Frisch Frontpage 750x400Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. Juni 2025, Teil 6
 

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Tja, was soll man nach den 98 Minuten Film voller Gewalt und mit dem Hinweis, dass hier ein schottischer Roman (Fresh von Mark McNay) verfilmt wurde, der im London der letzten Jahrzehnte des vorherigen Jahrhunderts spielt, woraus für diesen deutschen Film der Regisseur, der Amerikaner Damian John Harper, der an der Filmhochschule in München studiert hat, das Ruhrgebiet wählt, tja, was soll man dazu sagen? Das Positivste ist, dass dieses Brüderdrama aus einfachen Verhältnissen kein Sozialkitsch ist. Aber das ist nicht genug.

 

Die Schauspieler geben sich auf jeden Fall viel Mühe und wie die beiden Brüder, der jüngere Kai (Louis Hofmann), aus dessen Perspektive der Film die Geschichte erzählt, und der ältere Mirko (Franz Pätzold) uns zu Beginn erscheinen, naiv der eine, gewalttätig der andere, so sind sie auch am Schluß. Dazwischen liegt das Drama, das das Leben beider verändert. Und dazwischen ertönt als Kais innerer Monolog die Ruhrpottstimme von Ralf Richter. Und der hat viel zu monologisieren, muß über große Probleme nachdenken und Lösungen finden, denn der doch eigentlich rechtschaffene Kai hat sich in eine schwierige, ja aussichtslose Situation manövriert, weshalb er sich über die Nachricht, sein Bruder käme schon morgen verfrüht aus dem Knast, auch nicht freut, sondern in Bedrängnis gerät.

 

Sein krimineller Bruder hatte ihm, als er ins Gefängnis mußte, 10 000 Euro zur Aufbewahrung übergeben, von denen Kai aber so viel ausgegeben hat, dass er nun ganz schnell versuchen muß, Geld aufzutreiben, denn er kennt seinen gnadenlosen Bruder. Kai arbeitet mit seinem Onkel Andy (Sascha Gersak) - der Vater hat schon früh die Flatter gemacht, die Mutter ist gestorben – in einer Fleischfabrik, Kai hat Familie, seine Frau Ayse (Canan Kir), einst seine Jugendliebe (Valentina Leone), kümmert sich um das kleine Kind. Der Film handelt nun von Kais Versuchen, sich Geld zu verschaffen, damit er dem Bruder nicht die Wahrheit sagen muß, denn er kennt dessen rachsüchtigen Charakter.

 

Auf diese Versuche einzugehen, sie zu schildern, bringt nicht viel, interessanter ist es, filmische Besonderheiten zu hinterfragen. Die Fleischfabrik wird zum Symbol der Gewalt, sie tauchen immer wieder auf, Gewalt, die der Film ansonsten durch fast pausenlose, sehr blutige Schlägereien und Gang-Auseinandersetzungen charakterisiert. Wie hier die zum Teil noch lebenden Tiere gequält werden, wie ihnen dann mit Inbrunst die Rippen zerteilt, die Körper zerstört werden, das Fleisch auseinandergerissen wird, ist kaum auszuhalten und müßte auch diejenigen, die noch Fleisch essen, zu Vegetariern machen. An den Tieren wird etwas ausgelassen, denkt man, aber das ist wahrscheinlich falsch. Sie werden so behandelt, wie man auch im täglichen Leben mit anderen umgeht, die nicht zum eigenen Kreis gehören. Die Fleischfabrik also als Metapher für Gewalt und Zerstörung?! Das erscheint etwas platt, macht aber Eindruck und erzeugt Widerstand im Zuschauer. So etwas will man nicht sehen. Nur wenige werden sich erinnern, dass vor Jahren eine anrührende Liebesgeschichte in einem polnischen Film in einer Fleischfabrik spielte. Die allerdings war voll automatisiert, was dann fast aseptisch wirkte und eigentlich auch verlogen ist.

 

Eine Besonderheit sind auch die Filmsprünge, wie unvermittelt aus Gegenwart Vergangenheit wird und schnell die Handlung wieder in der Gegenwart landet. Ja, diese Szenen sind wichtig, denn sie zeigen, dass Bruder Mirko, heute ein absoluter Böser, in der Jugend durchaus der gute große Bruder für Kai war, ihn beschützte, ihm half. Das ist notwendig, weil nur so die Loyalität von Kai zu erklären ist, wäre Mirko immer so ein Schwein gewesen, könnte sich Kai stärker abgrenzen, aber so fühlt er sich – verstärkt durch das veruntreute Geld – ständig als schuldig gegenüber seinem Bruder, was dieser weidlich ausnutzt.

 

Zwar beschränkt sich der Film auf das Verhältnis der beiden Brüder, aber insgeheim ist das Thema eben doch die Familie, versehrte Familien und wie es dazu kommt, dass aus kleinen Kindern wie das von Kai, so schreckliche Männer werden. Ziemlich fatalistisch, kann keiner hier aussteigen, sich aus dieser Gewaltmaschinerie befreien?

 

Im Film kommen so viele ‚falsche‘ Bezüge vor, da gibt es in den Siebzigern/Achtzigern beispielsweise Handys, das man fast an Absicht glaubt. Aber welche Funktion hätten diese ‚Fehler‘ ? Irgendwie unrund das Ganze. Und vor allem: warum und für wen? Es bleibt ein zwiespältiger Eindruck.


Foto:
©Verleih

Info:
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Laufzeit: 98 Minuten
Seitenverhältnis: 1:1,66
Bildfrequenz: 25 fps
Ton: Dolby 5.1
Originalsprache: Deutsch
Untertitel: Englisch


BESETZUNG
Innerer Monolog     Ralf Richter
Kai                          Louis Hofmann
Mirko                      Franz Pätzold
Onkel Andy            Sascha Geršak
Ayse                       Canan Kir
Ela                         Pinar Erincin
Bodgan                 Božidar Kocevski
Selo                       Zejhun Demirov
uvm.

STAB
Drehbuch & Regie            Damian John Harper
Romanvorlage „Fresh“     von Mark McNay
Kamera                            Leonhard Kairat