Serie: DREAMS OF NATURE. SYMBOLISMUS VON VAN GOGH BIS KANDINSKY im van Gogh Museum Amsterdam, Teil 1/3

 

Claudia Schulmerich

 

Amsterdam (Weltexpresso) – Da lobt man sich doch erst einmal die deutsche Sprache. Das, was die symbolistische Landschaft in 70 Gemälden hier ausbreitet, ist mit dem Begriff Atmosphäre nur sehr oberflächlich erfaßt. Stimmung und Gestimmtsein kommt dem schon näher und Empfindung drückt ebenfalls aus, daß es hier um Seelenmalerei geht, in der die Welt zum Spiegel des Inneren, also des eigenen Selbst wird: zwischen Glücksgefühlen von Einssein mit Welt und Natur, bis zur tiefen Angst, wenn Dämmerung einzieht, Lebensangst und Angst vor den Dämonen in einem selbst.

 

Bei dieser Ausstellung muß man aufpassen, daß man nicht länger abschweift in Poesie, Literatur und Musik, denn die Assoziationen, die das Anschauen der Bilder hervorruft, sind solche, die – wiederum die deutsche Sprache! – so wunderbar im Begriff vom GESAMTKUNSTWERK ausgedrückt werden können. Die Ausstellungsmacher Rudolphe Rapetti und Richard Thomson tragen dem Rechnung, indem Musikstationen eingerichtet sind, an denen man innehalten sollte, die aber jetzt hier keine Rolle spielen können, weil die Bilder nun im Mittelpunkt stehen. Aber Debussy sollte man wenigstens erwähnen; wie für die Literatur Jean Moréas mit seinem Symbolistischen Manifest und Joris-Karl Huysmans und vor allem Georges Rodenbach.

 

Der hatte mit seinem Buch DAS TOTE BRÜGGE eine ganze Generation maßgeblich beeinflußt und auch Erich Wolfgang Korngold zur Oper   DIE TOTE STADT animiert, die 1920 mit großem Erfolg aufgeführt wurde und gerade in der Oper Frankfurt am Main Triumphe feierte. Die Nazis hatten sie dann als jüdisch schnell verboten, aber sie wäre ihnen auch sonst viel zu „dekadent“ gewesen, ein Schlüsselbegriff für die Abwehr von bestimmten symbolistischen Inhalten, die sich mit dem Vergehen beschäftigen und als nicht staatsaufbauend, sondern defätistisch abgewertet wurden.

 

Der Symbolismus – uns ab jetzt sprechen wir nur von den Landschaftsdarstellungen, von denen diese Ausstellung als die erste symbolistische überhaupt spricht  -grenzt sich also einerseits ab gegen eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Welt, die rein aus der Form schöpft, hauptsächlich im Naturalismus, aber auch den Realismus meint , er grenzt sich genauso auch gegen eine überhöhte, ja verkitschte Wirklichkeit in der Romantik ab. C.D. Friedrich u.a. werden dagegen als Vorläufer hochgehalten.

 

Der Symbolismus will das innere Wesen des Geschauten ausdrücken, die Seele der unbelebten Natur und Dinge,  und so in der Fortsetzung der Platonschen Ideenwelt die uns mit Augen sichtbare Welt nur als deren Schein wahrnehmen lassen. Wie man noch sehen wird, hat er gemeinsame Züge mit dem Surrealismus und hebt sich von seinem Vorgänger, dem Impressionismus genauso ab wie vom folgenden Expressionismus.

 

Eine gescheite Idee, das Sammelsurium symbolistischer Landschaften in sechs Themen zu gliedern.  Wir sind mit Arnold Böcklins TOTENINSEL, hier die Leipziger Fassung zu Beginn, gleich mit dem Wesen von Vergänglichkeit und Transzendenz konfrontiert – von Rachmaninoff übrigens gleichlautend vertont. Allerdings scheint uns das 1880 entstandene Gemälde hier eher Referenz zu sein dafür, wie Dinge symboldurchdrungen  eigene Welten darstellen, als zugehörig zu ersten Thematik:  ALTE UND NEUE PARADIESE. Die nämlich sehen wir in den arkadisch antikenverherrlichenden Gemälden von Pierre Puvis de Chavannes, jede Figur eine Idee von der idealen Welt,  oder in einer quasi Götterdämmerung von Frederic Lord Leighton, auch im Naturschönen von Paul Gauguin in Martinique. Irritierend das nie gesehene Gemälde von Léon Bakst (1866-1924), das aus St Petersburg kommt, 1908 in den Maßen 250 x 270 Zentimeter gemalt TERROR ANTIQUUS heißt und Ihnen für viele Stunden Anregung, Widerspruch, Verständnis und Abwehr eingeben kann: Was soll dort bloß die griechische Göttin aus der archaischen Phase?

 

Tatsächlich ist es eine herauszustellende Besonderheit dieser Ausstellung, daß man Bilder sieht und Namen hört, die im europäischen Ausstellungszirkus ansonsten nicht auftauchen, man deshalb vor allem Maler aus Nord- und Nordosteuropa kennenlernt wie Akseli Gallen-Kallela – dessen Seegemälde den Katalogtitel ziert - , Vilhelm Hammershoi, Laurits Andersen Ring, Harald Oskar Sohlberg, Hugo Simberg, Jacék Malczewski und vor allem den Litauer Mikalojus Konstantinas Ciurlionis, der zwar erst in der sechsten Abteilung HINWENDUNG ZUM MYSTISCHEN und auch nur mit drei kleinen Gemälden als Triptychon auftaucht, aber in gewissem Sinn das ‚Gesamtkunstwerk’ eines symbolistischen Künstlers darstellt, denn er war zusätzlich ein anerkannter Komponist und geschrieben hat er auch. Fortsetzung folgt.

 

Bis 17. Juni 2012

 

Katalog: Dreams of Nature. Symbolism from van Gogh to Kandinsky van Gogh Museum 2012, auf Holländisch und Englisch. Interessant sind einerseits die Essays, die die sechs Themenkomplexe analysieren. Vor allem jedoch ist es das Bildmaterial, weswegen der Katalogerwerb so sinnvoll ist, da es sich – wie schon ausgeführt – zum großen Teil um weithin unbekannte, aber hochkomplexe Werke handelt. Den Katalog gibt es auch auf Französisch, die deutsche Fassung ist im Verlag Belser erschienen.

 

Diese Amsterdamer Ausstellung ist in Kooperation mit zwei weiteren Museen zustandegekommen, wo sie anschließend gezeigt wird:

 

The National Galleries of Scotland in Edinburg, 14.Juli bis 14. Oktober 2012

 

Ateneum Art Museum, Finnische Nationalgalerie, Helsinki vom 16. November 2012 bis 17. Februar 2013

 

Das reichhaltige Begleitprogramm mit sonntäglichen Vorträgen und freitäglichen Workshops sowie Aufführungen und Musik entnehmen Sie bitte der Webseite

 

www.vangoghmuseum.com

 

Mit freundlicher Unterstützung des Holland-Tourismus, Köln, www.holland.com und des Lloydhotels in Amsterdam, Oostelijke Handelskade 34, 1019 BN Amsterdam, 020-561 3636, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!