Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 19. Januar 2017,    Teil 5

Kirsten Liese


Berlin (Weltexpresso) - Von der einst blühenden Filmkultur in Kambodscha ist seit der Schreckensherrschaft der in den 1970er Jahre wütenden Roten Khmer nicht viel übrig geblieben. Zwei Millionen Menschen fielen  dem Terror zum Opfer, das kulturelle Erbe wurde kategorisch vernichtet.


Van Chann, einer der bedeutendsten Filmproduzenten dieser Zeit, verließ 1969 das Land, als die „Goldenen Ära“ mit der Exekution vieler Künstler zu Ende ging.
Mit seinem Enkel Davy Chou bemüht sich nun ein Vertreter der jungen Generation um das kambodschanische Kino, der allein mit seiner Biografie die besten Voraussetzungen mitbringt.


Den Anfang machte 2011 die Dokumentation „Golden Slumbers“, die sich dezidiert diesem geschichtlichen Thema widmete. Chous erster Spielfilm, der in diesem Jahr in Cannes die „Semaine de la Critique“ eröffnete,  mutet mit Laiendarstellern und lose montierten Szenen ebenfalls dokumentarisch an.


„Diamond Island“ ist ein milliardenschweres Neubaugebiet auf einer dem Festland vorgelegten Insel. Einst standen dort ärmliche Häuser, jetzt entstehen hier Luxuswohnungen.


Im Fokus stehen Saisonarbeiter, die vom Lande nach Phnom Penh kommen, um für bescheidene Löhne diese Immobilien zu errichten. Einer dieser fast noch infantilen jungen Männer, die in schäbigen Containersiedlungen hausen und denen die harte Arbeit noch nicht ihren Übermut genommen hat, ist der 18-jährige Bora, der seine schwer kranke Mutter zurücklassen musste.


Von dem pulsierenden Leben in der Hauptstadt ist er abgeschnitten, ergibt doch der Weg von Diamond Island über die Brücke ins Zentrum keinen Sinn, wenn man nur 150 Dollar in der Tasche hat. Also hängt er nach der Arbeit auf der Straße mit seinen Kumpels ab, die den Kontakt zu hübschen, jungen Frauen suchen.


Die lassen sich allerdings mit schicken Handys und Motorrädern mehr beeindrucken als mit coolen Sprüchen. Bora hat Glück, sein verschollener, auf mysteriöse Weise zu Reichtum gekommener älterer Bruder, den er eines Abends mitsamt seiner feschen Freundin unverhofft wieder trifft, leiht ihm sein Moped. Prompt findet Bora Anklang bei einer heiß Umworbenen und erweckt den Neid der übrigen Clique.


An solchen alltäglichen, unspektakulären Beobachtungen zeigt sich drastisch die große Kluft zwischen Arm und Reich und die Situation einer Generation zwischen familiärer Bindung und Aufbruch. Und so wie Chou Orte poetisch und wirkungsvoll ins Licht setzt, kommt auch die Filmkunst nicht zu kurz. Am schönsten ist eine nächtliche Impression mit dicken, kristallin funkelnden Schneeflocken. Das passt irgendwie zu einem Ort namens „Diamond Island“.