John le Carrés THE NIGHT MANAGER als Buch und Fernsehserie, Teil 2

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Das, was wir als Kurzfassung des Romans lasen, Grundlage der nun abgedrehten sechsteilige Serie von der BBC, das hat uns denn doch empört. Richtig, daß es beim DER NACHTMANAGER um internationalen Waffenhandel geht. Keine einmalige Sache beim internationalen Thrillerautor John le Carré. Aber wer seine Bücher kennt, weiß, daß es zuvörderst erst einmal um den Menschen geht, der bei ihm im Mittelpunkt steht.

 

Und der heißt Jonathan Pine, wenigstens am Anfang in Zürich im Januar 1991. Dazwischen heißt er Jack Linden in England und auch Jacques Beauregard in Kanada und Panama – ach nein, alle Pseudonyme wollen wir nicht aufzeichnen - und wenn es auf der letzten Seite heißt, daß man nach langer Abwesenheit den totgeglaubten Jack Linden in Lanyon gesehen habe, so ist es Mrs. Threthewey, die auf Seite 558 – der letzten! - sagt: „Jetzt hör mal zu, Redfers...Jack Linden, der vor einiger Zeit hier aufgetaucht ist, ist über alle Berge. Der Mensch, der jetzt am Lanyon wohnt – na ja, ich gebe zu, er könnte mit Jack verwandt sein, schon möglich, und diejenigen von uns, die Jack nicht so gut gekannt haben, sehen vielleicht eine gewissen Ähnlichkeit. Aber ich hatte die Polizei im Haus, Redfers. Einen sehr überzeugenden Gentleman aus Yorkshire, ungeheuer charmant. Der ist den ganzen Weg von London hierhergekommen und hat mit gewissen Leuten gesprochen. Und was für manche von uns wie Jack Linden aussehen mag, ist für etwas klügere Leute ein harmloser Fremder. Also laß nur ja in Zukunft deine unpassenden Bemerkungen, wenn du nicht zwei lieben Menschen weh tun willst.“

 

Alles klar? Dazwischen liegen nun also die gefährlichen Abschnitte im Leben von Jonathan Pine, der im Hotel MEISTER in Zürich genau der Nachtmanager ist, den sich alle Gäste wünschen. Er sieht alles, spricht über nichts, denkt sich seinen Teil und gibt jedem das Gefühl, bei ihm in sicheren Händen zu sein. Auch Madame Sophie. Und schon sind wir verwirrt, denn bei der Besetzungliste der BBC-Serie kommt diese gar nicht vor. Es stimmt, daß man – wie unser Held im Leben – auch beim Lesen die ihm gewogenen Frauen – er ist echt ein Weiberheld – leicht durcheinanderwirft, was daran liegt, daß er in allen eben doch immer die eine sucht und zu finden glaubt – und das ist eben Sophie. Doch auch wenn die nach den Anfängen als wirkliche Frau hauptsächlich in seinen Gedanken, Erinnerungen, Gefühlen durch den Roman geistert, können wir uns nicht denken, daß Susanne Bier, diese exquisite dänische Regisseurin den Mittelpunkt des Seelenlebens von Jonathan Pine nicht auf die Leinwand, sprich die Fernsehschirme bringt.

 

Im Vorwort zu seinem Roman von 1993 in einer Neuauflage 2001 sagt Meister Carré: „Es ist alles da: der Generationenunterschied, die Ambivalenzen, die sexuelle Rivalität“ - und ob!! - „und der unterschwellige Wunsch, den anderen zu zerstören. Und das rührt nicht nur daher, daß Roper in einem früheren Leben den Tod von Jonathan Pines Freundin verschuldet hat. Der Konflikt zwischen den beiden, so wie ich ihn heute sehe, ist ein lang schon anstehendes Duell, dessen Gründe so alt sind, daß sie am Ende der Geschichte kaum mehr zählen. Worauf es hinausläuft, sind eine Vaterfigur und eine Sohnfigur, die beide um dasselbe junge Mädchen kämpfen. Der Vater möchte sie gefangen halten, der Sohn sie befreien. Aber beide wollen sie auf ihre Weise besitzen. Freudscher geht’s kaum.“

 

Sicher verstehen Sie jetzt besser, was uns an der Serienbeschreibung als reiner Waffenschieberkonflikt gestört hat. Jetzt geht es aber weiter. Denn dieser Mr. Richard Onslow Roper, genannt Dicky, Engländer und berühmter internationaler Unternehmer wird in der Verfilmung von Hugh Laurie dargestellt. Richtig, dem Dr. House aus der Fernsehserie. Das kann nur gut gehen, wenn er diese Rolle gegenteilig gestaltet. Denn der Oligarch ist ein Menschenverführer und spielt sich nicht durch schlechte Laune und ruppiges Verhalten in den Vordergrund. Er ist der Vordergrund und derjenige, von dem alle anderen abhängig sind. Bis auf Jonathan Pine, Jack Linden...

 

Der übrigens spricht perfekt Deutsch, wie viele Figuren von Carré, wie dieser nämlich selbst. Daß er sich zwischenzeitlich auch als Schweizer ausgibt, als Deutscher sowieso und auch Österreich liegt nahe, hat mit seiner deutschen Mutter zu tun. Aber dem Wesen nach wird er als einer ohne Vaterland beschrieben, als einer mit der großen Sehnsucht nach Liebe im Herzen und dem glasklaren Verstand, denjenigen, der ihm die Liebe verwehrt hat, ans Messer zu liefern.

 

Wie die BBC mit nur sechs Teilen zurecht kommt? Die Handlung spielt nämlich und das durchaus sprunghaft von Zürich aus dann in Ägypten, wo Jonathan sein Waterloo erlebt, bis er in England tankt und in der Neuen Welt diese zurechtrückt. Dabei fängt es in Zürich im Hotel Meister so genrehaft an, daß man glaubt, es bleibe dabei und man sei nun derjenige, der die Hotelgäste der Reihe nach kennenlernt. MENSCHEN IM HOTEL ist nicht nur der Titel des Romans von Vicky Baum, sondern der Ausdruck dessen, was le Carré mit spitzer Feder hier leicht dahinschreibt. Herrliche Passagen über anspruchsvolle Hotelgäste, die so bizarr sind (auf Seite 21 geht es um einen, „als seine Gruppe das letztemal hier war, hat er im Durchschnitt einundzwanzigtausend und siebenhundert Schweizer Franken pro Tag ausgegeben, plus Trinkgeld.“), daß sie dem viel später gedrehten Film THE GRAN BUDAPEST HOTEL von Wes Anderson gleichen. Alleine die Perücke, die sich ein Hotelangestellter für 140 000 Schweizer Franken leistet und die zum Zankapfel für eine Gästin wird, die sieht man in einer Verfilmung schon jetzt vor Augen.“'Nehmen Sie's ab', befahl Madame Archetti. 'Oder Sie können keine Penny mehr von mir erwarten...“'(18)

 

Sie merken schon, wir winden uns und wollen die Geschichte nicht erzählen, nur umschreiben. Das hat auch damit zu tun, daß die Erwartung an die Serie ruhig hochgepuscht werden sollen („Die Ogilveys arbeiten als Ehepaar-Team. Sie spionieren lieber, statt Kinder zu kriegen.“30) Denn unser Bestreben war ja nur, den Roman wiederzulesen, der uns in der Ankündigung der Serie zu sachlich als durch den britischen Geheimdienst ausgehebelte illegale Waffenhandelsgeschichte rüberkam. Es ist wirklich ganz anders, aber so auch. Demnächst – es wird noch dauern - hoffentlich in ihrem Fernseher!

 

P.S. Völlig verrückt erscheint einem zu erst einmal, daß der Geheimdienstchef Burr, ein bulliger und Jonathan Pine zugewandeter Mann, in der Verfilmung zur Frau wird. Aber seit Dr. Watson in der amerikanischen Sherlock Holmes Serie so überzeugend weiblich wurde, wundert uns gar nichts mehr und wir sind gespannt! Frauen gehören dann auch stärker als bisher zu den Überlebenden, wo sie eben bisher als Geliebte zwischen zwei Männern meist ins Gras bissen.

 

 

INFO:

John le Carré, Der Nachtmanager, List Taschenbuch, 3. Auflage 2010