IMG 1079Unterwegs in der Toskana (1)

Hanswerner Kruse & Hannah Wölfel

Bomarzo/Italien - Gewaltige aufgerissene Rachen aus Stein, in denen man verschwinden kann. Massige steinerne weibliche Lindwürmer mit Flügeln. Grobe Felsdrachen, die andere Gesteinstiere verschlingen. Doch es gibt hier nicht nur diese Monster, dazwischen beeindrucken riesenhafte versteinerte Frauen.


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Nach vielen Jahren besuchten wir in der südlichen Toskana wieder einmal den Sacro Bosco bei Bomarzo, den (wortwörtlich) steinalten Kunstgarten. In der Mitte des 16. Jahrhunderts ließ Fürst Vicino Orsini nach dem Tod seiner Frau dieses rätselhafte Pandämonium anlegen, in dem sich steinerne Ungeheuer mit monströsen Misch- und Fabelwesen tummeln. Nach dem Ableben des Fürsten geriet der völlig zugewachsene - auch Park der Ungeheuer (Parco di Mostri) genannte - Ort in Vergessenheit. Erst Mitte des 20. Jahrhundert wurde er wieder entdeckt. Salvador Dalí und Andre Breton besuchten als erste das restaurierte Anwesen und priesen es als Vorboten des Surrealismus, seitdem folgten viele weitere Kunstschaffende.




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Als wir den Garten seinerzeit erkundeten, waren die Skulpturen nicht fein säuberlich freigelegt, sondern zeugten mit ihrer eindrucksvollen Patina und moosbewachsen von der jahrhundertelangen Hochzeit der Natur mit der Kunst. Doch mittlerweile sind die grotesken Wesen gesäubert und blank geputzt, um als eigenständige Kunstwerke ausgestellt zu werden. Ihre Beschädigungen, wie abgeschlagene Teile oder verwitterte Körper werden dadurch stärker hervorgehoben. Insgesamt verlieren die, nun von der Natur abgetrennten Bildwerke, ihren morbiden Charme.


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Orsini ließ in dem Park einst auch ein schiefes Haus bauen, das Casa Pendente, welches mit seiner Schrägstellung das Gleichgewicht der Besucher und ihre Wahrnehmung völlig irritiert. Mutig gingen wir in die leicht schrägen Zimmer, taumelten, verloren das Gleichgewicht und hinterher war uns schlecht. Der Architekt Daniel Libeskind hat im Jüdischen Museum in Berlin einen Innenhof, den „Garten des Exils“, ähnlich gestaltet, durch die Schräglage wird man schwindelig und desorientiert: So soll die Fremdheit der Vertreibung und Flucht annähernd erlebbar werden.


In Bomarzo kann man sich in der Fantasiewelt Orsinis, trotz der Säuberungen,  immer noch einfach treiben lassen und staunen. Mithilfe des gedruckten Führers kann man sogar versuchen, die Mythologien und Anspielungen der bizarren Gestaltungen zu verstehen: Darin war  der Widerstand gegen den aufkommenden Rationalismus ebenso verborgen, wie eine Rebellion mit vorchristlichen Symbolen und Skulpturen antiker Gottheiten gegen das Papsttum.

Fotos:
(c) Hanswerner Kruse

Info:
Park Der Ungeheuer, Località Giardino, 01020 Bomarzo VT, Italien
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