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Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Adlerwerke (ehemals Heinrich Kleyer AG) wurden 1880 in Frankfurt am Main gegründet. Als bedeutender Hersteller in der Fahrradindustrie spielte das Unternehmen eine zentrale Rolle in der Entwicklung und Verbreitung von Fahrrädern im Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik.
Der Weg zur Firmengründung durch Heinrich Kleyer: der Werdegang des Gründers
Heinrich Kleyer wurde 1853 als fünftes Kind des Mechanikers Wilhelm Kleyer (1822 –1879) und dessen Ehefrau Sophie geb. Hohn (1823–1869) in Darmstadt geboren. Nach seinem Studium an der dortigen Technischen Hochschule, sammelte Kleyer seine ersten Berufserfahrungen in einer Frankfurter Eisenwaren- und Maschinengesellschaft, in einem Siegener Walzwerk und schließlich bei der Maschinen-Import-Firma Biernatzki & Co. in Hamburg. Ein Studienaufenthalt führte ihn 1879 nach Boston in die USA, wo er in der Fahrradfabrik Sturtevant arbeitete und im amerikanischen Patentamt wertvolle Einblicke in aktuelle Konstruktionsunterlagen erhielt. Aus Chicago brachte er sein Interesse rund um das neue Verkehrsmittel Fahrrad mit.
Das Fahrrad als Fortbewegungsmittel
Begeisterung und Geschäft
Zurück in Deutschland gründete der technikbegeisterte Heinrich Kleyer am 1. März 1880 in der Bethmannstraße in Frankfurt am Main eine Maschinenhandlung mit einer Fahrradabteilung. Zunächst verkaufte er importierte englische Hochräder, deren Technik und Konstruktion ihn offenbar faszinierten. Doch schon ein Jahr nach Eröffnung baute die Maschinenfabrik Spohr und Krämer Hochräder nach Zeichnungen und Patenten Heinrich Kleyers.
Aus der 1880 etablierten Heinrich Kleyer GmbH ging später die Aktiengesellschaft Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer AG hervor. Der gut florierende Fahrradhandel wurde 1885 in die Frankfurter Gutleutstraße ausgelagert. Zum Geschäft gehörte ein großer Übungssaal, in dem das Fahren und der Umgang mit Fahrrädern trainiert werden konnte. Um die Popularität des Fahrrads zu steigern, gründete Heinrich Kleyer 1881 einen der ersten deutschen Fahrradclubs, den Frankfurter Bicycle Club.
Aufstieg zur Weltfirma
Heinrich Kleyer stellte seine Fahrräder nicht nur auf Messen und Ausstellungen in Europa aus. Er präsentierte sie auch in den Vereinigten Staaten, wo seine Produkte auf der Weltausstellung in Chicago 1893 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurden. Seine Begeisterung wurde offenbar nicht nur durch technisches Interesse, sondern auch durch sportlichen Ehrgeiz befeuert. Bereits 1894 belegte Heinrich Kleyer bei einem Dreiradrennen in Leipzig den zweiten Platz.
Auch Michael Herty aus Steinheim bei Hanau hatte bei diesem Rennen Erfolg auf einem Rad aus Kleyers Produktion. Nach seiner Karriere im Radrennsport betrieb Herty eine Vertretung für Adler-Produkte.
Umzug in das neue Produktionsgebäude im Gallusviertel
Die ersten modernen Niederräder wurden schon 1886 unter dem Markennamen Adler hergestellt. Für die Ausweitung der Produktion und um die Ausführung staatlicher Großaufträge zu gewährleisten, ließ Kleyer auf 18.000 Quadratmetern eine Fabrik im Frankfurter Gallusviertel errichten.
Die Frankfurter Traditionsfirma schrieb Industriegeschichte. Bis in die 1930er Jahre wuchs die Produktpalette weit über Fahrräder hinaus. Zudem spielte das Unternehmen eine bedeutende Rolle als Arbeitgeber für die Stadt Frankfurt am Main und beschäftigte bereits in den 1920ern rund 10.000 Angestellte.
Entwicklung und technischer Fortschritt
Um die Jahrhundertwende stellte die Firma Adler ein Fahrrad mit Kardangetriebe her. Das Modell Adler Kettenlos wurde zunächst mit einem amerikanischen Winkelgetriebe (Sager) ausgestattet. Dieses wurde in den Folgejahren durch ein Kegelradgetriebe ersetzt. Als erste Firma in Deutschland statteten die Adlerwerke Fahrräder serienmäßig mit Luftreifen aus und beteiligten sich an der Gründung der Dunlop Pneumatic Tyre GmbH in Hanau. Die AdlerRäder mit Dunlop-Reifen waren teurer als jene mit Pneus anderer Firmen, was auf Qualitätsunterschiede schließen lässt.
Umwandlung in eine Aktiengesellschaft: Die Adlerwerke
Erweiterung der Produktion: Schreibmaschinen, Motorräder und Autos
Am 1. Juli 1895 erfolgte die Umwandlung des Unternehmens in Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer AG, deren Geschicke Heinrich Kleyer als Aufsichtsratsvorsitzender bis zu seinem Tod 1932 lenkte.
Nahezu zeitgleich mit der Fertigstellung des 100.000. Fahrrads im Jahr 1898 wurde in der Gutleutstraße das erste sogenannte Velodrom eröffnet. Mit dem Jahrhundertwechsel wurde die Adler-Produktpalette um Schreibmaschinen, ab 1901 um Motorräder und ab 1904 um Autos erweitert. Walter Gropius, der Gründer des Bauhauses und Vertreter einer Architektur des industriellen Zeitalters, entwarf für das Unternehmen Karosserien und Bauteile. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts produzierten die Adlerwerke zudem Motoren für verschiedene Fahrzeugtypen und sogar für Luftschiffe.
Adler-Fahrräder: Produktionssteigerung, Modellvielfalt und Werbung
Adler-Fahrräder wurden in zunehmend größeren Stückzahlen und verschiedenen Varianten hergestellt: Tourenräder, Luxusmodelle für Damen und für Herren, Straßen - und Bahnrennräder, Jugendräder, Tandems, Drei-, Vier- und Sechssitzer sowie Transporträder, viele davon in verschiedenen Rahmengrößen. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde noch die englische „Freewheel“-Nabe (Freilauf mit Rücktrittsbremse) eingebaut. Da Kleyer aber ungern Patentgebühren zahlte, wurde eine eigene Freilaufnabe konstruiert und ab 1906 als Adler-Freilauf eingebaut. Auf Adler-Rädern errungene sportliche Erfolge bei Rennen und Meisterschaften nutzte die Firma als Werbung für ihre Produkte. Der Kata log von 1901 listete über 8200 solcher Errungenschaften, und im Katalog von 1905 wurden über 20 verschiedene Modelle angeboten. Der Werbeslogan mit dem sportlichen Appell „Radler, fahr Adler!“ wurde zum geflügelten Wort.
Bis in die 1930er Jahre
Werbeslogans, wie „Adler für den anspruchsvollen Käufer“ vermittelten in den 1930ern Selbstbewusstsein dank fortwährend neuer technischer Entwicklungen und Fertigungsqualität sowie Stolz auf die eigenen Produkte. Ein besonderer Erfolg war das 1934 zuerst von Adler gebaute 3-Gang-Wechselgetriebe im Tretlager. Ebenfalls gut verkauft wurde ein Fahrrad, das mit einem 2-Gang-Getriebe und einem 1 ¼-PS-Sachs-Motor ausgestattet war. Es handelte sich hierbei durchaus um Fahrzeuge für den Alltagsgebrauch.
Fortsetzung folgt
Foto:
Sicherheitsniederrad Hirondelle Modell Superbe, 1888/91 Entwurf: Manufacture Française d’Armes et Cycles Hersteller: Manufacture Française d’Armes et Cycles de Saint-Étienne, Frankreich, c. 1891 Rahmen: Stahl Laufräder: vorne 25,6 Zoll, hinten 29,5 Zoll, vollgummibereift Gewicht: 22,8 kg © Deutsches Fahrradmuseum, Bad Brückenau
Info:
Ort
Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt am Main
Information
T +49 69 212 31286
F +49 69 212 30703
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www.museumangewandtekunst.de
Öffnungszeiten
Mo geschlossen, Di, Do–So 10–18 Uhr, Mi 10–20 Uhr
Eintritt
12 Euro, ermäßigt 6 Euro
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Studierende der Goethe-Universität Frankfurt, der Städelschule
und der HfG Offenbach frei