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„ZURÜCK INS LICHT. Vier Künstlerinnen – Ihr Werke, Ihre Wege“ im Jüdischen Museum Frankfurt, wegen des Erfolges verlängert bis 29. Mai!!!, Teil 5

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ihr Kabinett betrachtet man mit besonderer Aufmerksamkeit, denn sie lebt in den Endzwanzigern und den Dreißigern so, wie es deutsche Frauen erst wieder Ende der Siebziger und in den Achtzigern taten: in der Welt zu Hause zu sein. Sie war allerdings nicht alleine unterwegs. Man glaubt es kaum, wenn man liest, daß sie mit ihrem damaligen Lebensgefährten unterwegs war, Kasimir Edschmid. Der war seit den Fünfzigern einer der bekannten Schriftsteller, und sie, eine Frankfurterin, blieb stattdessen auch in Frankfurt unbekannt.

csm erna pinner katze 14aec31207Beim Betrachten ihrer schönen Tierbilder – mehr als ein Steckenpferd – konnte ich wieder einmal an mir selber beobachten, daß ich mit mehr Schwung, mit offenerem Herzen ihre erstaunliche Produktion, darunter Bücher anschaute, weil die Bedrückung wegfiel, die immer eintritt, wenn man davon weiß, daß ein Mensch, Künstler oder nicht, von den Nazis erfaßt, ins KZ geschleppt, dort verhungert oder vergast wurde. Nein, Erna Pinner kam mit dem Leben davon, wenigstens das, denn natürlich ist die Vertreibung aus der Heimat ein roher Akt, ein krimineller Staatsstreich und ein Leben davon immer stark berührt. Aber es bleibt zumindest ein Leben und da kann man Erna Pinner nur bewundern!

Sie hat zudem zwei Leidenschaften vereint, die ich gut kenne: das Reisen und die Beschäftigung und Freude an Tieren! Für unsereinen ist das eine Selbstverständlichkeit, aber wenn man sich an Agatha Christies ORIENTEXPRESS oder auch TOD AUF DEM NIL erinnert, weiß man, daß Frauen immer einen Grund brauchten, unterwegs zu sein, auch Hercule Poirot hat da seine Vorurteile. Erna Pinner war die moderne Frau mit Kurzhaarschnitt und flott unterwegs.

Bildschirmfoto 2023 02 14 um 02.11.35Im Katalog, den man schon deshalb kaufen sollte, weil man nicht weiß, wann man diese Bilder wiedersehen kann, gibt es auf den Seiten ab 148 eine Zeitleiste, die 1902 anfängt und wo man den Werdegang, die Ausbildung, die ersten Ausstellungen und natürlich auch ihr Leben seit den Nazis nachschauen kann. Richtig. Im Vergleich. Während Ruth Cahn in München in der Damenakademie bis 1912 studiert, ist Erna erst im Städel in Frankfurt, dann bei Lovis Corinth in Berlin, dann von 1912-14 in Paris bei Felix Vallotton und Paul Sèrusier. Überhaupt ist ihre Zeitleiste am umfangreichsten bestückt mit lauter Ausstellungen in Frankfurt und Berlin. Ja, sieh hat schon einen guten Ruf und gilt vor allem in der Tiermalerei als exquisit. Also stellt sie auch immer wieder im Zoo aus und vor allem werden ihre Bücher mit Tierbildern sehr gut verkauft. Seit 1924 reist sie mit Edschmid erst durch Südeuropa, dann nach Ägypten, später viele Monate durch Syrien, Palästina, Zypern und Rhodos. Längst zeichnet sie nicht nur, sondern fotografiert Bildschirmfoto 2023 02 14 um 02.14.50auch. Wie gesagt, die moderne Frau. Ein Buch nach dem anderen erscheint, denn sie schreibt ja auch. Sind ihre Zeichnungen Illustrationen zum Text oder illustriert die Zeichnung den Text. So genau kann man das nicht unterscheiden, aber längt bringt sie Texte mit Tierbildern auch in den farbigen Illustrierten, die groß in Mode sind.

Bis sie 1935 nach Chile auswandert. Rechtzeitig für die Verfolgung, aber doch abrupt bricht ihre Künstlerkarriere hier ab. Im gleichen Jahr – längst ist sie auch aus der Reichskammer der bildenden Künste wie alle jüdischen Künstler ausgeschlossen worden – emigriert sie nach England, lebt in Hampstead, wo die meisten Exilanten hinziehen, wo auch Canetti gewohnt hat. Und nach und nach wird sie auch dort als Tierillustratorin eine gefragte Frau, gibt Buch auf Buch heraus. Na so etwas, 1937 illustriert sie den offiziellen Führer für den Londoner Zoo.

Sie kommt nach 1945 für Fachartikel nach Deutschland, ist angesehen, aber bleibt in London, wo sie 1987 stirbt.

Warum ich, die ich in Frankfurt aufgewachsen bin, hier auch Kunstgeschichte studiert hatte, häufig im Zoo war, von ihr noch nie gehört hatte, gehört zur Nachkriegsgeschichte der Deutschen, die weder ihre Verbrecher selbst vor Gericht brachten – Fritz Bauer begann damit 1963, aber dann kam lange nichts -, noch die, die die Todeslager oder das Exil überlebt hatten, in Ehren hielten.

Wenigstens jetzt diese so schöne wie aufschlußreiche Ausstellung!

Fotos:
©Redaktion

Info:
Katalog: Hrsg: Eva Sabrina Atlan, Mirjam Wenzel, Zurück ins Licht. vier Künstlerinnen - Ihre Werke. Ihre Werke. Ihre Wege, Kerber Verlag 2022
ISBN 978 3 7356 0856 7