Der Film DER JUNKER UND DER KOMMUNIST von Ilona Ziok bringt verschiedene Aussagen Richard von Weizsäckers zum Widerstandsrecht, Teil 2

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die ehemals Vereinten im Widerstand lassen sich auseinanderdividieren - streben zum Oben oder Unten. Darauf geht Teil 2 von DER JUNKER UND DER KOMMUNIST ein – auch ein Wertungsunterschied.

 

Hardenberg und Perlitz finden sich im KZ Sachsenhausen gemeinsam wieder. Es entstand ein gegenseitiges Verstehen und eine Freundschaft zwischen ihnen. Beide akzeptierten die verschiedene Herkunft und Gesinnung. Denn sie waren gemeinsam Antifaschisten. Der Pfleger Hofmann, Kommunist, nahm sich des Grafen an und brachte ihn gesundheitlich über die schwere Zeit. Die Parteileitung, in Sachsenhausen auch vertreten, bestätigte: 'nun diskutiert mal beide'!. Auch Wally Perlitz weiß: 'sie fanden sich ganz gut'. Beide gingen soweit, ein Kabinett für die spätere staatliche Ordnung zusammenzustellen. Hier gab es Unterschiede, denn Führung im Staate konnten nach Hardenberg keine Kommunisten oder Arbeiter übernehmen, während Perlitz gemeint habe: 'die Köchin kann den Staat regieren', erinnert von Frau Perlitz. Beide waren also nicht bereit, sich umzustellen, vom reinen Klassenstandpunkt abzuweichen, wäre eine neue Zeit schon gekommen gewesen. Beide haben gleichwohl ihre Beziehung noch viele Jahre gepflegt, es blieb bei der gegenseitig bezollten Achtung voreinander.

 

Am 22. April 1945 wird das KZ Sachsenhausen befreit. Perlitz ging zur Schwester nach Fürstenwalde. Dort lernte er seine Frau Wally kennen. Sie hatte ihm einen Schnürsenkel, dessen er gerade bedurfte, aus dem Fenster geworfen. Am 1. Mai 1946 wurde die SED gegründet. Perlitz konnte tätig werden. Der Film lässt Karl-Heinz Karge, damals Reporter der 'Märkischen Volksstimme', aus der Vergangenheit erzählen (wie auch andere Begleiter der Zeit). Er war von der lebenserfahrenen Bestimmtheit beeindruckt, Perlitz habe nicht mit Phrasen gearbeitet, sondern das behandelt, was anstand: Versorgung, Wohnungsmangel (auch der Umsiedler), Mienen auf den Feldern. Enteignung des Großgrundbesitzes und Bodenreform wurden angegangen. Land wurde gegeben.

 

'Die Junker' wurden für Krieg und Entbehrung verantwortlich gemacht. Der Film zeigt – mit einem Ausschnitt aus einem offiziellen Propagandafilm - Schlösser und ärmliche Behausungen gegenüber gestellt. 'Fritz musste auch Hardenberg enteignen, den er aus dem KZ kannte' (Karge). Für Hardenberg lautete das Schicksal in der sowjetisch besetzten Zone: 'Hardenberg musste gehen'. Neuhardenberg wurde in 'Markwalde' umbenannt, um das Historische zu löschen. Es waren also die zu erwartenden Umwandlungsverhältnisse eingetreten. Hardenberg wollte nach der Zeit im KZ wieder ansässig werden. Aber nun ging es im Vorrang um die 'Bekämpfung des Junkertums'.

 

Die Leute im Umkreis wollten keine Umbenennung des Ortes. 'Die meisten hatten gute Erinnerungen an den Grafen' (Bernhard Kremzow). Die Stimmung war gereizt. Der Kommunist Ebel bekundet, zurückblickend: 'Der Graf war human, ein gut eingestellter Mensch'. Der russische Kommandant entschied nicht allein, das Ansinnen ging 'mehr von der Partei aus'. Bauer Schulze habe gesagt: 'Wir werden hier unter Druck gesetzt'. Fritz schien sich nicht so ganz sicher zu sein, so war der Eindruck.

 

Eintritt der Adenauerzeit in den Westzonen

 

Fritz Perlitz habe sich nicht mehr so einfach von Potsdam aus mit Hardenberg in Verbindung setzen können. 'Das wäre ja das Allerschlimmste gewesen' (nach Neffe Hans Socha). Werner-Wilhelm Krafft Jaeger (er kannte Hardenberg von Jugend an): „Diese Familien gehörten zum Kaiserhaus und der 20. Juli war ja kein Neuanfang, meine Damen und Herren. Der 20.Juli ist doch nur eine Restitution, und zwar dessen, dass man versucht hat sogar, den Kaiser zurückzuholen oder jemanden aus dem Hause Hohenzollern, um eine neue Monarchie zu schaffen..“ Tochter Reinhild bestätigt auch die Präferenz für die Monarchie bei Vater bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Wilhelm von Preußen (Kronprinz) hatte ihn gebeten, er möge die Verwaltung machen ('wir brauchen Dich'), die Familie aber sprach: 'zum Hoffnarr passt Du wirklich nicht'. Der Vater wollte aber nicht abschlagen.

 

Mit dem März 1949 ging die Gründungszeit Ostdeutschlands zuende. Fritz wurde in die Landesleitung der SED berufen. Bewaffnete Organe wurden gebildet, die Polizei des neuen Staates. Werner Grüneberg (Mfs[Stasi]-Kollege von Perlitz) berichtet: Spanienkampf und Erfahrungsschatz waren Kriterien für die personelle Auswahl bei Funktionenvergaben. Aber man entdeckte, dass er eine Schwester in Westberlin hatte. Grundsatz war, dass Funktionäre, die Westverwandtschaft hatten, aus Parteiämtern abgezogen wurden, auch 'wg. dieser Lappalie'. Sie seien in Nebenorganisationen wie 'Deutsch-sowjetische Freundschaft' oder die 'Volkssolidarität' hineingesteckt woren. Alfred Schlegel, Freund von Fritz, erinnert sich, dass Karrieredenken bei denen, die gerade vom Studium kamen, als primär galt. Und so hätten sich diese auch verhalten. 'Die Alten wurden immer mehr beiseite geschoben'. Frau Perlitz bekundet: „Er hatte unterschiedliche Vorstellungen“. Neffe Hans Socha rechtfertigt: 'Er gehörte nicht zu den Menschen, die welche an der Pranger gestellt hatten, war nicht so`n Typ...'.

 

Hardenbergs Tochter Reinhild berichtet über die Umstände des Todes des Vaters: Der KZ-Aufenthalt habe ihn sehr geschwächt...Luft sei rausgewesen...er habe mehrere Schlaganfälle gehabt. Als die Mutter merkte, dass er sich nicht mehr erholen würde, habe diese bei den Offiziellen angefragt, ob er in Neuhardenberg beerdigt werden könne. Das sei aber in einem bitterbösen Brief des Bürgermeisters Linse abgelehnt worden: 'haben die Junker davon geschickt...wollen weder sie noch ihre Asche'.- Die Asche wurde aufgehoben. Carl-Hans Graf von Hardenberg starb 1958 mit 66 Jahren.

 

Fritz Perlitz stirbt 1972 im Alter von 64 Jahren. Er war Mitglied des Ehrenbataillons. Der Neffe bescheidet: 'er hat von seinem Leben garnischt gehabt, sein Leben hat er der Sache geopfert, ab 15. Lebensjahr. Ist nur für seine Sache aufgegangen'.

 

Vortragszene nach dem Mauerfall im November 1989, vor gehobenem bürgerlichen Publikum: „Es ist die Geschichte, die gefälscht von einem totalitären Regime in 40 Jahren Machtmissbrauch ihn und seine Familie um die Früchte seines Wirkens brachten. Wie viele Demütigungen haben er zu Lebzeiten und sie, Familie Hardenberg, durchleben müssen. Immer in der Hoffnung, dass die Zeit kommen möge, um eine Rehabilitierung unseres Grafen Carl-Hans von Hardenberg und der ganzen Familie zu erreichen.- Zum Abschluss kommend möchte ich der gräflichen Familie zusichern: sie können jederzeit von ihrem, von unserem Ort Besitz ergreifen“.

 

Schockierend die darauf folgende Szene: Ein 'Fritz-Perlitz-Straße'-Schild wird abgenommen. 'Die Namen sind nach der Wende gleich verschwunden' (Frau Perlitz). 'Ihre Biographie, ihre Tätigkeit, ihr Vermächtnis ist praktisch in den Akten verschwunden, irgendwo in den Archiven. Aus dem Bild der Straße sind sie eben weg'.

 

Man sieht den Eingangsbereich einer Schule. Zunächst das

Vorher:„Kommunale Berufsschule 2 'Fritz Perlitz“, dann das

Nachher:„Oberschulzentrum Potsdam“ (Schule für Fachabi).

Die Schülerinnen und Schüler streben eilig gen Eingang. Befragt über die Geschichte der Namensgebung wissen sie nichts, ein Fritz Perlitz ist ihnen nicht bekannt.

 

Alfred Schlegel (Freund) fragt: 'was hat sein Kampf gegen den Faschismus, was hat der zu tun mit den Fehlern der DDR? Wie kann man einen Menschen, der sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, wie kann man den also verurteilen, weil in der DDR große Fehler gemacht wurden?'

 

Karl-Heinz Karge: 'heute ist es so, dass man solche Persönlichkeiten nicht mehr als Vorbild nimmt', 'jetzt hat man andere Ideale, Henry Potter oder was weiß ich was, oder Herrn der Ringe, das wird ganz groß aufgemacht'.

 

Am Pult Bernd Kaufmann: „Ich bin froh, dass Sie, verehrte Gräfin Hardenberg heute bei uns sind zur Vorstellung Ihres Buches und ich habe Ihnen ganz persönlich für die Ehre zu danken, dass die Stiftung Schloss Neuhardenberg Ihre Erinnerungen herausgeben durfte“. Man sieht anschließend Reinhild signieren.

 

Wally Perlitz am Grab ihres Mannes Fritz, verweilend. Sie starb 2008.

 

Krafft Jaeger: 'und ich habe festgestellt, dass Kommunisten weniger gelogen haben wie andere '. Und Astrid, Tochter: „Ich meine, Kommunisten waren auch Menschen - irgendwo“.

 

Man sieht nach einer Filmpause das Schloss Hardenberg in restauriertem Zustand.

 

Dann heißt es: „Nach der Wiedervereinigung Deutschlands verkaufte Familie Hardenberg das Schloss an ein Bankenkonsortium“

 

Nach dem Ende des Hitlerterrors teilte sich der Widerstand also auf nach Ost und West sowie nach Oben und Unten - und der Widerstand durch das Unten wurde und wird geringer bewertet bzw. abwertend beschieden. So bleiben die alten Herrschafts- Wertungs- und Deutungsverhältnisse erhalten, wie gehabt.

 

Die Kommunisten wurden als Kämpfer gegen Hitler nicht „rehabilitiert“ (folgt man dem in der Ansprache verwendeten Ausdruck). Sie fanden nicht die ihnen gebührende Anerkennung. Wahrer Freiheitskampf gegen die Tyrannei wird nur den Bürgerlichen oder dem Adel zugestanden. Der Adel aber hatte gerade noch das Attentat hinbekommen, kommunistische Arbeiter hingegen haben zeitig zu Fuß und mit flinker Hand in verdeckter Untergrundarbeit ihr Leben aufs Spiel gesetzt, ihr Leben eingebracht und in großen Zahlen geopfert. Demokratie ist bis heute eine Form bürgerlicher Herrschaft.

 

Dem Adel gebührt die einzelne Tathandlung, der Arbeiter macht die Kernerarbeit des gefahrvollen Widerstands. Auch spielen Kommunisten in der Ehrungskultur nur die zweite oder dritte Rolle, wenn ihnen überhaupt eine zugestanden wird. Der Film vermittelt eine eindrucksvolle Erkenntnis über bürgerlich-adelige Überheblichkeit und Ignoranz, auch des Mangels an Empfinden für die feineren und faireren Regungen der menschlichen Seele.

 

Bedeutend im Film ist das Bekenntnis von Richard von Weizsäcker (siehe Teil 1). Zwar waren im 'Remerprozess' 1952 die Widerständler des 20.Juli 1944 rehabilitiert worden, aber lediglich durch ein juristisches Schlussverfahren (der NS-Staat war ein Unrechtsstaat, daher..). Richard von Weizsäcker geht weiter und rechtfertigt das Recht auf Widerstand grundsätzlich aus dem wohlüberlegt entstandenen inneren Entschluss des Menschen.

 

 

INFO:

 

  • DVD „Der Junker und der Kommunist“, Film von Ilona Ziok, 2009 cvfilms

http://www.veoh.com/watch/v205204147eXfEnpd?h1=Der.Junker+und.der.Kommunist