capiSerie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 4. April 2024 Teil 9

Matteo Garonne

Rom  (Weltexpresso) - 
ICH CAPITANO ist das Resultat mehrerer, miteinander verflochtener Geschichten von Jugendlichen, die die Überquerung von Afrika nach Europa erlebt haben. Als ich ihre Erfahrungsberichte gehört habe, wurde mir klar, dass diese Geschichten wahrscheinlich die einzige Möglichkeit sind, wahrhaft über die heutige Zeit zu erzählen.


Vor Projektbeginn hatte ich durch die Berichterstattung der Medien natürlich einen Eindruck, welchen Gefahren und Grausamkeiten MigrantInnen auf ihrer langen Reise nach Europa ausgesetzt sind. Aber die dargestellten Bilder bezogen sich hauptsächlich auf die letzte Etappe der Reise: gekenterte Boote mitten auf dem Meer, im Wasser treibende Leichen, verzweifelt um Hilfe flehende MigrantInnen, die Zählung der Überlebenden und der Toten. Ich hatte mich leider daran gewöhnt, nur noch die Zahlen zu sehen, nicht mehr die Menschen dahinter.

Bei einem Besuch in einem Aufnahmezentrum für Minderjährige in Catania (Italien), wurde mir die beeindruckende Geschichte eines jungen Afrikaners erzählt, der im jungen Alter von 15 Jahren ein Boot bis an die italienische Küste steuerte und somit das Leben aller Passagiere rettete. Für ICH CAPTIONO entschied ich deshalb, die gegenteilige Perspektive zu der klassischen Medienberichterstattung einzunehmen. Ich wollte eine Geschichte aus der Perspektive der MigrantInnen erzählen, die auf ihrer abenteuerlichen Reise um ihr Leben bangen müssen.

Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, musste ich mich intensiv mit ihren Biographien und ihren Geschichten auseinandersetzen, die so fern von meinen eigenen sind. Ich baute intensive Beziehungen zu den jungen Mädchen und Jungen auf, die in ihrem Leben bereits so schreckliche Erfahrung gemacht haben. Wir haben sehr eng zusammengearbeitet und sie haben mich stets bei der Konzeption des Films begleitet. Das Wichtigste war, dass ich mich vor und hinter der Kamera auf alle Beteiligten verlassen konnte, um die Geschichte in ICH CAPITANO so authentisch wie möglich zu erzählen, ohne dabei belehrend zu wirken, sondern als zurückhaltender und beobachtender Botschafter zu vermittelten.

Die gesamte Crew mussten sich an die gleiche Vorgabe halten: mit äußerster Präzision bis ins kleinste Detail zu arbeiten, ohne dass es zu offensichtlich wird. Die Herausforderung bestand darin, dass unsere Arbeit unsichtbar bleiben sollte, als ob sich die Geschichte von selbst erzählen würde.

Das Casting war ein langwieriger Prozess, der zwischen Europa und Afrika stattfand. Für mich war es wichtig, dass die SchauspielerInnen die Figuren glaubwürdig auf die Leinwand bringen. Und so entschieden wir uns letztendlich, mit jungen senegalesischen Schauspielern zu arbeiten, die zwar ihre Heimat noch nie verlassen haben, die aber, wie die meisten ihrer Generation, von einem Leben in einem anderen Land träumten. So fand ich schlussendlich meinen perfekten Seydou in dem sanftmütigen Seydou Sarr (ausgezeichnet mit dem Marcello-Mastroianni-Preis für den besten Nachwuchs-Darsteller bei den Filmfestspielen von Venedig 2023).

Foto:
©Verleih

Info:
Besetzung 

SEYDOU.   SEYDOU SARR 
MOUSSA.   MOUSTAPHA FALL
MARTIN.     ISSAKA SAWADOGO

 

Stab
REGIE.     MATTEO GARRONE 
DREHBUCH.   MATTEO GARRONE, MASSIMO GAUDIOSO, MASSIMO CECCHERINI, ANDREA TAGLIAFERRI

Abdruck aus dem Presseheft