a mekhennet deutscherfernsehpreisa maybrittillner1noz.deSouad Mekhennet erhält den durch Maybrit Illner zugesprochenen Ludwig-Börne-Preis 2018

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das "Endlich! "bezieht sich mitnichten auf die Preisträgerin persönlich. Obwohl wir die Auswahl sehr gut finden. Das "Endlich!" bezieht sich darauf, daß das gegenseitge Preisezuschieben um den Ludwig-Börne-Preis hier ein Ende hat. Denn die ganzen letzten Jahre erlebten wir, daß Preisrichter genau die Männlein (fast alle)) und Weiblein (kaum) zu Preisträgern machten, die sowieso schon vielerorts Preise erhalten hatten, überall publizieren können und einfach in keiner Weise dem entsprechen, was Ludwig Börne zum Journalisten mit geschliffener und politischer Sprache gegen die Mächtigen ausmachte.  
Natürlich möchte man keinen der Preisträger verunglimpfen, aber zu sagen, sie haben es auch im normalen bürgerlichen Leben zu Reputation gebracht, stimmt einfach allzusehr. Die letzte Preisträgerin, die noch so etwas wie Wirbel und eine geharnischte, ja abfällige Kritik durch die FAZ erfuhr, war Daniela Dahn. Diese Unbeugsame wurde als Journalistin in der DDR eingesperrt, in der die DDR einverleibenden Bundesrepublik Deutschland durfte sie zwar veröffentlichen, tatsächlich gibt es ihre Bücher im Rowohlt Verlag, aber mit ihrer Kapitalismuskritik und vorallem der Kritik daran, wie das alte Westdeutschland die DDR übernommen hat, errang sie hierzulande keine Lorbeeren.

Als Daniela Dahn 2004 in der Paulskirche in einer mit nachweisbaren Zahlen gespickten Dankesrede Tacheles redete, daß hauptsächlich Westdeutsche den Grundbesitz in der DDR aufgekauft haben, erntete sie in der FAZ eine derartige Häme, die mir  noch heute persönlich peinlich ist. Und wie! Nun hätte auch kein ehemaliger Westdeutscher Daniela Dahn ausgewählt, denn - und das ist jetzt sehr wichtig - die Grundlage des Preises ist einmal keine Jury, denen nachgesagt wird, daß im Proporzdenken die Mehrheitsentscheidung immer Richtung Mittelmaß, weil Stimmen von allen Seiten, geht, sondern ein Preisrichter, der von der Ludwig Börne Stifutung erwählt wird. Diese Einzelperson kann dann wirklich schalten und walten und ohne Einschränkungen eine Person auswählen.

In der Vergangenheit wurde das, wie gesagt, ein Hin- und Hergeschiebe. Das fing schon vor 25 Jahren mit Reich-Ranicki an, der als Preisrichter erwählt, Joachim Kaiser zum ersten Preisträger machte. Daran ist nicht Kritik zu üben, war der inzwischen verstorbene Joachim Kaiser doch kein glatter Kulturkritiker, sondern einer, der seine Auswahlkriterien offenlegte und seine doch deutlich konservative Grundhaltung mit außerordentlichem Einsatz für die Musik der Moderne verband, eben kein stromlinienförmiger Typ, sondern einer mit Charakter, der sein Schreiben immer als Aufklärung verstand. Doch sein Laudator - die Preisrichter halten dann bei der Verleihung des Preises die Rede auf den von ihnen Erwählten - wurde zwei Jahre später dann selber ausgewählt, erhielt also den Ludwig-Börne-Preis, wozu dann im Jahr 2010 eine erneute Berücksichtigung in Form einer Ehrenmedaille kam. 

Bildschirmfoto 2018 02 06 um 22.23.25Überblickt man also in diesen 26 Jahren die Namen der Preisrichter und die der Preisträger, so haben meist dieselben erst das eine oder dann das andere Amt innegehabt. Diese Zirkulation haben wir in den vergangenen Jahren kritisiert. Nachdrücklich. Und deutlich. Und sie beginnt bei der Auswahl der Preisrichter. Vielleicht sollte man sogar festlegen, daß ein durch die Stiftung ausgewählter Preisrichter niemals selber später Preisträger werden kann. Auf jeden Fall muß man auf diesem Hintergrund im Fall der Daniela Dahn doch nachfragen, wer ihr denn den Preis zugesprochen hatte? Das muß man wirklich. Kein Geringerer als Jorge Semprun war es, der die Ostdeutsche Daniela Dahn auswählte, weil er als Kosmopolit nämlich ihre journalistische Qualität einschätzen konnte, was die gesamte westdeutsch literarische und Kulturschickeria nicht konnte, weil sie sie überhaupt nicht zur Kenntnis nahm. Wer Jorge Semprun überhaupt war? Auch er ist ja leider tot. Er war und bleibt eine der Lichtgestalten der jüngsten Verangenheit. Als Federico Sanchez überlebte der geborene Spanier in Frankreich die Franco-Diktatur, wobei er als Botengänger immer wieder sich in Spanien aufhielt, aber von seinen Genossen erfolgreich geschützt wurde. Jorge Semprun wurde dann der erste Kultusminister im Nach-Franco-Spanien. Für die Deutschen hat Jorge Semprun, der nach Buchenwald verschleppt wurde, das KZ jedoch überlebte, noch einmal eine ganz besondere Bedeutung. Er liebte die deutsche Sprache, die deutsche Dichtung, die deutsche Kultur. Sein Buch WAS FÜR EIN SCHÖNER SONNTAG!, bei Suhrkamp erschienen, gibt von Buchenwald und den Deutschen Zeugnis.

Diese Rückerinnerung mußte jetzt einfach sein, weil zu hoffen ist, daß in diesem Jahr die einstige Widerständigkeit, die den Preis ausgezeichnet hatte, wiederbelebt wird. "Die Ludwig-Börne-Stiftung, die also mit ihrem Preis hervorragende Leistungen im Bereich Essay, Kritik und Reportage ehrt, hat die Fernsehmoderatorin  Maybrit Illner zur Preisrichterin gewählt. Diese nun hat der für die „Washington Post“ tätigen Journalistin Sc den Börne-Preis 2018 zuerkannt."

Wie Illner in ihrer Begründung schreibt,“vereint Mekhennet grossen Mut, klaren Verstand und echte Leidenschaft. Aus dem Frankfurter Gastarbeiterkind wurde so eine investigative Reporterin von internationalem Ruhm. Diskriminierung, Arroganz und Heuchelei machen sie genauso zornig wie einst Ludwig Börne“.

Das stimmt. Aber es ist schon eigentümlich, daß Souad Mekhennet, die 1978 in Frankfurt am Main geboren ist, hier in der Kurzwürdigung durch die Stiftung mit der "Washington Post" assoziiert wird und nicht mit ihren Beiträgen in deutschen Zeitungen, seien es die FAZ oder die Rundschau oder auch ihre Bücher. Auf jeden Fall ist sie eine umtriebige und die Schwierigkeiten nicht scheuende deutsche Journalistin und Sachbuchautorin mit türkisch-marokkanischen Wurzeln. Nach dem 11. September 2001 berichtete sie immer mehr über die Konflikte in Europa, Nordafrika und im Nahen Osten.

Sie ist in den 26 Jahren des Preises (2000 wurde er nicht verliehen) tatsächlich erst die vierte Frau von den 25 Preisträgern. Überblickt man dann noch einmal die 25 Preisrichter, nimmt man erstaunt zur Kenntnis, daß durch die Stiftung immerhin fünf Frauen zu Preisrichterinnen erwählt wurden. Natürlich sind fünf Frauen auch zu wenig, vor allem war die letzte Preisrichterin schon vor 9 Jahren, 2009, bestimmt worden. Es war Necla Keklak, die als auch in der FAZ publizierend den damaligen Chefredakteur Frank Schirrmacher auslas. Nun war der inzwischen - auch und jung - verstorbene Schirrmacher ein eigenwiller und Vollblutjournalist, aber seinen eigenen Chef auszuwählen, ist nun mal nicht besonders mutig, sondern...eine Qualifizierung wollen wir uns hier ersparen.

Überlickt man die Preisrichter weiter, was man durch die entsprechende Webseite - siehe unten - leicht kann, dann sieht man, daß nur zwei der fünf Preisrichterinnen Frauen als Preisträger auswählten. Das war im 2. Jahr des Preises, also 1994, Monika Maron, die Marie Louise Scherrer ausgewählt hatte, und jetzt, im Jahr 2018 Maybrit Illner, die Souad Mekhennet auswählte. Die anderen drei Preisrichterinnen wählten Männer und wären nicht 2004 der erwähnte Jorge Semprun und im Jahr 2008 nicht Harald Schmidt gewesen, der Alice Schwarzer den Preis zusprach, wäre der Frauenanteil noch geringer. 

Es müßte also die Ludwig-Börne-Stiftung sich dringend die Auswahl ihrer Preisrichter besser überlegen. Die Angepaßteren sind in ihrer Auswahl ziemlich einschätzbar, die zukünftigen Preisgräger als vorhersehbar. Dabei geht es, wie hier aufgeführt, sehr deutlich auch um Frauen im deutschen Journalismus und solche Frauen, die auch andere Frauen öffentlich zu Wort kommen lassen. Denn wie man sieht, scheuen sich Frauen ja eher, eine andere Frau auszuwählen. Noch einmal: von vier Preisrichterinnen haben nur zwei jeweils Frauen als Preisträgerinnen bestimmt. Von 20 männlichen Preisrichtern haben nur 2 (!!) eine Frau  zur Preisträgerin gewählt. Erbärmlich. 

Wenn die Stiftung nun mitteilt: "Der im Jahre 1993 erstmals vergebene Ludwig-Börne-Preis ist mit 20.000 Euro Preisgeld einer der höchst dotierten Literaturpreise der deutschsprachigen Länder. Zu den bisherigen Preisträgern zählen u.a. Marcel Reich-Ranicki, Rudolf Augstein, Hans Magnus Enzensberger, Frank Schirrmacher, Joachim Gauck, Alice Schwarzer und im letzten Jahr Rüdiger Safranski. Er erinnert an den Schriftsteller und Journalisten Ludwig Börne, der wegen seiner scharfzüngigen Prosa als einer der Erfinder des Feuilletons gilt. Der Preis wird im Rahmen einer Feierstunde am 27. Mai in der Frankfurter Paulskirche überreicht.", dann ist schon die hier vorgenommene Auswahl der Preisträger bezeichnend. Außer Rüdiger Safranski, den letztjährigen Preisträger, sind alle anderen preisvergaben der hier Aufgeführten schon einige Jahre her. Nach zehn Jahren dieses Jahr zum ersten Mal wieder eine weibliche Journalistin als Preisträgerin zu haben, ist überfällig gewesen, aber strukturell einfach bedenklich. Das wollten wir anmahnen. 

Schließlich zeigt schon das auf der Webseite der Stiftung niedergeschriebene Zitat von Ludwig Börne in die gleiche Richtung: “Als Gott die Welt erschuf, da schuf er den Mann und das Weib, nicht Herrn und Knecht, nicht Juden und Christen, nicht Arme und Reiche”. Endlich geht der Preis wieder in die richtige Richtung. 

Kommentar:
Vielleicht hilft der Preis ja auch dem wichtigen Buch von Souad Mekhennet, das sie mit einem Ko-Autor veröffentlichte, nachdem sie 2009 in Kairo tatsächlich den überall , vor allem in Südamerika gesuchten NS-Arzt Aribert Heim, als dorthin geflohen und bis 1992 überlebend, recherchiert hatte. Souad Mekhennet, Nicholas Kulish: Dr. Tod – Die lange Jagd nach dem meistgesuchten NS-Verbrecher, C.H.Beck, München 2015
Der SS-Arzt Heim, den man Doktor Tod nannte oder auch den 'Schlächter von Mauthausen', kann man auch erkennen in Ingeborg Bachmanns DER FALL FRANZA, dem ersten Teil des Zyklus TODESARTEN, wo ein NS-Arzt in Jordanien und Äypten auftaucht. 

Fotos: 
in der Reihefolge
Souad Mekhennet © deutscher-fernsehpreis.de
Maybrit Illner © noz.de
Ludwig Börne, Ausschnitt aus dem Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim © ludwig-boerne-stiftung.de

Info: 
Ludwig Börne
Der Schriftsteller Ludwig Börne, eigentlich als Löb Baruch in der Frankfurter Judengasse am 6. Mai des Jahres 1786 geboren und am 12. Dezember 1837 in Paris verstorben, studierte Medizin, später Staatswissenschaften und wurde 1811 im Großherzogtum Frankfurt Polizeiaktuar. Im Jahre 1813 wurde er entlassen, weil er Jude war. 1817 trat er zum Christentum über und nannte sich Ludwig Börne.

Seine Publizistik wandte sich gegen die politische und kulturelle Reaktion. Nach dem Verbot seiner Zeitschrift „Die Zeitschwingen" gab er 1818 „Die Wage, Blätter für Bürgerleben, Wissenschaft und Kultur" heraus. Seine radikaloppositionelle Kritik verbarg er hinter Humor und poetischen Fiktionen. Nach der Julirevolution zog er nach Paris. Seine polemisch-witzigen Schriften hatten großen Einfluss auf den feuilletonistischen Stil seiner Zeit.

http://boerne-stiftung.de/ludwig-boerne-preis.html