
Redaktion
Madrid (Weltexpresso) – „Hot Milk“ („Heiße Milch“) erschien 2016 und brachte der Autorin Deborah Levy Vergleiche mit Virginia Woolf sowie eine Nominierung für den Man Booker Prize ein. Auf ihren siebten Roman folgten bisher zwei weitere: „Der Mann, der alles sah“ und „Augustblau“. Beim Lesen von Hot Milk sagt Ellie Wood: „Ich hatte sofort das Gefühl, dass sich der Roman in ein unglaublich reichhaltiges und cineastisches Erlebnis übersetzen lässt. Die Dynamik zwischen den weiblichen Protagonistinnen ist so einzigartig und zum Nachdenken anregend – und ein Moment war besonders schockierend und mitreißend, dass ich wusste, daraus muss ein Film gemacht werden.“
Langan lobt die Fähigkeit der Autorin, „kleinen Dingen und den prosaischen Aspekten des alltäglichen, privaten Lebens sehr bedeutsame psychologische Qualitäten zu verleihen“. Die Produzentin fügt hinzu: „Gewöhnliche Gegenstände und Begegnungen haben eine sehr starke symbolische Qualität, die sehr filmisch anmutet - ob es eine Katze ist, die sich unter einem Tisch zu schaffen macht, oder das Zerschmettern einer Vase – all das wirkt sehr bedeutsam und sehr nachvollziehbar.“
Als Schriftstellerin und nun auch als Regisseurin bestand Lenkiewicz’ Aufgabe darin, Levys einzigartige Erzählweise zu würdigen (die Langan als „bemerkenswerten Kontrast zwischen den physischen, stofflichen Eigenschaften einer Sache und den psychologischen, neurologischen Aspekten der Erfahrung“ zusammenfasst) und mit ihrem eigenen Stil zu verschmelzen. Das Ergebnis war laut ihren Darsteller:innen im besten Sinne ungewöhnlich.
Vicky Krieps, die Sofias Geliebte, die geheimnisvolle Ingrid, spielt, lobt ihre Regisseurin: „Das Drehbuch war ungewöhnlich, so etwas hatte ich noch nie gelesen“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich kannte Rebecca nicht und wusste nicht, worauf ich mich einlasse. Normalerweise habe ich einen intuitiven Zugang zu Drehbüchern, als würde die Figur zu mir sprechen. Ihr Drehbuch war ein Kunstwerk – Rebecca ist ein kleines Wunder.“
Fiona Shaw, die Matriarchin aus Hot Milk, kannte Levys Buch und lobte Lenkiewicz als „eine der besten Schriftstellerinnen des Landes“. Über das Drehbuch sagt sie: „Ich war erstaunt, wie formal es geschrieben ist, wie literarisch und wie real. Es ist kein Cowboyfilm. Die Leute sagen, was sie fühlen oder glauben zu fühlen. Es sind echte Szenen und es ist sehr lesenswert.“
CASTING UND FIGUREN
Wie die drei Frauen, die Hot Milk ins Rollen brachten, brauchte es auch auf der Leinwand ein ebenso dynamisches und unberechenbares Trio: Sofia Papastergiadis, ihre Mutter Rose und Ingrid Bauer, eine geheimnisvolle Frau, die Sofia am Strand begegnet. Fiona Shaw schloss sich dem Projekt schon früh an und war begeistert von der Rolle der Rose, die „ihrer Tochter, die sich frei fühlen und in die Welt hinausziehen will, im Grunde alle Energie raubt“, so die Schauspielerin über ihre Figur. Sie arbeitete mit einem Bewegungstrainer zusammen, um zu lernen, sich in Roses Körper hineinzuversetzen, die nur einmal im Jahr gehen kann. „Es gibt keine physiologische Ursache dafür, aber sie bestreitet, dass es etwas Psychologisches ist“, sagt Shaw über die „erstaunliche“ Rose. „Ich habe gelernt, wie man einen Körper bewegt, der willkürlich Schmerzen hat, und wie sich das auf die Psyche auswirkt – es ist wirklich ein Fluch und ein kaum lebenswertes Leben. Dass Rose überhaupt noch Charakter hat, ist unglaublich.“
Emma Mackey wurde Anfang 2023 als Sofia besetzt, um mit Shaws Rose den Inbegriff einer co-abhängigen Beziehung darzustellen. „Als wir Emma gefunden hatten, war das die Initialzündung“, sagt Langan über die Hauptdarstellerin von Hot Milk. „Wir hatten schon so viel auf den Weg gebracht, so viele Hürden genommen, und jetzt hatten wir ‚die Richtige‘ gefunden.“ Lenkiewicz stimmt ihrer Produzentin zu: „Es hat ein paar Jahre mit Höhen und Tiefen gebraucht, bis wir Emma gefunden haben, aber sie ist unglaublich. Sie ist in fast jeder Szene zu sehen und sie und [Fiona] sind ein unglaubliches Mutter-Tochter-Gespann.“
Über die Anthropologiestudentin und Kellnerin Sofia, die zwar die Protagonistin im Film ist, aber eher im Hintergrund bleibt, sagt Mackey: „Sie kümmert sich um ihre Mutter, beobachtet andere Leute, Ingrid oder [den Arzt Gomez]. Der Film handelt von ihrer Haltung sich selbst gegenüber.“ Die Schauspielerin hebt das Hin und Her zwischen Mutter und Tochter hervor, den Witz und die Vertrautheit zwischen den beiden sowie den Kontrast zwischen Sofias Selbstbewusstsein gegenüber Rose und der Art und Weise, wie Ingrid sie von einem Tag auf den anderen „chemisch aus dem Gleichgewicht bringt“.
Krieps beschreibt Ingrid als „erstaunlich frei und cool“ und gleichzeitig als „fieberhaft und emotional und verloren wie wir alle“. Ihre Beziehung zu Sofia sieht sie eher als Liebesbeziehung denn als
Machtverhältnis, die es beiden Frauen ermöglicht, zu wachsen. „Manche Menschen trifft man, um sie mitzunehmen, andere trifft man, um voranzukommen, zu wachsen, zu lernen. Für Sofia ist das schmerzhaft, aber es eröffnet ihr eine Zukunft.“ Langan gefällt das Hin und Her zwischen den beiden Frauen ebenfalls: „Ingrid, die so frei und selbstbestimmt wirkt, ist in Wirklichkeit sehr gefangen. Es ist unglaublich interessant, dass sich Sofia einmal mehr in einer Art Spirale mit dieser Frau wiederfindet, von der sie dachte, dass sie sie aus dieser co-abhängigen Beziehung zu ihrer Mutter herausholen würde. Aber stattdessen steckt sie in ihrer eigenen Spirale fest.“
Für Mackey waren die Szenen zwischen Sofia und Ingrid ein fruchtbarer Boden für neue Wege in ihrer Karriere. „Ich liebe die eher atmosphärischen und romantischen Szenen mit Vicky – sie haben etwas Poetisches, wie ich es noch nie zuvor gemacht habe“, sagt sie. „Es hat mir Spaß gemacht, spontaner zu sein.“
Dieser Einsatz war für die Regisseurin nicht selbstverständlich. Lenkiewicz lobt ihre Schauspieler:innen und sagt, dass sie „von der ersten Sekunde an gegeben haben, anstatt etwas zu verlangen“.
Foto:
©Verleih
Info:
Regie. Rebecca Lenkiewicz
Buch Rebecca Lenkiewicz
nach dem gleichnamigen Roman von Deborah Levy
Darsteller
Emma Mackey(Sofia)
Fiona Shaw(Rose)
Vicky Krieps(Ingrid)
Vincent Perez(Gomez)
Patsy Ferran(Krankenschwester Julieta)
Yann Gael(Matty)
Vangelis Mourikis(Christos)
Abdruck aus dem Presseheft