Nancy (Alisha Weir) neu zugezogen. Rose und Edith hatten sich angefreundet, auch wenn die beiden Frauen doch sehr unterschiedlich waren.


Während Rose vor Lebensfreude sprudelt, im Pub verkehrt und auch ein recht loses Mundwerk hat, lebt die nicht mehr ganz junge Edith im Nachbarhaus noch zusammen mit ihren Eltern Edward (Timothy Spall) und Victoria (Gemma Jones). Edith ist eine Stütze der Gesellschaft, zuverlässige Kirchgängerin und gehorsame Tochter, die zwar vor Jahren eine Freund hatte, sich aber nach eigener Aussage von ihm getrennt hat. Aus irgendeinem Grund zerstritten sich dann plötzlich die beiden Frauen.

Als kurz danach Edith anonyme Briefe in anstößigem Ton und dreisten Anschuldigungen erhält, wird sofort Rose verdächtigt. Nachdem Edith mehr als 10 Briefe erhalten hat, besteht ihr Vater darauf, dass sie zur örtlichen Polizei geht. Dort wird nicht lange ermittelt, sondern es kann ja nur Rose als Absenderin in Frage kommen. Denn als alleinerziehende, irische Mutter, die ständig flucht und Alkohol trinkt und mit Bill (Malachi Kirby) unverheiratet zusammen lebt, passt Rose nicht gerade in das geordnete Leben des sittenstrengen Städtchens. Also muss sie die Täterin sein.

Als Rose dann wegen Verleumdung verhaftet sind, machen sich die beiden Polizei-Beamten, Chief Constable Spedding (Paul Chahidi) und Constable Papperwick (Hugh Skinner), nicht die Mühe, den Fall etwas genauer zu untersuchen. Rose wird ganz einfach ohne nähere Beweise angeklagt, verurteilt und inhaftiert, außerdem droht man, ihr das Sorgerecht für ihre Tochter Nancy zu entziehen.

Schmutzige Briefe2Nachdem Rose wieder aus dem Polizeigewahrsam – nach der Zahlung einer anonymen Kaution - freikommt, nimmt die Flut der Briefe kein Ende, im Gegenteil erhalten jetzt auch weitere Bewohner von Littlehampton anstößige Briefe.

Es gibt im Ort eigentlich nur eine Person, die doch Zweifel an Roses Schuld hegt, die junge Polizistin Gladys Moss
(Anjana Vasan). Sie will deshalb noch einmal genauer hinschauen und kommt zu dem Schluss, dass Rose vielleicht gar nicht hinter den Briefen steckt. Die junge Frau hat allerdings auf dem Polizeirevier keine Chance ihre Meinung auch nur auszusprechen, denn Frauen haben als Polizisten nichts verloren – außer vielleicht um Tee zu kochen.

Der von Brief zu Brief immer pikantere Inhalt der anonymen Briefe sind bald in aller Munde und werden von den Bewohnern des Ortes begierig diskutiert. Durch den anschließenden Gerichtsprozess erschüttert der Skandal nicht nur das verschlafene Küstenstädtchen selbst, sondern die Story wird durch die Presse in ganz England bekannt, was vor allem Edith und ihr Vater sehr genießen. Doch langsam schlägt in der Presse die Stimmung zu Gunsten von Rose und gegen Edith um.

Schaffen es Gladys und ihre Mitverschwörerinnen noch rechtzeitig den wahren Absender der Briefe zu finden und ihm die Tat auch nachzuweisen…


″Kleine schmutzige Briefe″ beruht auf auf einer wahren Begebenheit zweier sich bekriegender Nachbarinnen und einer Reihe von unflätigen anonymen Briefen in Littlehampton, die Großbritannien in den frühen 1920er Jahren in Atem hielt. Diese wahre Geschichte war die Grundlage für das erste Filmdrehbuch des britischen Autors und Comedian Jonny Sweet. Dabei wollte der Drehbuchautor unbedingt die Extreme im Verhalten der zwei Frauen genauer herausarbeiten.

Schmutzige Briefe3Durch dieses Drehbuch lässt Regisseurin Thea Sharrock eine Zeit Revue passieren, in der das Ende des Ersten Weltkriegs noch nicht lange her war und Frauen von der Männerwelt dominiert wurden (das allgemeine Wahlrecht für Frauen wurde in Großbritannien erst 1928 eingeführt). Dadurch fällt eine selbstbewusste Frau wie Rose Gooding durch ihre freches Mundwerk den weiblichen Gralshüterinnen der britischen Ehrbarkeit unangenehm auf.

Der Film lebt von den hervorragenden Darstellungen der drei weiblichen Hauptakteure. Da ist vor allem die Oscarpreisträgerin Olivia Colman, die mit großem Vergnügen die typische alte Jungfer spielt, die in beinahe jedem spießigen Club des Städtchens Mitglied ist und die zwar mal eine Beziehung hatte, die aber – wie sich im Laufe des Films herausstellt - von ihrem tyrannischen Vater zerstört wurde. Jetzt ist sie zu Hause mehr Dienstmädchen als Tochter und genießt sichtlich die Aufmerksamkeit, die sie durch den Gerichtsprozess erhält. Sie ist allerdings mit einem ausgesprochen unangenehmen und überheblichen Vater gestraft, der wunderbar widerlich von Timothy Spall gespielt wird und der mit seinen kleinkarierten Vorstellungen seine ganze Familie unglücklich gemacht hat.

Ihre Gegenspielern ist Jessie Buckley, die mit mit viel Herz und Temperament die Außenseiterin Rose spielt, die sich ganz bewusst aus Irland abgesetzt und alle Konventionen über Bord geworfen hat. Damit macht sie sich natürlich zur Feindfigur für eine spießige Gesellschaft, die sich seit Jahrhunderten nicht bewegt hat.

Die dritte weibliche Hauptfigur ist
Anjana Vasan als die junge Polizistin Gladys Moss, die zur Polizei gegangen ist, weil auch ihr Vater schon Polizist war. Allerdings ist es ihr als Polizistin verboten, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Zusätzlich wird sie auf dem Revier von den zwei nicht gerade intelligenten Vorgesetzten andauernd herunter gemacht wird. Gladys verfolgt aber trotzdem geradlinig ihren Weg und wird am Ende zusammen mit wenigen anderen Frauen im Städtchen die Wahrheit hinter den schmutzigen Briefen aufdecken, auch wenn es den Constables Spedding und Papperwick überhaupt nicht in den Kram passt. Paul Chahidi und Hugh Skinner haben sichtlich Spaß an den etwas unfähigen und vorurteilsbeladenen Polizeibeamten.

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Regisseurin Thea Sharrock ist auf jeden Fall eine smarte britische Komödie mit sympathisch schrulligen Charakteren, mit einer großartigen Besetzung sowie gelungenen Kraftausdrücken und Beleidigungen gelungen, aber es ist auch ein Film, der die vielen Jahrzehnte der Unterdrückung von Frauen nicht allzu bierernst aber trotzdem sehr deutlich thematisiert. ″Kleine schmutzige Briefe″ ist ein Film zum Lachen, Kopfschütteln und Nachdenken, bei dem am Filmende die deutlich cleveren Frauen verdientermaßen den Sieg davontragen und der doch einige Männer ganz schön alt aussehen lässt.

Da macht ″Kleine schmutzige Briefe″ zu einer äußerst gelungenen Tragikomödie, die nicht nur zum Nachdenken anregt, sondern die auch nach Ende des Films noch lange im Gedächtnis haften bleiben wird.

Foto 1: v.l.n.r.: Rose Gooding (Jessie Buckley) und Edith Swan (Olivia Colman) © Studiocanal
Foto 2: v.l.n.r.: Kate (Lolly Adefope), Gladys Moss (Anjana Vasan) und Ann (Joanna Scanlan) © Studiocanal
Foto 3: v.l.n.r.: Constable Papperwick (Hugh Skinner) und Edward Swan (Timothy Spall) © Studiocanal
Foto 4: v.l.n.r.: Mabel (Eileen Atkins), Rose Gooding (Jessie Buckley) und Ann (Joanna Scanlan) © Studiocanal

Info:
Kleine schmutzige Briefe (Großbritannien, Frankreich 2023)
Originaltitel: Wicked Little Letters
Genre: Drama, Komödie, Thriller, Krimi
Filmlänge: ca. 101 Min.
Regie: Thea Sharrock
Drehbuch: Jonny Sweet
Darsteller: Olivia Colman, Jessie Buckley, Timothy Spall, Anjana Vasan, Joanna Scanlan, Hugh Skinner, Malachi Kirby, Gemma Jones, Lolly Adefope, Eileen Atkins, Alisha Weir u.a.
Verleih: Studiocanal
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 28.03.2024