von Lida Bach

 

New Orleans ist der abblätternde Prunk alter Kolonialbauten und der Natur trotzende Ruine. New Orleans ist Robert Johnson, der nachts zu einem einsamen Kreuzweg geht, mit einem Hühnersandwich und seiner Gitarre. Beides gibt er dem dort wartenden Fremden, der die Gitarre stimmt und schmatzend das Sandwich verschlingt. „Deine Seele,“, sagt er, „würde mir noch viel besser schmecken.“ Der Musiker reicht ihm seine Seele und der Teufel frisst sie. „Yum, yum!“. Dass Johnson bis zu seinem frühen Tod mit 27 höllisch gute Blues spielen konnte steht außer Zweifel. Dass es dazu genau so kam wie in der Legende, auch. 

 

Denn die Legende erzählt Darius James, Autor von „Negrophobia“ und „That´s Blaxploitation! - Roots of the Baadasssss `Tude“, Satiriker, Kulturanalytiker und geistesgegenwärtiger Essayist, lange schon der Literatur, nun auch des Films. Diesen Schritt, der bereits als Markstein gelten darf, ist zugleich tief persönlicher und allgemeiner Natur und führt James in das Grenzgebiet zwischen Geisterreich, Glaube und Gegenwartsrealität, das Oliver Hards dynamischen Doku erkundet. „New Orleans ist Afrika, das mit Europa in den Wassern der Karibik badet.“, sinniert James mit der ihm eigenen Mischung aus Scharfsinn und Versunkenheit, die den vom gewohnheitsmäßigen Zuschauer zum gespannten Zuhörer bekehrten Kinobesucher mesmerisiert, noch bevor er dessen gewahr wird. Hypnotisiert ist auch James: von den Masken an der Zimmerwand seines Vaters, dessen Tod den in Europa heimisch gewordenen Sohn in die USA zurückführt.

 

Dort endet seine Reise nicht, sie nimmt ihren Anfang. Er liegt in den urbanen Künstlerkreisen von Brooklyn und Harlem, deren verregnete Kühle der schwülen Hitze der Südstaaten weicht. Eine Landschaft, wo die Leute Kirchgänger seien und nach dem Gottesdienst die Nachbarn zum Barbecue einladen, erzählt James: „Aber es ist auch die Landschaft des Hoodoo.“ Die Namen laden zum Reimen und Verwechseln ein, doch Hoodoo ist nicht Voodoo, das eine Religion darstellt, während erstes sich am ehesten als folkloristischer Magie ist. Hoodoo ist Bannsprüche und Flüche, ist Schutzzauber, Liebeszauber, Schadenzauber, Geisterzauber, Geldzauber, Rachezauber, Eifersuchtszauber und Totenzauber. Einen Totenkopf zeigt ein Graffiti an einer Hauswand in New Orleans, wo Drehbuchautor und Regisseur gemeinsam das Herz jener insbesondere in der angloamerikanischen Populärkultur in einem Zug dämonisierten und kommerziell inszenierten Facette afroamerikanischer Spiritualität ertasten.

 

Sein Rhythmus pulsiert in den Klangkulissen der New Yorker Musikerin Val Jeanty so intensiv wie in den Arbeiten des Chicagoer Objekt- und Performance-Künstlers Nick Cave. Die essentielle Bedeutung des Karnevalistischen und Klerikalen sowie der Verschmelzung beider in ambivalent konnotierten Maskeraden in seinem Werk schlägt den Bogen zu den Masken von James´ Vater, dessen Asche der Künstler in einem intimen Happening dem Meer anvertraut. Die Masken werden auf mehrerer Ebene zu Sinnbildern des Verdrängten. Als Ritualobjekte bezeugen sie Ästhetisierung von Naturreligion als Mittel der Domestizierung ebenso wie die Marginalisierung eines spezifisch afroamerikanischen Kulturerbes auf sozialer Seite und die Substitution heidnischen Volksglaubens durch christliche Doktrin. Von der repressiven Überlagerung distanziert sich das erhellende Porträt der überdauernden Kraft eines lebendigen religiösen und spirituellen Synkretismus.

 

„Mich interessiert, was unter der Oberfläche liegt.“, sagt einer der Protagonisten, deren Gespräche die ausgedehnte Selbstsuche vorantreiben: „Je mehr wir diese Objekte betrachten, desto mehr verstehen wir sie.“ Letztes erreicht die Roadmovie-Reportage, die statt Gruselszenen Authentizität und Differenziertheit beherrschen, ohne Voyeurismus. Wie James klarstellt: „Nein, ich bin hier kein spiritueller Tourist.“ Das gleiche darf Oliver Hardt von sich sagen.

 

Oneline: Spirituelle Synopse folkloristischer Mythen mit charismatischen Protagonisten.