wpo brasilianerinEin Besuch bei der brasilianisch-deutschen Malerin Leni Vasconcellos

Hannah Wölfel & Hanswerner Kruse

Schlüchtern (Weltexpresso) - Für die Besucher hängt die Malerin Leni Vasconcellos (59) gerne mal einige ihrer Öl-Bilder im Abendlicht an das Scheunentor des Anwesens. Auf einem der Gemälde (Foto) schwebt oder tanzt eine schwarze Frau zwischen zwei Welten. Das düstere, graue-blaue Land scheint sie durch ein Eisentor verlassen zu haben. Vor ihr liegen das Meer und eine rosige Stadt: Vielleicht die Zukunft der Frau? Vielleicht ein falsches Versprechen? Oder metaphorisch Vasconcellos eigene Familiengeschichte?

„Meine Vorfahren waren Sklaven, die aus Afrika von den Portugiesen nach Südamerika verschleppt wurden“, erklärt die Künstlerin. Eine Gänsehaut bereitende Aussage! Sie selbst wuchs in dem südamerikanischen Land auf und kam zum ersten Mal im Alter von 35 Jahren nach Afrika. Hier war sie ausschließlich von völlig schwarzen Menschen umgeben, das war eine ganz neue Erfahrung für sie, „denn in Brasilien ist ja fast jeder gemischt“, sagt sie.

Im alltäglichen Umgang mit den afrikanischen Menschen und in ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit deren Kultur, erkannte Vasconcellos die Quellen religiöser Bräuche in Brasilien und spürte in der Heimat ihrer Ahnen auch die eigenen Wurzeln.

Die Künstlerin wurde in Rio de Janeiro geboren, verbrachte ihre Jugend in Brasilia und wohnte später in vielen Städten des Landes. Ihre Ausbildung als Grafikerin absolvierte sie in einem Verlag in São Paulo, danach arbeitete sie als angestellte oder freie Grafikerin bei diversen Zeitungen. „Das war eine Arbeit wie vom Himmel gefallen: eine Traumarbeit“, schwärmt sie noch heute. Einige bekannte brasilianische Maler ermunterten sie auch zur Arbeit mit Farbe.

1987 traf sie ihren späteren Ehemann Werner Orth aus Schlüchtern. Gemeinsam gingen beide dreimal, jeweils für einige Jahre nach West-Afrika. Für den Deutschen Entwicklungsdienst arbeitete ihr Mann als Angestellter, sie als freie Mitarbeiterin in Kamerun, Togo und Benim. Ziel ihrer Tätigkeit war die Unterstützung zur Selbsthilfe: Der Maschinenschlosser und Sozialpädagoge half unter anderem bei der Entwicklung ländlicher Wasserversorgung (Brunnen, Quellfassungen usw.), die Grafikerin fertigte Materialien für gesundheitliche Aufklärung, Hygieneerziehung und erstellte das Buch „Água de Beber“ (Trinkwasser).

In den Jahren zwischen den Projekten auf dem schwarzen Kontinent lebten beide in Schlüchtern oder Fulda. Die Künstlerin machte verschiedene grafische Weiterbildungen und ein Praktikum im Parzeller Verlag. In der Domstadt pachteten beide ein Jahr lang, nicht ganz zufällig, die Musikkneipe „Desafinado“: Vasconcellos kommt aus einer musikalischen Familie und ist auch Bossa-Nova-Sängerin. Ihre jeweiligen künstlerischen Arbeiten zeigte sie gelegentlich in Osthessen in kleinen Ausstellungen.

Jetzt widmet sie sich ausschließlich der Malerei. Schon in ihren frühen, in und nach Afrika entstandenen strengen Zeichnungen, schien sie zeremonielle Objekte zum Leben zu erwecken und sie sich dadurch anzueignen. Später übernahm sie afrikanisch inspirierte Muster und geometrische Strukturen in ihre Arbeiten. Mit den Öl-Bildern in sanften Farben gestaltet sie nun seit längerer Zeit figurative, aber nicht realistische Kunstwerke: Darin zitiert sie zwar Afrikanisches, jedoch kopiert sie keine Folklore. Durch ihre ganz eigenen und individuellen Gemälde werden eher Atmosphären spürbar: archaische und oft fröhliche Fantasien anderer Lebensweisen.

Doch ihr zu Beginn erwähntes Bild erklärt sie als Statement gegen den wieder - auch in Brasilien - erstarkten Rassismus.

Foto:
© Hanswerner Kruse