Zwiespältig ist die achtteilige amerikanisch-kanadische Fernsehserie DIE KENNEDYS

 

ROMANA REICH

 

Berlin (Weltexpresso) – ARTE habe so wenig Zuschauer, erzählt jede Statistik. An uns kann das nicht liegen, denn, wenn wir schon Fernsehen gucken, dann in der Regel ARTE oder 3 SAT. Und nun gleich drei Donnerstage hintereinander mit DIE KENNEDYS ein höchst spektakuläres Thema von eigentlich der wichtigsten politischen Familie der westlichen Welt mit tragischem Ausgang, dessen Verfilmung wir getreulich anschauen, obwohl aus der Politik und der Tragik eine Seifenoper geworden ist.

 

Es beginnt mit dem 7. November 1960. Das war der Vorabend der Wahl, von der meine Klassenkameraden alle sagten, dieser Kennedy sei der Teufel, man könne nur für Nixon sein als aufrechter Deutscher und Freund der Amerikaner. Kann gut sein, daß dies der Grund war, daß unsere gesamte Familie pro Kennedy war und wir Kinder anfingen, die Bilder, die politischen und die privaten auszuschneiden, 966 waren es dann am Tag der Wahl. Die hatte ebenfalls die ganze Familie im amerikanischen Rundfunk AFN des Nachts mitverfolgt und als wir dann – meine Schwester und ich – am nächsten Morgen nach dem absolut überraschenden Wahlerfolg für John F. Kennedy in die Schule kamen, da – ja, es ist wirklich wahr – da waren auf einmal alle meine Mitschüler schon immer für den Kennedy gewesen. Das ist meine früheste politische Erfahrung mit dem Mitläufertum, weshalb das Datum ein mehrfaches historisches ist.

 

Also, die Serie beginnt mit dem 7. November 1960, aber nur als Einführung in das Thema, denn nun kommt erst einmal die Familie dran, der Vater Joseph P. Kennedy in den Jahren 1937/38 , der sich später als Diplomat für die Nichtbeteiligung der USA am Zweiten Weltkrieg einsetzte und der – dargestellt von Tom Wilkinson – als absoluter Clanchef agiert, mal familienbeschützerisch, mal eiskalt den Nächsten gegenüber. Ja, das wußten wir auch damals, aber die Serie erzählt deutlicher davon, daß für den Joe P. sein famoser Sohn John F. nur die dritte Wahl war. Denn daß die katholische Familie Kennedy mit den irischen Wurzeln dereinst das Präsidentenamt übernehmen werde, des war sich der Patriarch gewiß.

 

Allerdings sah er sich selbst als erste Wahl an. Nur wurde das nichts und als die zweite Wahl, der Älteste Joe Junior 1944 im Krieg der Lüfte über dem Ärmelkanal umkam, mußte halt der Jack genannte John F. ran. Doch, diese Serie ist genau auf solche Optik eines Patriarchats angelegt. In allem. Nicht nur der Vater ist als Chef fast eine Gottheit, auch die weiteren Männer sind Halbgötter – wenn man sie mit ihren Frauen und Schwestern vergleicht. Schwere Kost, das alles sich anzuschauen und diese Dialoge anzuhören. Gleichzeitig hält einen das Hin und Her wach, will sagen, daß die Jahreszahlen springen, hält die Aufmerksamkeit aufrecht, dazu kommt, daß tatsächlich die Ausstattung der Serie, was Kostüme und alle Äußerlichkeiten angeht, profund ist und schon von daher eine kulturhistorische Tat zur Erinnerung an die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts.

 

Hervorragend auch die Schauspieler. Für uns schlüpfte Greg Kinnear als Jack Kennedy immer stärker ins seine Rolle hinein – der Haarschopf macht's! Sein Bruder Robert F., Justizminister und als Bobby und treuer Vasall bekannt, ist eine formidable Darstellung durch Barry Pepper. Jackie Kennedy in der Figur von Katie Holmes ist allerdings zweischneidig. Von weitem mit – wieder die Frisur und die Kleidung! - Jacqueline Kennedy durchaus zu verwechseln, ist sie auch aus der Nähe noch ansehnlich, doch von der Seite wird das alles sehr flach und stumpfnasig, schon vom Aussehen her eher auf niedlich gemacht. Die Serie macht nun zusätzlich aus dieser doch sehr kapriziösen Frau eine Heilige Jackie des Weißen Hauses, die zwar auf die unentwegten Seitensprünge des Hohen Herrn reagiert, aber nicht zum Agieren kommt.

 

Warum man leider von Seifenoper sprechen muß, hat mit dem Ausschalten der politischen Brisanz zu tun. Alles, was schon in der Familie an politischen Spannungen vorhanden waren, existiert hier überhaupt nicht.  Der Präsident hatte Eindeutiges zum Isolationismus seines Vaters geäußert, solche Kritik des Sohnes am Vater kommt in dieser Serie allerdings nicht vor, wie überhaupt Kritik ausgeschaltet ist, auch die, die sich die Familienmitglieder gegenseitig verordneten. Das Schicksal der Schwester Rosemary, die aufsässig und 'nicht-normal' vom Vater mit einer Lobotomie bestraft wird, wird so hart vorgeführt, wie es war, zumal die Operation mißlang und diese Schwester ein Leben lang behindert blieb. Aber keine Reaktion im Familienkreis, nur eine säuerlich schauende Mutter Rose.

 

Wenn man schon Antikengefühle erzeugen wollte, bei der Familiendynastie der Kennedys und nicht die politischen Widersprüche so herausstellt, wie sie waren – doch, doch, die 1063 Tage der Amtszeit werden dokumentiert, getragen vom mehr als verunglückten Ausflug nach Kuba in die Schweinebucht, die ehrlichen Worte zur Mauer von Berlin und dann das Attentat vom 22. November – wenn man also die Tragödie dieser Familie hätte darstellen wollen, dann hätte man noch ganz andere Dimensionen von Wahnsinn und Unglück aufbieten müssen, aber auch können. Denn soviel Flugzeugabstürze in einer einzigen Familie sind ungeheuerlich, so viele Morde an Familienmitgliedern auch. Aber auch die Kennedys haben andere in den Tod befördert, ohne Absicht, aber auch mit Absicht, also gibt es auch Mörder, vor allem aber jede Menge von Verunglückten und Unglücklichen dazu. Das geht wirklich auf keine Kuhhaut. Aber davon erzählt diese Serie nichts, die sich auf die Präsidentschaft und ihre Vorgeschichte beschränkt.

 

Dennoch, wir empfehlen, die Serie anzuschauen. Denn wie von selbst entstehen Welten, die in ihrer Einmaligkeit eine kulturpolitische Dimension erhalten. Nur ist alles zu bieder, die Welt der Politik auf Lieschen Müller reduziert, damit Gefühle angesprochen werden, wo mehr Zwist angebracht gewesen wäre. Aber wir wollen uns nicht wiederholen. Das ist ein Stichwort: sicher kommt demnächst eine Wiederholung, denn ARTE hatte endlich einmal mehr Zuschauer als sonst. Als Thema ist das also weltumspannend. Und Marilyn Monroe kommt auch vor.

 

 

INFO:

 

DIE KENNEDYS in acht Folgen. Am Donnerstag, 9. August 2012 ab 20.15 Uhr , laufen die beiden letzten Folgen der Serie bei ARTE, die am 26. Juni mit drei Folgen begann und am 2. August mit wiederum drei Folgen fortsetzte.

 

Weltexpresso hatte im Juni DER ANSCHLAG besprochen, als Hörbuch bei Random House im mp 3 Format mit 1800 Minuten, wo es um den 22. November 1963, das Attentat auf Kennedy geht, in extremer Weise von Stephen King umgedichtet in eine Zwischenwelt, die durchaus in den Bereich der Phantastik gehört, von der derzeit ansonsten wenig die Rede ist, weil alle Welt sich der Fantasy zuwendet, die aber eine ganz andere Welt ist. Also Tip, sich diesen Hörbuch neben der Fernsehserie 'reinzuziehen'.

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/737-einzeltaeter-oder-verschwoerung-fragen-sich-die-helden-bei-der-anschlag-und-schwarzspeicher-und-wir-mit-ihnen