Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Februar, Teil 3

Filmheft und James Schamus

New York (Weltexpresso) - Um Philip Roths Vision von 1951 umzusetzen, mussten die Filmemacher die Welt von damals von Grund auf verstehen. „James ist in erster Linie Wissenschaftler und Universitätsprofessor, demnach ist ihm Recherche extrem wichtig und eine selbstverständliche Angewohnheit“, merkt Szenenbildnerin Inbal Weinberg an.

„Er ging sehr systematisch und sorgfältig mit allen Details dieser Epoche um, was uns wiederum dazu brachte, genauer hinzusehen, wie die Leute in den 1950er Jahren gelebt haben.“ Im Vorfeld der Dreharbeiten erstellte das Team ein riesiges historisches Archiv, in dem nahezu jeder Lebensaspekt, der im Film auftaucht, detailliert beschrieben war. Das reichte vom Kleidungsstil der Menschen bis hin zu der Frage, was in einem französischen Restaurant damals auf der Karte stand.

„Für das Winesburg College haben wir viele College-Archive durchforstet und Fotos von Klassenräumen, Innenhöfen und Schlafsälen aus der damaligen Zeit gefunden“, erinnert sich Weinberg. „Wir haben auf Ebay Jahrbücher und persönliche Sammelalben aus den 1950ern Jahren gekauft und sie wie unsere Bibel behandelt. Sie haben uns ermöglicht, die Gesellschaftsordnung, den Look und die Mode dieser Zeit zu verstehen. Außerdem dienten uns die damals verwendeten Schriftarten und Grafiken als Vorlagen für College-Poster, Flugblätter und Broschüren, die wir für den Film entwerfen mussten.“
Für Newark ließen sich die Filmemacher sowohl von Roths literarischer Arbeit, als auch den historischen Archiven inspirieren, und haben jedes Detail – von der Kunst des koscheren Schlachtens bis hin zu den damaligen Fleischpreisen – erfasst und begutachtet. „Eine der lebhaftesten Diskussionen hatten wir über einen Brotaufstrich“, erinnert sich Weinberg. „Und ich selbst musste in die Geschichte des Wackelpuddings eintauchen und die schwierige Frage klären, ob er als koscher galt oder nicht.“


(Die Antwort war übrigens: „Kommt drauf an.“ Aber schließlich entdeckte man eine Werbung für einen hebräischen Wackelpudding aus jener Zeit, und zusammen mit der Wackelpudding-Diskussion in Roths Roman „Portnoys Beschwerden“ war das Beweis genug, dass er aufgetischt werden darf.)

Die umfangreiche Recherche von Kostümbildnerin Amy Roth über den Kleidungsstil der College-Kids und der jüdischen Gemeinschaft in Newark erlaubte ihr einen neuen Einblick in die Geschichte der Mode. Sie wälzte alte Modemagazine wie „Seventeen“ oder „Bazaar“ und wühlte in Archiven nach Bildern, um genau zu verstehen, wie Karo- und Blumenmuster damals eingesetzt wurden. Zudem streifte sie durch alte Häuser, stets auf der Suche nach Kostümen für männliche und weibliche Studenten. „Die Mädchen trugen damals Röcke und Blusen, die am Rücken zugeknöpft wurden. Die Jungs trugen Hemden, Krawatten und wunderschöne geschneiderte Jacken“, erinnert sich Roth.

„Die Mode von damals war sehr inspirierend. Als ich all diese Details und die Kunstfertigkeit gesehen habe, war ich schon erstaunt, wie gut die Leute gekleidet waren.“ Roth versuchte daher, mit ihren Kostümen die Figuren und die Geschichte zu unterstützen. Mit Blick auf eine andere Philip Roth-Geschichte kleidete die Kostümbildnerin Logan dergestalt, dass sich sowohl seine Naivität, als auch sein Erfolgswille erkennen lassen. „Wenn wir Logan das erste Mal als Marcus sehen, wie er auf dem College-Campus mit seinem Koffer in der Hand herumsteht, erscheint er etwas overdressed“, erklärt Roth. „Seine Schuhe passen nicht zu seinem Look. Sie sind brandneu, strahlend weiß und stechen aus seinem nagelneuen Anzug hervor.“


Doch es galt nicht nur den College-Look von Winsburg einzufangen, Szenenbild und Kostüm mussten auch die 1950er Jahre in Newark zum Leben erwecken. „Es sind nicht nur die Kostüme, die etwas bewirken“, erklärt Linda Emond, die Marcus’ Mutter Esther spielt. „Auch Haare, Make-Up und das Set, an dem wir arbeiten, versetzen dich in eine andere Zeit.“ Danny Burstein, der Marcus’ Vater Max spielt, hat sich zwar mit intensiver Lektüre und Besuchen in Fleischereien auf seine Rolle vorbereitet, aber er hat es auch Kostümbildnerin Amy Roth zu verdanken, dass er im Jahr 1951 gelandet ist. Burstein erinnert sich an seine Zeit am Set: „Ich fühlte mich wie ich selbst, aber dann sah ich in den Spiegel und dachte ‚Heiliger Bimbam, wer um alles in der Welt ist das?‘ Das war eine ziemliche Veränderung.“


Während ein Großteil der umfangreichen Recherchen des Produktionsteams deutlich auf der Leinwand zu sehen ist, tauchen manche Dinge eher auf eine komplexe und subtile Art auf. So ist beispielsweise Olivias Handschrift, als sie einen Brief an Marcus schreibt, der Handschrift von Sylvia Plath nachempfunden. Umgekehrt erinnern die handschriftlichen Zeilen von Marcus an das Gekrakel von Soldaten, die aus dem Korea-Krieg nach Hause geschrieben haben. Sogar etwas an sich so harmloses wie eine Schallplatte unterstreicht hier die komplizierte geopolitische Situation jener Zeit: Als Marcus’ Mitbewohner Flusser eine Schallplatte von Paul Robeson auflegt, auf der er „Chee Lai“ singt, sticht er damit in ein revolutionäres Wespennest. Robeson hat das Lied, das auch unter dem Namen „Der Marsch der Freiwilligen“ bekannt ist, 1941 sowohl in Englisch, als auch Chinesisch aufgenommen. Und wäre das Lied nicht acht Jahre später zur Nationalhymne der Volksrepublik China erkoren worden, es wäre ohne Zweifel eine Durchhaltehymne der chinesischen Streitkräfte auf der anderen Seite des Korea-Krieges gewesen. Und tatsächlich entstammt Roths Romantitel „Empörung“ einer zeitgenössischen Übersetzung des Liedes.

 

Foto: Philip Roths Elternhaus in Newark, NJ. (Quelle: https://de.pinterest.com/pin/474144666989107456)

 

Info:

DIE BESETZUNG


Marcus Messner     LOGAN LERMAN
Olivia Hutton         SARAH GADON
Dean Caudwell      TRACY LETTS
Esther Messner      LINDA EMOND

Max Messner          DANNY BURSTEIN
Bertram Flusser      BEN ROSENFIELD
Sonny Cottler        PICO ALEXANDER
Ron Foxman          PHILIP ETTINGER
Marty Ziegler         NOAH ROBBINS