mo2Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Oktober 2025, Teil 1

Steve Hudson

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Genre & Stil: Sobald wir Guy Bass' wunderbares Kinderbuch gelesen hatten, wussten wir, dass wir STITCH HEAD verfilmen mussten. Als Neuinterpretation der Frankenstein-Legende benötigte STITCH HEAD (ALLES VOLLER MONSTER) nur sehr wenig Erläuterung. Ob jung oder alt, wir erkennen die Geschichte sofort wieder: Wir sehen ein hoch aufragendes Schloss, umrahmt von gleißenden Blitzen, einen verrückten Professor in seinem Labor, seine armselige Schöpfung auf dem Operationstisch - und wir wissen, dass, sobald die verängstigten Städter zu ihren Mistgabeln greifen, der Ärger vorprogrammiert ist - in Form einer wütenden Meute.
In diesem Sinne gab uns das Genre klare dramatische und visuelle Referenzpunkte. Mehr noch, es erlaubte uns, viel Spaß mit der schlockigen Theatralik der Frankenstein-Geschichte zu haben und sie mit der Logik des Alltags auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen: Wenn der verrückte Professor ein Monster nach dem anderen erschafft - wer kümmert sich dann um sie alle? Wo leben sie? Und - am dringlichsten - wie um alles in der Welt kann ihre Monstrosität in Schach gehalten werden, um zu verhindern, dass die wütende Meute das Schloss niederbrennt?

STITCH HEAD (ALLES VOLLER MONSTER) ist also definitiv kein Horrorfilm, sondern eher eine Abenteuerkomödie, die mit dem Genre Horror spielt. Wir ziehen den Hut vor all den klassischen Vorbildern, die vom B-Movie der 1950er Jahre über den Film Noir und James Whale bis hin zum deutschen Expressionismus reichen. Aber das sind immer nur die Rosinen im Kuchen: Sie sind nicht die Hauptzutat. Um die nötige komische Distanz zu schaffen, um über diese Mittel lachen zu können, war es wichtig, den Film in einer Bildsprache zu erden, bei der der Schwerpunkt nicht auf Horror, sondern auf Humor liegt.

Für uns wurzelte diese komische Bildsprache in einer anderen reichen Kinotradition: dem Stummfilm mit seinem festen Proszenium der Frontalkamera. Tiefe ist dramatisch, flache Bilder sind komisch. In der Tiefe verändern bewegte Objekte ihre Größe auf erschreckende und gefährliche Weise. In einer flachen Ebene ist die Bewegung am einfachsten zu lesen - und für den Betrachter am wenigsten bedrohlich.

Mit einer fixierten, zentrierten Kamera bekommt der Rahmen eine enorme Bedeutung - ein komischer, geheimnisvoller Ort, an dem alle möglichen Personen oder Requisiten jederzeit erscheinen oder verschwinden können. Ohne eine vorauseilende Kamera, die für uns neugierig in den Ecken stöbert, sind unsere Gehirnzellen ständig beschäftigt und stimuliert - wir halten Ausschau nach der nächsten Überraschung und (jetzt, wo wir Ton haben) lauschen aufmerksam auf die Geräusche im Off, wo sich viele lakonische Gags abspielen können.

Bei aller gewollten Formalität stellt dieser visuelle Stil den Darsteller in den Mittelpunkt. Buster Keatons glorreiche Schüchternheit wird nur dann lebendig, wenn die Kamera ebenso schüchtern, ebenso unbeweglich, ebenso regungslos auf ihn zurückblickt. In der Tat war Keaton eine der Hauptinspirationen für unseren Protagonisten Stichkopf, für den ein Schloss voller Monster kein Ort des Wunders oder des Schreckens ist, sondern eher eine Sackgasse der Langeweile und Frustration, aus der er nicht entkommen kann.

Mit dieser zentrierten, gerahmten Bildsprache als Rückgrat konnten wir uns dann mit klarer komödiantischer Distanz an allen möglichen Genrefreuden bedienen - und dabei Spaß haben, ohne ganz ins Genre zu verfallen. Dollies, Cranes, Dutch-Angles, dramatische Perspektiven, Zip-Pans oder Crash-Zooms werden dann zu klaren Entscheidungen, gar zu Zitaten, die genüsslich ausgeführt werden - und führen hoffentlich zu einer extra Stufe Anteilnahme für die Filmliebhaber unter den Zuschauern.


Design
Die Original-Kinderbücher von STITCH HEAD wurden von Pete Williamson illustriert. Petes schwarz-weiße Tuschezeichnungen sind kreativ, witzig und zutiefst einfühlsam - ein wesentlicher und eigenständiger Teil des Ausgangsmaterials. Ein 3D-Animationsfilm zur Familienunterhaltung braucht jedoch eine andere Ästhetik. Die Dunkelheit und das makabre Feeling von Petes Bildern müssen mit Licht und Farbe belebt werden. Wir behalten die Schatten, die prekären Winkel des Schlosses, die bizarre und schräge Kreativität der Monster bei - aber füllen sie mit Spaß, indem wir das Genre zu einem Ort machen, an dem sich unsere Fantasie frei entfalten kann.

Es hat uns viel Spaß gemacht, die vorhandenen Zeichnungen mit punkigen Grundfarben zu versehen und ihnen einen witzigen, individuellen Stil zu verleihen, bei dem jede Figur, jedes Requisit, jedes Set ein Unikat ist, einzigartig und handgemacht - genau wie Stichkopf selbst.


Thema und Essenz
Wir liebten die Komödie, das verrückte Schloss - den Frankenstein-Genre-Humor mit den lächerlich verängstigten Monstern und den noch absurderen verängstigten Stadtbewohnern. Aber noch mehr als das: Guy Bass' Figuren hatten ein großes Herz und eine Seele. Ob Stichkopf, sein bester Freund Ungetüm oder ihre Monstergefährten, es war eine Geschichte über Kinder, die ohne Erwachsene aufwachsen - eines der stärksten Themen, die es in der Animation gibt. Unabhängig von unserem Alter - es verbindet die ultimative Freiheit mit der größten Angst.

Der Film gibt uns allen - Kindern und Erwachsenen - den Raum, solche Ängste in einer kontrollierten Umgebung zu erforschen. Diese Erkundung ist die entscheidende Aufgabe des Geschichtenerzählens. Unsere Eltern können das nicht für uns tun: Wir müssen uns unseren Ängsten allein stellen. Der Film gibt uns die Möglichkeit, eine Wegstrecke in den Schuhen eines anderen zurückzulegen - seinen Kampf mitzuerleben, seine Verletzungen zu überwinden, menschlicher zu werden.

Stichkopf ist schwerer verwundet als die meisten anderen - und das trifft uns tief ins Herz. Von seinem väterlichen Schöpfer, dem Professor, vergessen und ignoriert, hat er sich von seinen Mitgeschöpfen und von seinen eigenen Gefühlen isoliert. Angelockt von Freakfinders oberflächlichen Versprechungen der „Liebe“ des Showbusiness und des Ruhmes, verlässt er schließlich das Schloss. Doch dabei merkt er nicht, dass er bereits geliebt wird: geliebt von den Monstern von Grottenow, um die er sich so viele Jahre lang gekümmert hat, und vor allem geliebt von seinem allerbesten Freund: Ungetüm. Stichkopf leitet uns durch die Geschichte - das schmerzliche Negativ. Ungetüm ist das schlagende Herz der Geschichte: das bedingungslose Positiv.

Am Ende des Films ist Stichkopf bereit, sein Leben zu lassen, um seine Freunde zu retten. Aber mehr als das, er hat die größte aller Lektionen gelernt: sein eigenes Anderssein zu akzeptieren und die Liebe, die ihn umgibt, anzunehmen und zu erwidern, seine eigene Isolation zu überwinden und ein Teil der Familie zu werden.

In der nihilistischen Welt der sozialen Medien von heute wird Liebe zunehmend zu einem Maßstab, der quantifiziert und maximiert werden muss: Wie viel man auch hat, es ist nie genug. Unsere Kinder haben eine bessere Geschichte als diese verdient. 

Foto:
©Verleih

Info:
Alles voller Monster (Deutschland, Luxemburg 2025) 
Genre: Kinder, Animation, Literaturverfilmung
Regie: Steve Hudson
Drehbuch: Steve Hudson
nach einer Geschichte von Guy Bass
Englische Sprecher: Asa Butterfield, Joel Fry, Alison Steadman, Rob Brydon, Fern Brady, Paul Tylak, Jamali Maddix, Ruth Gibson, Tia Bannon u.a.
Deutsche Sprecher: Felix Auer, Gerhard Jilka, Waldemar Kobus, Maresa Sedlmeir, Kai Taschner, Marion Hartmann, Walter von Hauff, Mike Carl, Martin Valdeig, Kathrin Gaube, Pascal Breuer, Frank Schaff, Christian Weygand, Patrick Schröder, Ferdinand Dörfler, Angelika Bender, Paul Sedlmeir, Dustin Peters, Claudia Schmidt, Christine Stichler, Markus Aldenhoven, Martin Schülke, Andreas Thiele u.a.

Abdruck aus dem Presseheft