k pfingstenEin guter Anlaß, zwischen Religion und Kultur zu unterscheiden, Teil 1/3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Dieser herrliche Spruch für und von Kindern aus Bertolt Brechts EIN KINDERBUCH lautet im Ganzen: "Pfingsten, sind die Geschenke am geringsten, während Ostern, Geburtstag und Weihnachten was einbrachten.“

Für Kinder sind diese christlichen Feiertage umgewidmet in Anlässe fürs Beschenktwerden ...und für Erwachsene auch. Denn die nehmen gerne den meist nur in Deutschland zu den christlichen Hauptfesten hinzugegebenen freien Montag oder zweiten Weihnachtsfeiertag mit. Von den vielen anderen christlichen Feiertagen, die arbeitsfrei sind, ganz zu schweigen. Die sind zwar aus Anlaß des Innehaltens vom täglichen Getriebe entstanden und werden von den Kirchen auch durch besondere Messe geheiligt, aber im Allgemeinen werden sie als freie Tage für fest Beschäftigte und als schulfrei für Schüler, Studenten und Auszubildende wahrgenommen. Was täten wir ohne sie?

Und wenn man dann noch die Sonntage hinzunimmt, ganze 52 im Jahr, die – hoffentlich noch lange – vor bestimmten Arbeiten geschützt sind und im christlichen Sinne kyriake hemera, also Tag des Herrn bedeuten, dann sieht man, was die christlichen Kirchen der heutigen arbeitenden und lernenden Gesellschaft beschert haben: einen wöchentlich freien Tag. Und die Älteren erinnern sich noch, daß der Samstag bis in die 60er Jahre ein fester Arbeitstag war, erst ein halbtägiger, bis er ganz wegfiel in Fabriken, Büros, Verwaltungen und Schulen – und nur im Handel ein Arbeitstag blieb, zum Einkaufen für die übrigen.


„Gott sei Dank, es ist Sonntag“ ( Spruchband an einer Kirche)

Der Sonntag geht auf das Alte Testament in  2. Mose 34,1-28 zurück „Sechs Tage sollst du arbeiten, aber am siebten Tag sollst du ruhen; <auch> in der Zeit des Pflügens und in der Ernte sollst du ruhen.“ Es war also klar, erst die Arbeit, dann das Spiel, dann die freie Zeit, die aber nicht frei war, sondern nur von alltäglicher Arbeit frei und der Tag war, an dem des Herrn gedacht wurde. Und das war natürlich der jüdische Sabbat/Schabbat, den auch die frühen Judenchristen in Ex.20,8-11 als Ruhe- und Friedenstag festlegten: „Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.“

Interessant dann auch die Umwidmung des Sonntags als erstem oder letztem Tag der Woche. Im Ursprung war er Belohnung für die arbeitsreiche Woche für Gott und Mensch. Aber heute ist der Sonntag in der überwiegenden Anzahl der Länder mit christlicher Kultur der erste Tag der Woche, als der Tag, wo im Gottesdienst die Eucharistie gefeiert wird, Tod und Auferstehung Christi am „ersten Tag der Woche“, Mt 28,1. Wir wissen es nicht, schließen aber aus der Entstehung des Christentums aus dem Judentum, daß die Zählung übernommen wurde, daß mit dem Ende der Woche mit dem siebten Tag des Schabbat, also Samstagabend, der Folgetag der erste Tag der neuen Woche ist: heute der Sonntag.

Grundsätzlich besitzen alle Völker übersinnliche Rituale und alle Religionen wiederum besitzen zeitliche Zäsuren, Tage, die sich von einander im Ablauf unterscheiden und die spezielle Funktionen haben. Für die griechisch-römische Antike war dies erst einmal eine Unterteilung des Jahres in ihren periodischen Festen, wie ja auch die hohen christlichen Feiertage den Jahresverlauf gliedern. Was aber die Wocheneinteilung angeht, war sie im frühen Römischen oft im 8-Tage-Rhythmus oder bei den Griechen sogar als Dekade im Zehnerschritt üblich. Demgegenüber setzte sich dann die ursprünglich babylonische und auch jüdische 7-Tage-Woche durch. Und eben auch die griechische und römische sprachliche Bezeichnung des ersten Tages der Woche als hemera heliou oder dies solis. Schon mit Kaiser Konstantin wurde ab 321 n.Chr. gesetzlich die Arbeits- und Gerichtsfreiheit des Sonntag festgeschrieben. Nur nebenbei, aber schon interessant: Seit dem 4. Jahrhundert, wo die Germanen diese Wocheneinteilung übernahmen, heißt dieser Tag im germanischen Sprachgebrauch SONNTAG oder SUNDAY, während die romanischen Sprachen den kirchenlateinischen Begriff DOMINICA DIES als Tag des Herrn übernahmen, DIMANCHE im Französischen und DOMINGO im Spanischen.

„Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“, hieß es erst in der Weimarer Reichsverfassung in Art. 139 im Jahr 1919, was das Grundgesetz von 1949 als „Bestandteil dieses Grundgesetzes“ beibehielt. Die beiden großen christlichen Kirchen äußern sich dazu – gegenwärtig gibt es massive Vorhaben, auch den Sonntag als großen Einkaufstag möglich zu machen – immer wieder. Kardinal Reinhard Marx nennt den Sonntag ein „großes Kulturgut“ und Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, nennt den Schutz des Sonntags wichtig, weil wir die Gestaltung des Lebens immer mehr „der Wirtschaft unterordnen“.

Uns war das wichtig, wieder einmal herzuleiten, daß und wie stark wir Heutigen, ob gläubig oder nicht, aus einer christlichen Kultur stammen. Jeder darf in Deutschland seiner Religion nachgehen, aber jeder, der hier lebt, muß auch verstehen lernen, daß dieses Land wie das gesamte Europa, einst christlichen Abendland geheißen, auf christlicher Kultur aufbaut, hier ihre Wurzeln hat. Vielleicht sollten wir uns dies selbst öfter eingestehen und dafür sorgen, daß diese geschichtlichen Wurzeln deutlich werden. Daß einstmals unsere Gesellschaft von christlichem Glauben und Wissen um die christliche Religion durchdrungen war und nach ihr lebte. Diese Art des verinnerlichten Glaubens war über Jahrhunderte hinweg das wirkungsmächtigste Element unserer menschlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung.

Die deutsche Literatur wäre ohne die Schreibkünste der Mönche nicht weit gekommen und wäre durch die Jahrhunderte ohne Kenntnis des christlichen Glaubens unverständlich, die frühe, die mittelalterliche Musik von Dufay und Machaut oder die ersten Opern - und die Barockmusik sowieso - wären ohne diese Kenntnis weniger herrlich, die Gemäldegalerien und Kunstmuseen wären ohne ein Wissen um die christlichen Geschichten schleierhaft und die Kirchen wären nur noch für Gläubige da und nicht auch für die, die christliche Kultgegenstände nur als Kunst schätzen und zu verstehen gelernt haben. Das wäre fürwahr ein armes Leben in einem armen Land.

Fortsetzung folgt.