Unordentlich angeordnete Kunst und eine Lesung

Volker März las in seiner Ausstellung aus eigenen Texten

Hanswerner Kruse

Kleinsassen/Rhön (Weltexpresso) - Am letzten Sonntag trug der Künstler kritisch-skurrile Erzählungen inmitten seiner Figuren, Bilder und Installationen vor. Wie in vielen  Texte wählte er dazu die Befragungen eines Menschen im Schlamm durch einen Außenstehenden: Was siehst Du? 

In der folgenden, vollständig veröffentlichten Befragung macht März die Kunststation und die eigene Lesung zum Thema.

Lesung und Lösung (c) Volker März

- Was siehst du heute Abend in deinem Schlamm!
Ich sehe und höre eine Lesung in einem Gebäude In dem kreuz und quer sehr unordentlich angeordnete Kunst rumsteht und rumhängt. Das Licht ist gedämpft. Ein einzelner Mensch Menschen versucht mit Worten an einem besonderen Ort, das trotz Pandemie wohl erhaltene Publikum zu erreichen. Das Haus ist eine Art KUNSTSTATION - so nennt es sich - es liegt an einem Hang mit viel Grün außen herum."

- Sind wieder einmal nur Frauen anwesend bei der Lesung?!
Nein, ich sehe auch Männer die leicht vor sich hin dösen.

- Was ist der Inhalt der Lesung? Warum bist du vor Ort?!
Es geht um unsere Rundumwahrheiten, um mich und mein Leben im Schlamm. Es geht um deine Fragen und unsere Antworten und warum ...

Halt! Das kann nicht sein! woher wissen die Leute das? Lesen sie aus einem Buch?!
Nein, der Sprecher, der uns vertritt, hat lose Blätter aus denen er vorträgt und die er nach und nach fallen lässt.

- Woher kennt der Lesende unsere Geschichten!
Es hat sich herumgesprochen - die Zeiten haben sich geändert

- Inwiefern? Du hast das arrangiert?!...!
Nun ...die hier anwesenden Menschen sind jedenfalls bereit alles hinter sich zu lassen um im Schlamm zu leben.

- Wie soll das gehen und was hat das mit der Lesung zu tun?! 
Mit jedem Blatt, dass der Sprecher fallen lässt, versinkt diese KUNSTSTATION mehr und mehr im Schlamm ... wieder sind zwei Blätter heruntergefallen und das gesamte Gebäude um weitere zwei Meter im Schlamm versunken. Schlamm, der sich durch das Vorlesen gebildet hat.

- Das heisst, du bist gar nicht im Schlamm und beobachtest heute die Neuankömmlinge.... Und wie ist die Reaktion der Zuhörer ... ?! 
Wie gesagt, ein paar Männer dösen - sie sind sich ihrer Lage wohl noch nicht so recht bewusst, während ihre Frauen an den Nägel kauen und feuchte Augen haben. Manche Männer haben auch ein Kuscheltier mitgenommen - kleine Stoffesel und Stoffaffen - die rollen sie gedankenverloren in ihren Schlips ein und lassen sie wieder raustrullern. Da!! wieder zwei Meter versunken !!

- Wie lange geht die Lesung noch?!
Sie ist gleich beendet, es liegen nur noch wenige Schriftseiten auf dem Tisch - gerade erzählen er unsere schöne Geschichte vom Marathonlauf.


- Und ... fertig?!
Noch nicht so ganz ... einige wenige im Publikum sind vornehm leise aufgestanden und haben sich jetzt schon ihrer feinen Anzüge entledigt ... sie warten auf den Augenblick ihr Leben an der Oberfläche endlich hinter sich zu lassen - es sind die Wahrheitshungrigsten und komischerweise diejenigen, die vorhin noch zu dösen schienen. 

Vielleicht waren sie überarbeitet? ... oder sie haben ihren ureigensten Gedanken vergessen oder sie sind wildentschlossen alles zu teilen: ihre Geschichte, ihre Zeit, ihren Raum - alles - na da hast du ja die richtigen bei dir im Schlamm ...!

SCHWUPPS - Jetzt ist der gesamte Gebäudekomplex versunken - wie vom Erdboden verschluckt, ein kurz geschnittener homogener Rasen schliesst dort die Oberfläche wo einst die Kunsstation ist mit all ihren aussen herum stehenden Skulpturen stand... - da sich alle einvernehmlich entkleiden jammert eine einzige Frau leise ihren zurückgelassenen Kindern nach!

- Warum hat sie ihre Kinder nicht mitgenommen.!
Wie soll ich das wissen - vermutlich sind sie lieber bei der Oma oder spielen an ihren Iphones - was spielt das für eine Rolle ... DA!!! der große Augenblick ... der Ausgang... die große Eingangs-Flügeltür zur Austellungshalle öffnet sich ... alle sind wie geblendet von der neuen Möglichkeit und treten zögerlich ins Licht - ins Freie - in den Schlamm - die Körper beginnen zu leuchten ... was für eine erhebender Anblick - alle sind freudigst erregt und vibrierend neugierig, ja wirklich hungrig auf das Kommende - sie kosten ihren ersten Schlamm. Ich kann deutlich hören wie ihre Herzen und Seelen rhythmisch beben und miteinander lachen und lachen und lachen.

- Das hast du aber gut gemacht!!
Danke!


Fotos:
© Hanswerner Kruse

Info:
Die Ausstellung von Volker März ist wieder bis zum 12. Juli 2020 geöffnet. 
Kunststation Kleinsassen 
Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 13 - 18 Uhr, sonn- und feiertags 11 - 18 Uhr

Texte zu Volker März vom Verfasser in Weltexpresso:
Ein Gesamtkunstwerker?
Frühjahrsausstellung mit Volker März