Serie: David Hockney mit „A Bigger Picture“ in der Royal Academy of Arts in London, Teil 2/2

 

Claudia Schulmerich

 

 

London (Weltexpresso) – Das ist überhaupt nicht überheblich gemeint. Hier sind die Besucher endlich bei einer Art zeitgenössischer Malerei angekommen, die ihnen auf zweierlei Art viel sagt: sie ist gegenständlich, sogar derart, daß überhaupt kein Zweifel aufkommen kann, daß ein Baum ein Baum ist und ein Weg ein Weg, das hier Sommer ist, dort Herbst, daß es morgens ist oder abends, daß ein Grün zwanzig Facetten haben kann und Blumen auf Bäumen wachsen, obwohl es wohl Weißdornsträucher sind, gigantische eben, überdimensionierte, und daß zweitens die Farben wirklichkeitsnah sind, nicht wie bei den Expressionisten ein Baum blau ist und eine Nase gelb.

 

 

Aber Nasen gibt es hier sowieso nicht. Bei der unendlichen Fülle dieser rauschhaften Naturdarstellung fällt wohl nur uns auf, daß kein Mensch, kein einziger Mensch und noch nicht einmal ein Tier, die doch Wälder und Felder bevölkern auf den Bildern zu sehen ist. Das ändert sich erst ganz am Schluß, wenn Hockney sich selbst über seine Sehnsucht und Sucht, Claude Lorraines BERGPREDIGT nachzugestalten, äußert und etliche Versuche dazu ausstellt. Nun ist ja gerade Lorrain einer, der Menschen als Staffage in Bilder hineinmalt, also können auch hier die Menschen nicht Menschenmaß erreichen, sondern der Berg, d.h. diese eigenartig gestaltete Kuppe geht vor!

 

Wie kann man diese farblich explodierende Ausstellung zusammenfassen, wenn nicht einzelne Bilder das Beschreibwürdige, sondern die Ansammlung so vieler Bäume, Wälder, Wege, Wiesen zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten es ist. Versuchen wir es mit den technischen Details. Hockney wollte die Kenntnisse der Alten wiederauffrischen und ob des direkten Eindrucks seine Landschaftsbilder draußen malen. Das fand bei den gewollten Dimensionen der Leinwände seine Grenzen. Also verlegte er sich – ein gerne benutztes Verfahren – darauf, auf kleineren Tafeln zu malen, die dann zu einem Gesamttableau zusammengefügt werden.

 

Damit dies gelingt, bediente er sich des Computers, genauso wie er mit dem iPod das festhielt, was früher die Skizze oder die Zeichnung erreichen sollte. Dazu hat er dann noch eine Videoinstallation geschaffen, in dem er Blätter u.a. aufnahm und diese nebeneinander und übereinander ablaufen läßt, was Blätter wachsen läßt, währen neben ihnen der Baum sich umdreht. Damit schafft er ein eigenartiges Raum- und Zeitgefühl, dem sich die Besucher neugierig aussetzen.

 

Hinzukommen auch noch die vielen Drucke, die wie Aquarelle wirken, weil sie farblich zurückgenommener sind, so daß die Augen sich in der Ausstellung auch einen Augenblick ausruhen können. Das aber ist beim größten Bild, auch auf dem Titel des Kataloges abgebildet, absolut nicht möglich: The Arrival of Spring in Woldgate, East Yorkshire in 2011. Hier schauen Sie auf eigentlich 32 kleine Tafeln, die zum Gesamtbild dieser Baumstämme, die fest im grünen Boden stehen, aber oben alle gekappt sind, nicht vom Förster, sondern vom Bildrand oben und deren Gesamtlänge 9,75 Meter und Höhe 3, 65 betragen. Im selben Raum hängen die 51 Drucke auf Papier, die er mit dem iPod fertigte.

 

Es gibt einen ausführlichen Katalog.

 

Bis 9. April 2012

 

Danach wandert die Ausstellung ins Guggenheim Museum, Bilbao, 14. Mai – 30. September

und ins Museum Ludwig, Köln, 29. Oktober – 4. Februar 2013

 

www.royalacademy.org.uk