Bildschirmfoto 2025 12 13 um 01.39.34Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. Dezember 2025, Teil 7

Redaktion

Berlin (Weltexpresso) - »EIGENTLICH IST ES EINE SENSATION, DASS ES DIESEN FILM GIBT« Wolfgang Becker hat nur wenige Filme gedreht, für den jeweils nächsten hat er sich o¦ viel Zeit gelassen, aber er hatte ein untrügliches Gespür fürs Timing. Das beweist der DER HELD VOM BAHNHOF FRIEDRICHSTRASSE in mehrfacher Hinsicht... War Ihnen bei diesem Projekt von Beginn an klar, dass es seine letzte Arbeit sein würde?

Die Wahrheit ist die: Etwa ein Dreivierteljahr vor Drehbeginn gab es ein Gespräch zwischen Wolfgang Becker und mir, und es war klar, dass er den Krebs nicht mehr besiegen werden würde. Er hatte zwei Möglichkeiten: Die erste war, noch einmal an die schönsten Orte zu reisen, die er auf der Welt kannte – und er kannte sehr viele, sehr, sehr schöne Orte. Die zweite: Er macht noch einmal einen Film. Ich sagte ihm, dass ich im ersten Fall wenig für ihn tun könnte, sollte er sich aber für die zweite Möglichkeit entscheiden, würde ich es mit ihm zusammen durchziehen. Was eigentlich vollkommen unmöglich war: Ich habe noch nie einen Film mit einer so kurzen Vorbereitungszeit gemacht, bei dem die Finanzierung – auch aufgrund des Gesundheitszustands des Regisseurs – so schwierig sein würde.

Wir haben uns dann sofort auf ein Projekt geeinigt, die Verfilmung des Romans von Maxim Leo, mit dem wir bereits Gespräche geführt hatten. Wir holten Constantin Lieb als Drehbuchautor dazu und dachten uns eine ganz besondere Form der Produktion aus. Die Idee war: Viele Freunde kommen zusammen, um gemeinsam einen Film zu machen. Nur so konnte dieser überhaupt realisiert werden: mit der Hilfe von Menschen, die Wolfgang kannten, die einen gewissen Erfahrungsschatz und vielleicht auch eine etwas entspanntere Arbeitsweise haben, die von seiner Krankheit wussten und damit umgehen konnten.

Ich habe wirklich jeden Kollegen, jede Förderung nur einmal fragen müssen – angefangen mit Jörg Himstedt vom Hessischen Rundfunk waren alle mit Begeisterung dabei. Alles passierte in einer unfassbaren Geschwindigkeit – was beweist, wie FilmwirtschaŸ auch funktionieren könnte. Eigentlich ist es eine Sensation, dass es diesen Film gibt. Jeder der Beteiligten, die hier über sehr viel Geld, sehr viel Zeit entschieden haben, haben sich bewusst für etwas Gutes, Warmes, vielleicht ein bisschen Nostalgisches entschieden, etwas, das die Menschen in diesen harten Zeiten auch wirklich wollen.


„In dieser Geschichte steckt alles, was uns fehlt: der Mut des Einzelnen, scheinbar unüberwindbare Hindernisse hinter sich zu lassen“, erklärt der (fiktive) Bundespräsident einmal im Film.

Das war immer das Thema von Wolfgang Becker: der Kampf des einzelnen Losers, des ganz gewöhnlichen, nicht gerade vom Glück verfolgten Menschen gegen den unfassbaren Wahnsinn in dieser Welt. Das, was dem Helden in dieser Geschichte passiert, könnte in der heutigen harten Realität jeden von uns treffen.


Ein Kampf, der in DER HELD VOM BAHNHOF FRIEDRICHSTRASSE wie schon in DAS LEBEN IST EINE BAUSTELLE und GOOD BYE, LENIN! wieder vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung stattfindet.

Dabei hat keiner von uns bei GOOD BYE, LENIN! auch nur eine Sekunde lang über diese ganze Ost-West-Thematik nachgedacht. GOOD BYE, LENIN! war für Wolfgang und mich immer ein Film über die Frage, was man bereit wäre, für seine Mutter zu tun, es geht um einen Sohn, der seine Mutter so sehr liebt, dass er für sie einen Staat erfindet, den es nicht mehr gibt. Erst nach dem Kinostart, als daraus so ein irrsinniger Erfolg wurde, wurden diese ganzen „OstalgieShows“ in Deutschland Thema. Jeder war plötzlich ein Experte. Aber niemand hat sich richtig erinnert. Jeder hat sich seine eigene Wahrheit gebildet, weil sich jeder natürlich nur an die Dinge erinnert, die eine emotionale Bedeutung für ihn haben. Das hat aber mit der objektiven Wahrheit nichts mehr zu tun.

Wir erschaffen uns selbst eine Wahrheit, die wir dann für wahr halten: In DER HELD VOM BAHNHOF FRIEDRICHSTRASSE geht es darum, wie die digitalen Medien über Menschen, über Geschichten hinwegrollt, ohne Atempause, ohne auch nur eine Sekunde lang die Fakten zu hinterfragen. Je größer die Sache wird, um so stärker ist auch das Interesse. Am Anfang ist es nur irgendein Zeitungsartikel, dann eine Fernsehshow, dann kommt auch noch der Bundespräsident, und plötzlich steht eine Rede im Reichstag an. Kaum wird der Held fallengelassen, wird schon die Nächste durchs Dorf getrieben.

Fakt ist übrigens, dass wir weder im Reichstag noch im Bundeskanzleramt noch vor dem Schloss Bellevue drehen durŸen. Das war schon hart, weil Wolfgang Becker wirklich viel für die deutsche Kultur, den deutschen Film und auch für die Auslandswirkung des Ganzen getan hat. Was man bei ihm nie vergessen darf: Es gab zwar immer so einen Hass auf die Herrschenden und Bösen, aber auch eine große Liebe zu diesem Land.


Als Weichensteller für den deutschen Film hat Wolfgang Becker auch Schauspielerkarrieren von Daniel Brühl, Jürgen Vogel und Christiane Paul mit auf den Weg gebracht, die alle zum sensationellen Cast von DER HELD VOM BAHNHOF FRIEDRICHSTRASSE gehören. War diese Wiedervereinigung vor der Kamera von Beginn an vorgesehen?

Nein, überhaupt nicht. Beim Casting waren wir uns zunächst vor allem darüber einig, dass Charly Hübner unser Hauptdarsteller sein sollte. Wir brauchten jemanden, dem man das Bodenständige und das Warmherzige wirklich zutraut, jemand, der absolut zuverlässig sein würde, falls Wolfgang krankheitsbedingt ausfallen würde, der im besten Fall auch schon selbst Regie geführt hat.

Uns war außerdem wichtig, in der eher „männerlastigen“ Geschichte auch die weibliche Seite zu stärken. Deswegen haben wir uns lange damit beschäŸigt, wer Paula und wer die Rolle der Tochter spielen könnte. Zum Glück haben Christiane Paul und Leonie Benesch sofort zugesagt. Ein Vorteil war natürlich, dass Christiane Paul und Wolfgang Becker schon „Das Leben ist eine Baustelle“ zusammen gemacht hatten.

Auch Jürgen Vogel und Daniel Brühl waren ja fast so etwas wie seine Ziehkinder und gehörten quasi zur Familie. Auch wenn ein paar Jahrzehnte dazwischen liegen, Daniel mittlerweile ein internationaler Superstar ist, musste man beide nicht zweimal fragen.


Gab es dennoch eine Art Plan B für den Ernstfall?

Unsere Absprache war, dass Achim von Borries als einer unserer ältesten Freunde, mit dem ich zig Filme und „Babylon Berlin“ gemacht habe, den auch Wolfgang schon seit GOOD BYE, LENIN! kennt, von Anfang an involviert war. Achim ähnelt Wolfgang als Regisseur, mit einer eher emotionalen als technischen Herangehensweise. Er war bei allen entscheidenden Gesprächen mit den Head of Departments dabei, bei der Erstellung des Drehplans und so weiter. Aber am Ende hatten wir das Glück, dass Wolfgang Becker trotz seiner Krankheit den Film durchgestanden hat.

Als er kurz nach den Dreharbeiten starb, war das der irrsinnigste Schock. Noch zwei Tage vorher hatten wir zwei Stunden lang telefoniert, so ein typisch langweiliges ProduzentenRegisseurs-Gespräch geführt. Da war er endlich schon zehn Tage im Urlaub, auf irgendeiner spanischen Insel und plante ein Weihnachtsessen, zu dem er uns einladen wollte. Wir haben über vollkommen belanglose Dinge gesprochen. Er war in allerbester Stimmung. Am Abend ist er ins Bett gegangen und einfach nicht wieder aufgewacht.


Bevor er verstarb, hat Wolfgang Becker noch eine allererste Rohschnittfassung des Films gesehen und war sehr glücklich darüber. DER HELD VOM BAHNHOF FRIEDRICHSTRASSE ist ein wahrha¦iger und geradezu quintessenzieller Wolfgang-Becker-Film, der das Publikum gleichzeitig zum Lachen, Weinen und Nachdenken bringt.

Das ist ja das Tolle bei Wolfgangs Filmen. Man hat eben noch geweint, weil etwas wirklich Trauriges passiert ist, und dann wird man mit einem Lachen erlöst, das genau deshalb so befreiend ist – weil man auch um die Schwere des Lebens weiß. Für mich aber ist der Film vor allem die Geschichte eines Mannes am Ende seiner besten Jahre, der feststellt, dass eine große Liebe doch noch möglich ist, eine Liebe zwischen zwei Menschen, die etwas verbindet, was über alles Oberflächliche hinausgeht. Es ist einfach herzzerreißend, wenn Charly Hübner und Christiane Paul am Ende nebeneinander in diesem japanischen Lokal sitzen, und er seinen Kopf auf ihre Schulter legt.

Wolfgang hatte so viele Ideen und Positionen und Meinungen, dass er in seine Filme niemals nur eine Geschichte erzählt hat. Natürlich geht es auf der einen Seite um die Legende dieser Massenflucht und darum, wie Medien heutzutage mit ihren Helden umgehen. Auf der anderen Seite geht es um die Schwierigkeit, als Erwachsener heutzutage die Liebe zu finden und damit umzugehen. Tatsächlich hatten Wolfgang und ich uns immer geschworen, dass wir einmal zusammen einen Liebesfilm drehen würden – einen erwachsenen Liebesfilm, ohne den ganzen schlecht inszenierten Leinwandsex. All das ist Wolfgang gelungen.

Foto:
©Verleih

Stab

Regie: WOLFGANG BECKER
Drehbuch: CONSTANTIN LIEB, WOLFGANG BECKER
Nach dem Roman von MAXIM LEO


Besetzung
MICHA HARTUNG.    CHARLY HÜBNER
PAULA KURZ.     CHRISTIANE PAUL
ALEXANDER LANDMANN.  LEON ULLRICH
NATALIE HARTUNG.    LEONIE BENESCH
HARALD WISCHNEWSKY.    THORSTEN MERTEN
HOLGER RÖSLEIN.       DIRK MARTENS
FRITZ TEUBNER.      PETER KURTH
ALEX ALLONGE.    DANIEL BRÜHL
BEATE.   EVA LÖBAU
BERND.  JÖRN HENTSCHEL
FRAU MÖCKEL.   LILLI FICHTNER
DR. ANTJE MUNSBERG.   CLAUDIA EISINGER
BUNDESPRÄSIDENT.  BERNHARD SCHÜTZ
KATARINA WITT.    KATARINA WITT
MONA SCHÖNBAUM.    ANNABELLE MANDENG
JAMILLA KARUME  ADISAT SEMENITZSCH
WERBEFILMREGISSEUR.   JÜRGEN VOGEL
STASIVERNEHMER.   HOLGER HANDTKE

Technische Daten
LÄNGE: 112 MINUTEN
BILDFORMAT: 1.85:1
TONFORMAT: 5.1

Aabdruck aus dem Presseheft