Die 84. Oscarverleihung am 26. Februar 2012 in Los Angeles

 

Romana Reich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Doch, doch, der wichtigste Oscar ist jährlich der, der für den Besten Film verliehen wird. Das hat auch wirtschaftliche Gründe, denn dann gehen die Leute noch eher ins Kino, wenn er als bester Film gepriesen wird. Bei THE ARTIST kommen noch die Oscars für Beste Regie durch Michel Hazanavicius, Bester Hauptdarsteller, Kostüme und Musik hinzu.

 

Wenn schon der Beste Film am wichtigsten ist, folgen die Preise für die Hauptdarsteller und die Regie in der Wichtigkeit gleich danach. Und deshalb ist diese Prämierung mit den wichtigsten Oscars ein einzigartiger Triumph für diesen Film aus Frankreich, der aber nicht als ausländischer Film gewertet wurde, weil er in den USA gedreht und mit der Unterstützung der amerikanischen Filmindustrie zustandekam. Haben Sie einmal ein Bild vom Hauptdarsteller Jean Dujardin gesehen? Ein Bild von heute? Kaum glaublich, wie perfekt er auf die Rolle als Stummfilmstar hin geschminkt und gestylt wurde. Ein hinreißender Stummfilmstar.

 

Wenn er dafür ausgezeichnet wurde, ist das verbunden mit der wohltuenden nostalgischen Gefühlen, die dieser Film hervorruft. Es waren die Goldenen Zeiten, in denen die Filmindustrie zu dem wurde, was sie als Wirtschaftsfaktor heute ausmacht. Aber es waren auch Zeiten, wo Schauspieler noch als Halbgötter verehrt wurden. Dieser Film ist einer, den jeder gesehen haben sollte, der sich für Film und für Kulturgeschichte interessiert. Für die Vereinigten Staaten ist er so etwas wie oral history, denn er macht an Studioleben und Filmemachen lebendig, was längst tot ist.

 

Die Bewunderung für die Wandlungsfähigkeit des Schauspielers kann man direkt fortsetzen bei dem Oscar für die Beste Schauspielerin an Meryl Streep, die damit ihren dritten Oscar erhielt, der zweite lag allerdings schon 30 Jahre zurück! Auch hier würde man sie in ihrer Filmrolle als Margret Thatcher nicht wiedererkennen, was eben auch für eine gekonnte Maske spricht, für die ebenfalls ein Oscar vergeben wurde. Im Vorfeld gab es nur einen Film, der mit sogar 11 Nominierungen ebenfalls preiswürdig schien und es auch war. HUGO CABRET von Martin Scorsese erhielt fünf Oscars.

 

Vergleicht man nun diese Oscars, dann sieht man deutlich die Unterschiede. Denn HUGO erhielt die Oscars der wichtigsten Technik-Kategorien. Das sind die Kameraarbeit, Ton, Tonschnitt, visuelle Effekte und Szenenbild. Die Frankfurter Firma Pixomondo, deren revolutionäre visuellen Effekte man immer auf dem Edit-Festival bestaunen kann, hat maßgeblich das gestaltet, was auf der Leinwand wie natürlich erscheinen, wenn der Schnee in Paris fällt, oder die Kamera vom Himmel oben rasch über den Bahnhof huscht, direkt ins Auge des kleinen Hugo. Andere deutsche Hoffnungen auf Oscars erfüllten sich nicht. Der Gewinner des Goldenen Bären der Berlinale, der Film  NADER UND SIMIN - EINE TRENNUNG von Asghar Farhadi gewann den Oscar für den besten ausländischen Film.

 

 

Dieses Jahr ist die Oscarvergabe in tiefer Harmonie verlaufen. Das gilt nicht nur für Los Angeles, sondern allerorten. Denn auch der normale Kinozuschauer kann dieses Jahr die Oscarvergabe sehr gut nachvollziehen. Tatsächlich ist HUGO CABRET in 3D nicht nur ein filmhistorisch wichtiges Thema – also haben gleich zwei filmhistorisch wichtige und perfekt gemachten Filme gewonnen - , sondern in ihm sind auch alle technischen Mittel optimal eingesetzt. Vielleicht zu sehr, was dem Film auch etwas Abgehobenes, Glattes gibt. Während THE ARTIST einfach eine perfekte und ans Gemüt gehende Reminiszenz an den Stummfilm ist.

 

Auch die Nebendarstellerpreise sind wichtig. Diese Oscars erhielten die schwarze US-Schauspielerin Octavia Spencer für THE HELP  und der 82jährige Kanadier Christopher Plummer für BEGINNERS. Letzterer  hatte die Lacher auf seiner Seite, als er, die Statue in der Hand, sie befragte, wo sie, die gerade mal zwei Jahre älter als er sei, eigentlich ihre ganzes Leben lang geblieben sei, wenn sie erst jetzt komme. Der Oscar für das Beste Drehbuch – auch ein wichtiger Oscar – ging an Woody Allen für MIDNIGHT IN PARIS und war schon sein vierter Oscar.

 

Die Frage gilt auch immer den Verlierern. Für das fünffach nominierte familiäre Drama THE DESCENDANTS – FAMILIE UND ANDERE ANGELEGENHEITEN – gab es noch den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch, also das, das nach einer Vorlage wie einem Roman geschrieben ist. Die anderen beiden je sechsfach nominierten Filme wie DIE KUNST ZU GEWINNEN – MONEYBALL und GEFÄHRTEN  gingen leer aus. Brad Pitt war in MONEYBALL  nominiert und ein an der Seite seiner Frau strahlender Verlierer.

 

Tatsächlich hat sich mit der Oscar-Preisvergabe 2012 das Kino selber ausgezeichnet. Und wenn das ein wenig weinerlich konstatiert wird  und mit Nostalgie als ein Rührstück bezeichnet wird, so sollte man dem selbstbewußt entgegenhalten, daß wer nicht weiß, woher er als Filmindustrie, als Regisseur, als Schauspieler kommt, auch nicht weiß, wohin er geht.