„René Magritte. Das Lustprinzip“ in der Albertina in Wien

 

Von Claudia Schulmerich

 

Wien (Weltexpresso) – „Es ist nicht wichtig, ‚wie’ man malt, sondern ‚was’ man malt“, sagt Magritte an einer Ausstellungswand und straft sich Lügen. Halbe Lügen wenigstens. Denn so sehr das „Was“, seine Bildinhalte, den Betrachter irritieren, ist er doch erst das „Wie“, das dann den Schock, den heilsamen Schock vollends auslöst, Bilder nicht nur zu betrachten, sondern sich von ihnen auf eine Reise mitnehmen zu lassen, die assoziativ beginnt, aber neben der Schaulust wie automatisch den Kopf einschaltet und das Denken in Gang setzt.

 

 Und wie das mit dem Denken so ist, kommt man aus dem Denken dann nicht mehr heraus. Dafür sorgen – sicher im Sinne des Malers - perfekt die in der Albertina versammelten über 250 Arbeiten, die zum einen aus aller Welt kommen und zum zweiten aus allen Schaffensperioden gleich mehrfach Werke zeigen. Wenn man hinzufügt, daß davon 150 sehr bekannte, aber auch unbekanntere Gemälde und Papierarbeiten sind, ergibt die Differenz sein berufliches Leben als Werbetexter und Werbefachmann und den Privatmann als begeisterter Filmer, dessen Produkte materiell in den Vitrinen liegen und auf der Leinwand laufen. Da hat er sich wirklich einen Spaß gemacht, der Herr Magritte,  und uns einen mit.

 

Kein Wunder, das mit dem Text. Denn der Zwiespalt, einen Gegenstand ins Bild zu malen und ihm das Wort zu verpassen, das die sprachliche Konvention dafür gefunden hat, aber keine Einheit von Gegenstand, Bild und Benennung erreichen zu können, ist Ausgangspunkt, Zwischenschritt und Endpunkt des Magritteschen Oeuvres. Aber das weiß heute fast jeder. Deshalb lassen wir diese faszinierenden, oft zu sehenden Pfeifen, Äpfel Eier, Kerze, Vogel, Melonen, Felsen, Vorhang und das Meer hier weg und betonen nur, es ist alles da in dieser umfassenden Ausstellung in der Albertina, selbst das Stück Käse, ja, das gelb gemalte auf rotem Grund im Goldrahmen, über dem dann eine Käseglocke den intellektuellen Spaß auch gegenständlich fortsetzt.

 

Der hier gezeigte Magritte, fast alle großen Werke hat die Albertina bekommen, überrascht nämlich durch ein weit größeres Spektrum, als man es allgemein bei Magritte-Ausstellungen vorfindet. Die werden gerne gemacht, denn Magritte zieht, ist lustig und erfreut gerade dadurch, daß man ihn kennt. Wer dies liebt, kommt voll auf seine Kosten, aber das Erstaunliche und Bewundernswerte an dieser Ausstellung, die grundsätzlich von der Tate Liverpool – Noch-Museumsdirektor Christoph Grunenberg wird neuer Chef der Kunsthalle Bremen - in Kooperation mit der Albertina erarbeitet wurde, ist aber die Erkenntnis, daß es doch zahlreichere Bildthemen sind, die den Künstler ein Leben lang beschäftigen und daß er nicht aufhörte, sich weiterzuentwickeln und das Spätwerk – er starb 1976 mit 68 Jahren – erst mit diesen unheimlichen Bäumen im Nachtlicht bei Taghimmel – eine der Sensationen der damaligen Ausstellung in Düsseldorf - und dann den noch unheimlicheren Steinbildern in den allerletzten Jahren, noch einmal einen neuen Magritte bringt.

 

Mal sind es wirklich bildfüllende Steine, den Sisyphos denkt man sich dazu – ja genau, so funktioniert das automatische Denken bei der Schaulust - , mal ist es rüdes rohes Mauerwerk, mal ist überhaupt nicht der Gegenstand das Steinerne, sondern das Gefühl von Erstarrtheit der Welt, das einen bei diesen oft steinfarben monochromen Bildern überkommt. Daß Magritte den Mann als gut angezogene Schablone mit Hut, die Frau dagegen nackt und vielfach der Gewalt unterworfen darstellt, ist auch ein alter Hut, weswegen es uns gut paßt, daß „Die Vergewaltigung“ von 1934, eines der bekanntesten Bilder und aus Houston, hier nicht dabei ist.

 

So können nämlich die irgendwie in Farbe und Form picassoanmutenden „Die gigantischen Tage“ – wo man geradezu kriminalistisches Schauen benötigt, um die Vergewaltigung zu entschlüsseln - genauso auftrumpfen, wie „Die zerstückelte Frau“  und man, besser frau fragt sich schon, was Magritte bewegt hat, einerseits so schonungslos die Frau als Opfer von Männern darzustellen – Höhepunkt „Der bedrohte Mörder“, wo der Täter zum potentiellen Opfer wird, das irrste und eindrucksvollste seiner Bilder – was also Magritte bewegt hat, auf diesem Hintergrund die Zerstückelung von Frauen selbst als Maler voranzutreiben, angefangen von den an den vom ihm verehrten Chirico gemahnenden Frauentorsi in Marmor(1932) oder Ton (1948) oder „Die ewige Evidenz“ , wo Kopf Brust, Scham, Knie und Füße einer Frau in fünf rechteckigen Bildern so gehängt sind, daß sie mit weißen Leerstellen einen Frauenkörper ergeben. Und dann fällt ihm auch noch ein, ein neues Sujet zu kreieren, „Repräsentanz“ genannt und aus einem Körperbild einer Frau einen Bildkörper zu gestalten.

 

Sie haben das nicht verstanden? Ganz einfach: Stellen Sie sich einen Frauenleib vor, von den Oberschenkeln bis über den Magen – ja, das stimmt, Courbet hat auch noch den Brustansatz beim „Ursprung der Welt“ hinzugemalt, aber beide Bilder sind absolut nicht zu vergleichen -, der von einem Holzrahmen eingefaßt ist, der den kurvigen Konturen folgt. Das wirkt so stark, auch so naturgegeben, daß man sich fragt, warum er dieses Prinzip, einen dargestellten Gegenstand mit einem gleichförmigen Rahmen zu versehen, nicht öfter anwandte. Aber dann gibt man sich die Antwort selber: Jedes zweiter Mal wäre weniger wäre Kunsthandwerk, verkäme zum Kitsch. So wie hier, so ist es richtig.

 

Neben all den tollen und doch sehr bekannten Bildern, haben uns die uns völlig unbekannten Schuhe in Bann geschlagen. „Das rote Modell“ heißt das Gemälde von 1947, wo Sie ein Paar getragene knöchelhohe und geschnürte Wildlederschuhe am Boden stehen sehen, allerdings nur den hinteren Teil. Denn von der Mitte an erwachsen den Schuhen nackte Füße und das Interessanteste daran ist der Übergang zwischen Leder und Fuß, da erkennt man eine Behaarung, so als ob dies auch deren Übergang von der Tierpfote zum Menschen meine. Unwillkürlich zuckt man, denn es tun einem sofort die eigenen Zehen weh. Magritte interpretiert sich: „Hier spürt man, daß die Vereinigung des menschlichen Fußes und eines Schuhs in Wirklichkeit auf einen monströsen Brauch zurückgeht.“ Daß man den Zivilisation nennt, sagt er nicht.

 

So wandert man zwischen den für eine neuen Bildern, die alten Bekannten grüßend. Das sind diese Wolkenbilder, bei denen man bestätigen muß, daß nichts so irreal aussieht, wie reale Natur und daß nichts so kalt sein kann, wie strahlender heller Himmel bei Sonnenlicht. Es liegt grundsätzlich über den meisten Bildern eine Klarheit, die weh tut, weil sie kalt erscheint und es auch ist, eine kristalline und aufgeräumte Welt,  sozusagen das Gegenteil von Leonardos Sfumato. Und daß diese Klarheit dann keinen Aufschluß über die Wirklichkeit gibt, sondern sie durch Überschärfe unwirklich werden läßt, ist das große Geheimnis von Magritte, weshalb es viel zu wenig ist, ihn einen Surrealisten zu nennen, das ist er auch, ein belgischer dazu.

 

Wenn man ihn dann auch noch mit Recht einen Rätselmaler nennt, einen, der intellektuelle Späße mitmalt und Sprachwitze auf die Leinwand zaubert, ist das auch richtig, aber was immer man an Bezeichnungen wählt, hat dies doch immer nur Richtigkeit für das eine Bild, wenn überhaupt. Er stellt dauernd zusammen, was nicht zusammengehört, spielt ein Ding gegen das andere aus, am stärksten die Sprache gegen die Gegenstände und umgekehrt. Es bleibt buchstäglich kein Stein auf dem anderen, wenn René Magritte eine Mauer malt. Die Aussage der Bilder liegt im Auge des Betrachters und sagt über diesen etwas aus. Was, das muß man selber herausfinden.

 

Bis 26. Februar 2012

Katalog: Magritte. A bis Z, nennt sich der Begleitband, der anders daherkommt, aber ein Katalog ist. Nach dem Alphabet werden Schlüsselbegriffe der Malerei Magrittes genannt, denen dann jeweils Bilder zugeordnet werden: Das ist lehrreich und vergnüglich, hat also viel für sich. Nur, als wir dann ganz bestimmte Bilder suchten, die in der streng chronologisch gehängten Ausstellung zusammenhingen, konnten wir sie hier nicht auf Anhieb wiederfinden. Da hätten wir uns dann eine thematische Zusammenstellung gewünscht, wie beispielsweise alle Frauenbilder zu versammeln, aus denen dann auch hervorgeht, daß Magritte ab 1945 ein völlig anderer, klassisch genormter Frauenkörper ohne Fragmentierung und Deformation als Bildmotiv gefiel,  oder alle Wolkenbilder zusammenzuholen etc.

 

www.albertina.at

 

 

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