INKA.KÖNIGE DER ANDEN im Linden-Museum-Stuttgart, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Stuttgart (Weltexpresso) – Wir sprechen heute von den INKAS als indigene urbane Kultur , obwohl die Masse der Menschen in bäuerlichen Verhältnissen lebten und wir sprechen von den INKAS als den Herrschen über dieses Reich, das zu seinen besten Zeiten 950 000 Quadratkilometer maß und eine Nord-Süd-Länge hatte, die weiter als vom Nordkap bis Sizilien reicht. Nur damit man weiß, um was es geht.

 

Diese INKAS beherrschten dieses Riesenreich vom 13. bis 16. Jahrhundert, indem sie ihren Clan, ihren Stamm als direkt vom Sonnengott INTI abstammend gleichsam vergöttlichten und Cusco zum religiösen, administrativen und Herrschaftssitz machten. Als sie in der Folge dieses Riesenreich verwalten mußten, besetzten sie alle wichtigen Positionen in der Verwaltung, dem Klerus und der Armee aus ihrer Sippe. Der Herrscher selbst war der 'einzige INKA':Sapa INKA. Das Besondere war die Unterschiedlichkeit der Bevölkerung, die aus unendlich vielen ethnischen Gruppen – man spricht von über 200, die andere Sprachen, andere Götter besaßen - bestanden, deren Lebensgrundlagen aber dieselben waren und die auch in ihrem kulturellen Verständnis sich auf spezifische ästhetische Grundlagen verständigte und diese im jeweiligen Material: Alpakawolle, Baumwolle, Federn, Rohr, Stein, Pflanzenfasern, Holz, Ton, Gold, Silber zum Ausdruck brachten.

Es handelt sich also um eine Kulturausstellung, die an den Objekten – rituellen, alltäglichen, vor allem den farbenfrohen und reich gemusterten Textilien - der inneren Struktur der Gesellschaft nachfühlt. Dazu braucht es nicht nur viele Beispiele, die aus der ganzen Welt in Stuttgart versammelt wurden, sondern auch ihrer zutreffenden Interpretation. So ist eine der derzeitigen Festlegungen, daß es sich um eine theokratische Kultur handelte, in der sich zwei Grundprinzipien verschränkten: die Beseeltheit der Natur und die Konsequenz, daß der Mensch sich die Götter bei Laune halten mußte, durch Opfern von Nahrung und Tieren, auch Menschen, vor allem Kinder, wenn es kalendermäßig dran war. Dieser Kalender bestimmte das Leben.

 

Die Gegenstände nun, die 256fach ausgestellt sind, kommen aus allen Bereichen und es haut einen sozusagen die Farbenpracht der Textilien fast um, wobei einem die strenge Geometrik wieder halt gibt, die sich überall, ob in Ton oder Wolle, wiederfindet, aber nicht auf ein Muster beschränkt ist, sondern deren viele hat. Bei den Keramiken sind sie Ton in Ton gehalten, also nicht bunt, sondern harmonischen Erdtönen, und die Muster sollen stilisierten Maismotiven entsprechen. Die Stilisierung geht aber soweit, daß unsere Augen nur noch Muster sehen und keine organische Ursprungsgestalt. Das gilt auch für die Textilien, deren phantasievolle, aber geordnete Gestaltung man nicht müde wird, zu betrachten, weil jedes Stück originär erscheint, dennoch dem gleichen Kosmos an Farben und Formen zugehörig. Daß heute die südamerikanische Folklore davon lebt, das nur nebenbei. Und auch nur nebenbei, daß faszinierend ist, wie gleichzeitig anders und ähnlich diese Stücke den mexikanischen Azteken- und Mayaobjekten sind.

 

Das Lama hat als wichtigstes Nutztier eine ganz besondere Funktion und findet sich als Kopfkeramik oder Tontier (Maße: H:20 cm, L: 28 cm, B: 17 cm), das bemalt ist und gleichzeitig aus Baumwolle eine Art Tragefläche auf dem Rücken trägt für die bis zu 45 kg Lasten Gewicht, die es beförderte. Unser Objekt, 29, stammt wie die anderen Stücke aus dem 15. und 16. Jahrhundert und gehört dem Linden-Museum. Offensichtlich ist, daß die meisten Objekte Kultcharakter haben, in der Gegenständlichkeit ihre Grundlage haben, aber durch Bedeutungsperspektive und Detaillierung zu Zwischenwesen werden.

 

Uns hat etwas anderes hingerissen, auf was wir nur kurz verweisen, weil es nicht originär Inka ist, sondern europäischen Bedürfnissen nach Abbildung der realen Welt dient. Das sind die Inka-Genealogien, hier eine Gemäldetafel vom Ende des 18./Anfang 19. Jahrhunderts, von einem anonymen Künstler, wo wohlgeordnet die einzelnen Herrscher wie Zinnfiguren in ihren Kästchen stehen. Genauso geht es uns mit der Porträtserie der Inkas, die vom damaligen Vizekönig Francisco Toledo 1571 in Auftrag gegeben wurden und die heute preußischer Kulturbesitz sind.

 

Eine andere Funktion hatten die Casta-Gemälde, die in einer Serie von 20 Werken vom Vizekönig Amat im 18. Jahrhundert angeordnet wurden, damit der „Rassenmischung“ der Bevölkerung ein Gesicht gegeben werden konnte und ein Name dazu: seien es Mestizen, die als leibliches Produkt der Verbindung eines Spaniers und einer Indigena so genannt wurden und als niedliches Babylein uns freundlich anstrahlen, oder Mulatten als Ergebnis eines hellhäutigen Spaniers und einer dunkelbraunen Afrikanerin. Man wundert sich nicht, daß der Mann jeweils ein Europäer ist und die Bilder nicht die spanische Frau mit dem indigenen Mann oder dem Afrikaner zeigen. Wir sind noch in Zeiten einer allmächtigen Männerkultur.

 

Allein die Leihgaben daraufhin zu studieren, woher sie kommen und welche Reise durch die Welt sie gemacht haben, aber doch eigentlich in Peru sein müßten, ist mehr als einen Artikel wert. Grob gesagt, könnte man alle gezeigten Textilien und allen Schmuck heute auf einem Basar als hochwertige und nie aus der Mode kommende Volkskunst anbieten. Allein Stücke wie die Schachbrett-Uncus, scheinen direkt aus der geometrischen Linie des Jugendstil zu kommen. Dabei sind sie die Bekleidungsstücke der Offiziere der Inkas und aus dem 15./16. Jahrhundert! Was einem die Ausstellung auch deutlich macht, ist, wie nah und wie fern alles ist. Die Gegenstände oft sehr nah, aber die gesellschaftlichen Verhältnisse sehr sehr fern. Doch, es lohnt den Weg nach Stuttgart.

 

bis 16.3.2014

 

Katalog

 

INKA.KÖNIGE DER ANDEN, hrsg. von Doris Kurella und Inés de Castro, Lizenzausgabe für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt. 2013

 

Der 348 Seiten starke Katalog ist eine gute Mischung aus herrlichen, oft seitengroßen Abbildungen – sowohl der historischen Exponate wie auch von grandiosen Landschaftsfotografien – und Texten, die sowohl die Geschichte der Inkas wie auch ihr Fortleben in Peru in gesonderten Kapiteln nachvollziehen. Ab Seite 229 erschließen sich dann über den Katalogteil die Ausstellungsstücke noch einmal im Detail, denn neben der Benennung, dem Fundort und Besitzer wird auch die Funktion des Gegenstandes erklärt. So heißt es gleich über eine Kappe auf den ersten Seiten, wo links der Text und rechts die Abbildungen stehen,“Kappe. Auf dieser Kappe sieht man eine Gottheit, die ein Mischwesen ist. Sie hat den Körper eines Lamas und Flügel eines Kondors auf dem Rücken. Das Motiv wiederholt sich, aber immer in wechselnden Farbkombinationen.“ Darunter sind die Angaben: Alpkawolle, die Maße der Kappe, Peru, Huari-Kultur, 7. 12. Jh. n. Chr. Linden-Museum Inv.-Nr....

 

Über „Ein Paar von Tellern“ heißt es: „Dieses noch erhaltene Paar von Tellern belegt sehr schön das Weltbild der Hälftenteilung, der Dualität. Die typischen Inka-Keramiken waren meist mit stilisierten Maismotiven bemalt. Die Objektangaben sagen: Ton, Engobebemalung, Maße, Peru, Inka-Kultur, 15.-16. Jh. n. Chr. Museo de arte del Sur Andino, Cusco.

 

Der Katalog leistet also sowohl eine historische Aufarbeitung, woher die Inkas kamen, welche Höhepunkte dieses größte indigene Reich auf amerikanischem Boden erfuhr, welche Folgen die spanische Eroberung hatte, als auch eine detaillierte Betrachtung der einzelnen Objekte.

 

www.lindenmuseum.de