Mary Roos und Wolfgang Trepper auf Abschiedstournee
Hanswerner Kruse
Fulda (Weltexpresso) - Man glaubt es nicht! Die ältere Schlagersängerin und ein etwas jüngerer, motziger Kabarettist treten gemeinsam in der Esperantohalle auf. Tatsächlich unterhalten, ja euphorisieren Mary Roos (75) und Wolfgang Trepper (63) ihr Publikum länger als zwei Stunden.
Mit einer polnischen Rockband singt Mary Roos ihre Hits, etwa „Aufrecht geh‘n“, mit immer noch klarer eindringlicher Stimme. Später interpretiert sie fremde Songs: „Marmor, Stein und Eisen bricht“ oder „99 Luftballons“. Obwohl der Komiker lustvoll den alten weißen Mann gibt, der Schlager abfällig verreißt, schätzt er die Lieder der Sängerin. Aber das wird erst später klar, zunächst legt er es drauf an, dass ihn die Leute nach kurzer Zeit hassen.
Für Trepper überlebte die alte Dame noch die Dinosaurier, war sie die Helene Fischer der Bronzezeit und besitzt die Rentennummer eins. Doch die Primadonna kontert: „Wenn man den kennt, freut man sich über jeden netten Menschen.“ Allerdings tauschen die beiden nicht nur Bissigkeiten aus, immer wieder zelebriert der Comedian eigene intelligente Bosheiten. Bei einem Arztbesuch werde „eine Frau dazwischengeschoben“, erzählt er. „Oh, das klingt ja wie ein Rammstein-Stück“, fällt ihm auf, „aber wer weiß hier schon, wer Rammstein ist?“ Dieser Satz bleibe jedenfalls solange im Programm, „bis Alice Schwarzer in der ersten Reihe sitzt.“
Zwischen den Melodien der Roos nimmt er aktuelle TV-Programme auseinander, meint aber, „die waren früher schon gruselig“ und taucht tief in die Historie des Fernsehens ein. „Die Jungen müssen jetzt mal kurz rausgehen“, fordert er oft und macht scharfzüngig Wim Thoelke oder Florian Silbereisen runter. Ebenso springt er mit den auf Deutsch trällernden Schlagerstars und ihren Texten um.
Roos singt über starke, toughe Frauen, auch den Gitte-Hænning-Song: „So schön kann doch kein Mann sein, dass ich ihm lange nachwein′.“ Vorher fragt Trepper aber die Frau vom Roten Kreuz im Saal, ob „die Alte“ überhaupt noch auftreten könne. Seine Galligkeit ist so übertrieben, die Scharmützel mit der Sängerin sind so aufgeblasen, dass diese Form von Bosheit sich selbst als Comedy entlarvt.
Die Ruchlosigkeit ist reine Show und sehr unterhaltsam, obwohl er verkündet: „Ich habe es gerne, wenn mir der Hass entgegenschlägt. Dann komme ich auf Betriebstemperatur.“. Hier kann nur ein winziger Bruchteil der Gags, Slapsticks und Niederträchtigkeiten angedeutet werden, die das Publikum erlebte.
Die Kommunikation ist sehr intensiv, gerne singen die Leute alte Songs wie Ricky Shaynes „Oh Mamy Blue“ mit. „Das könnt ihr noch 64-mal singen, von Hochstift kann man gar nicht so besoffen sein, dass man diesen Text vergisst.“ Er fühle sich wie im Gottesdienst als Vorsänger und die Gemeinde antworte, meint Trepper. Dann kündigt er die etwas rundliche Sängerin im Glitzerkleid an: „Gleich kommt die Discokugel.“ Und die singt ihr Lied: „Wenn ich du wäre / wär‘ ich bei mir geblieben.“
Seit zehn Jahren sind die beiden zusammengeblieben und inszenieren ihre wohl einzigartige Tournee: „Mehr Nutten, mehr Koks - scheiss auf die Erdbeeren“. Dieser aberwitzige Titel gehe auf Heino zurück, der das immer backstage für seine Auftritte fordere - behauptet allen Ernstes das Duo. Das letzte Lied ist „Leb‘ dein Leben“, doch so schnell kommen die beiden nicht davon. Während die Roos Zugaben singt, prostet der Comedian dem Saal mit etlichen Gläsern Jägermeister zu.
Fotos:
© Hanswerner Kruse
