Entombment of Christ III Detail INK Sonntag Ramirez PonceEin bemerkenswertes christliches Gesamtkunstwerk

Hanswerner Kruse

Jossgrund (Weltexpresso) - Die mittlerweile international bekannte und ausgezeichnete Künstlerin INK, inszenierte am Karfreitag in der St. Martin-Kirche im Jossgrund, das eindrucksvolle Gesamtkunstwerk „Grablege Christi“.

Letzte Sonnenstrahlen fallen durch die farbigen Fenster der katholischen Kirche, die bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Langsam wird es dunkel, nach einiger Zeit bestrahlt Licht eine Zeichnung der Künstlerin. Es ist die Hand Christi, in die ein Nagel getrieben wurde. Aus dem Off liest eine Stimme den Psalm „Du legst mich in den Staub des Todes.“ Sodann ertönen Auszüge aus dem himmlischen Kantatenzyklus Dietrich Buxtehudes, der Chor singt „Was sind das für Wunden inmitten Deiner Hände?“ Es wird wieder dunkel. Nacheinander tauchen sechs weitere gezeichnete Bilder INKs im Fokus aus der Finsternis auf:

INK 0463Eine eher sarkastische Zeichnung mit Dornenkrone, Gartenschere und Schutzhandschuh. Symbolische Darstellungen wie das Stillleben mit Bibel, Totenkopf, Rabe und einer echten Stacheldrahtkrone (Foto links). Oder das ganz einfache Porträt der traurigen jungen Maria. Mit einigen Objekten in schmalen Plexiglaskästen geht INK behutsam collagenhaft ins Dreidimensionale. Weltliche oder geistliche Chor- und Sologesänge, Orgeltöne und Streicher paraphrasieren abwechslungsreich die bildnerischen Arbeiten, selten illustrieren sie die Werke wie im ersten Fokus.
Die dazu gesprochenen Texte kommen nicht nur aus dem christlichen Kontext, sondern es wird auch das Gedicht „Es ist, was es ist“ von Erich Fried vorgetragen, die Erzählung eines syrischen Flüchtlingsmädchens oder eine Sterbeszene des Autors Dalton Trumbo.
Die Inszenierung endet mit dem großen Werk „Grablege Christi“ auf der Mensa, das so gleichsam zum Altarbild gerät (Foto). Nach dem Schlusschor aus der Johannespassion spricht Fuldas Bischof Dr. Michael Gerber - als Schirmherr - letzte Worte: Es seien dunkle Zeiten, aber auch Bilder könnten uns Hoffnung geben.



Die Künstlerin ist bekannt für ihr soziales Engagement, man weiß, dass sie seit langem philippinische Kinder in einem Hilfsprojekt unterstützt, sich an regionalen Ausstellungen beteiligt, um sie aufzuwerten oder in engem Kontakt mit der Nachbarschaft im Jossgrund steht. Neu ist für manche, dass ihr soziales Engagement durch den christlichen Glauben getragen wird.

INK wird von vielen Leuten geschätzt, weil sie realistisch Wiedererkennbares darstellt. Jedoch geht es ihr nicht (nur) um die beinah fotografische Wiedergabe der Wirklichkeit. Durch ihre aufwendige Art des Zeichnens - mit winzigen Kringeln durch Bleistifte unterschiedlicher Härten - gerät sie in einen meditativen Zustand. Darin versucht sie, sich empathisch in die jeweiligen Personen oder Themen hineinzuversetzen, „Forschenden Realismus“ nannte mal ein Kunsthistoriker diese Arbeitsweise.

Ursprünglich sollte das von ihr initiierte Projekt vor zwei Jahren uraufgeführt werden, wegen der Pandemie musste es verschoben werden. Jetzt ist es durch den Überfall Russlands auf die Ukraine von geradezu erschreckender Aktualität. „Ich kämpfe mit dem Bleistift“, sagt uns INK, „Kunst darf dekorativ sein, aber sie muss auch eine Botschaft transportieren.“ Die ist bei ihr natürlich nicht plakativ sondern ästhetisch und vieldeutig: Nächstenliebe und moralische Werte im Sinne der Demokratie sind für sie die wichtigste Mission des Karfreitags.

Sie will keine künstlerische Lösung für das Elend in der Welt anbieten, aber zur Besinnung aufrufen. Als Projektleiterin konnte sie dazu viele Helfende gewinnen: Von Bischof Gerber über regionale Solisten und Musiker, von einem Projektchor bis zu den Ehrenamtlichen der Jossgrunder Gemeinde. Die musikalische Leitung oblag Regionalkantor Thomas Wiegelmann. „Dort wo ich lebe ist meine Kirche“, antwortet INK auf unsere Frage, warum sie denn dieses Projekt als evangelische Christin in einer katholischen Gemeinde inszeniert.

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Fotos:
Oben  „Grablege Christi“, Nahaufnahme beim Zeichnen © INK
Mitte: Collage in Plexiglas © Hanswerner Kruse
Unten: „Grablege Christi“ als Altarbild © Hanswerner Kruse
„Grablege Christi, Bleistift auf Papier in unterschiedlichen Ebenen mit Schrift, collagiertes Papier als Grabtuch in transparenter Acrylglashaube als Objekt gerahmt“ 2020 (Info der Künstlerin)

Info:
INK im Weltexpresso