Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 29. März 2012, Teil 1

 

Romana Reich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die wöchentliche Filmübersicht wird als Überblick gerne gelesen. Was zu kurz kommt, da hat die Leserin recht, sind die vielen oftmals kleinen Festivals, die wie das gerade begonnene Lichter Filmfest einzelne Aspekte vom Filmemachen in den Mittelpunkt stellen.



DAS BESSERE LEBEN



Ein Film, über den man einen Roman schreiben müßte, so viele Meinungen entwickelt man beim Zuschauen, übrigens völlig gegensätzliche. Juliette Binoche spielt in dem Film der Polin Malgorzata Szumowska eine Journalistin, die zwecks Reportage darüber zwei Studentinnen interviewt, die als Edel-Prostituierte nebenbei und erheblich ihren Lebensunterhalt 'erarbeiten'. Es sind ernsthafte Interviews und erfordern jeweils mehrere Gespräche auf Band, die wir die Journalistin Anne im häuslichen Bereich abtippen erleben und damit auch ihre persönliche Lebenssituation als Ehefrau eines gutsituierten Mannes, also eine großbürgerlichen Familie mit Kind vor uns haben.



Wer hat denn nun das bessere Leben? Ist es das, was uns die Regisseurin und Drehbuchautorin sagen will? Auf jeden Fall erleben wir mit, wie eine älter werdende Frau sowohl eine Schönheit ausstrahlt, wie sie nur durch erlebtes Leben möglich ist, wie auch ihren Verfall, der sich in Haltung, Mimik und Nachlässigkeit ausdrückt. Dabei tritt Letzteres zu Hause auf, schön ist sie eigentlich nur bei den beruflichen Terminen und wenn sie gut organisiert und pünktlich im kleinen Schwarzen das abendliche Dinner für den Chef ihres Mannes in gemütlicher Runde (für die anderen) serviert.



Alle drei Frauen werden vor unseren Augen lebendig: neben Anne die beiden jungen Frauen, Charlotte, die genau weiß, was sie will, aber nicht wohin, und Alicja, eine lebenslustige Polin, die Spaß hat, aber auch Entsetzen erlebt. In den Interviews erzählen beide ganz freimütig von ihren Freier-Erfahrungen und tatsächlich sind das die stärksten Momente des Films, nicht nur, weil sie uns Nichtprostituierten Einblicke in abenteuerliche Sexpraktiken geben und was die Männer so antreibt, sondern auch, weil die Art und Weise wie Frauen über etwas reden können, nur weil sie im Grunde gemeinsam Frauen und damit Schwestern sind, eine selbstverständliche Ebene des Austauschs auf die Leinwand bringt, die sehr realistisch ist, vom Inhalt des Gesagten ganz unabhängig.



Anne auf jeden Fall machen die Inhalte deutlich, wie unterbelichtet ihr Sexualleben längst ist. Ob diese freudlose Selbstbefriedigungsaktion der Anne auf dem Boden des Badezimmers für den Film nötig war, ist eine sinnlose Frage, weil sie eben da ist. Aber – und das rührt nun an das Innerste dieses großartig gespielten Films – sie hat keine Funktion im Film, sie führt nicht weiter, gibt eher dem Verdacht Zucker, daß es hier gar nicht so sehr um eine ernsthafte gesellschaftliche Aufarbeitung der sogenannten Edel-Prostitution ist und dessen, was das bedeutet, sondern den voyeuristische Ansatz, den Anne bei ihren Interviews an sich selber entdeckt, auf den Zuschauer überträgt. Mit einem Wort: der Binoche und ihren Mitspielerinnen sind wir als hervorragend gespielte weiblichen Porträts mit großem Interesse gefolgt. Was der Film aber soll, besser: wirklich will, entzieht sich uns.





DIE FRAU IN SCHWARZ



Verfilmung des Schauerromans von Susann Hill – Hommage an die Gothic Novel des 19. Jahrhunderts - durch James Watkins, in dem ein Londoner Anwalt auf dem platten Land die Erbschaftsverhältnisse der Verstorbenen klären soll. Die Leute wollen ihn nicht, ein Gespenst schon eher. Diesen Anwalt spielt Daniel Radcliffe, was Aufsehen dadurch erregt, daß es die erste 'echte' Kinorolle nach Harry Potter ist.

 



OUT OF DARKNESS – DER WEG INS LICHT



Sanduk Ruit ist Augenarzt in Nepal und der Film begleitet ihn, wie mit Hilfe seiner neuen Operationsmethode sehschwache und erblindete Menschen ihre Sehkraft wiedergewinnen. Der Kölner Fotograf Stefano Levi hat die ärztliche Hilfe gefilmt– zum großen Teil Katarakt-Linsenimplantationen, die hierzulande Routine sind. Kaum sehen können oder gar vollends blind zu sein in Nepal, das erlebt man im Film, ist noch existentieller denn hier, wo es Straßen und Treppen gibt, während es dort über Stock und Stein geht.Einfühlsam; der Zuschauer lernt viel dabei.





Susann Hill, Die Frau in Schwarz, Das Buch zum Film, Verlag Droemer Knaur 2012