Serie: DREAMS OF NATURE. SYMBOLISMUS VON VAN GOGH BIS KANDINSKY im van Gogh Museum Amsterdam, Teil 3/3

 

Claudia Schulmerich

 

Amsterdam (Weltexpresso) – Und auch hier liegt das Gute gleich so nah. Odilon Redon bringt in lichten Farben die Vision einer bunt erleuchteten Welt, in der nichts Trübes die emporströmende Seele lähmt und der Faustsche Wunsch, die Welt möge stehenbleiben und die Wonne ewig anhalten, zumindest im Bild Wirklichkeit wird.

 

Interessant dann aber, daß Wojciech Weiss im Gemälde HEATWAVE, 1898, Krakau, dieselben flirrenden Farben wie Redon und Signac verwendet in gelben und ziegelroten Tönen für die abgeernteten Getreidefelder, aber die Menschlein wie erstarrt in der Sommerhitze vor sich hinschlurfen. Es sind also immer die Zwischentöne, die den Gesamteindruck ausmachen.

 

Wir sehr der Traum zwischen dem Schönen und dem Schrecken laviert, drückt kein Bild so unumstößlich aus wie IN THE DUST STORM, von Jacék Malczewski, 1893-94, Posen. Die Weite des hellgelben Getreidefeldes läßt an amerikanische Landschaften denken, aber schon der düstere Riegel am Horizont, hochstehende isokephale dunkle Bäume, hebt den lichten Eindruck auf, der sich zum Entsetzen steigert, wenn man die „Windhose“ in der Mitte betrachtet, wo ein Wirbelsturm die Menschlein zur willkürlichen Masse macht und die Gespenster der Nacht am hellen Mittag sich gütlich tun. Einfach bizarr. Wer müßte bei diesem energiegeladenen Bild – man denkt wirklich, hier hebt die Sturmfurie ab und verläßt gleich die Leinwand – nicht an Dürers völlig anders gearteten Stich vom APOKALYPTISCHEN  REITER denken.

 

Das ist eine gute Assoziation, denn sie macht noch einmal deutlich, daß der Symbolismus nur eine der Kunst immer innewohnende Tendenz ausschöpft, verbreitert, vertieft. In diesem Zusammenhang gehört vor allem auch William Blake (1757-1827), der auch dem Surrealismus als Vorläufer dient. Gute Kunst nimmt eben vielerlei schon vorneweg, was sich spätere Epochen zur Hauptsache machen. Das nun wiederum ist eine gute Überleitung zum KOSMOS und der HINWENDUNG ZUM MYSTISCHEN, die als abgegrenzte Bereiche viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Hier geht es um die Naturgewalten, die kosmische Energie und den Ewigen Kreislauf der Natur auf der seinen Seite und um das Aufbrechen der bildenden Kunst als abgeschlossene Kunstform hin zur gemeinsamen Kunstsprache des Symbolismus in Musik und Literatur sowie die Entdinglichung unserer Welt in der Abstraktion.

 

Für Letzteres stehen Mondrian und Kandinsky in schönen Beispielen und auch die Malerei von Ciurlionis kann man eine fast abstrakte nennen, wenngleich ein Begriff wie spirituell und transzendental sinnvoller scheint. Aber, so fragen wir in den letzen Bereichen, wo bleiben Bilder wie die von Rudolf Steiner und seiner Schülerin, der schwedischen Spiritistin Hilma af Klint, die in den 90er Jahren eine Ausstellung in Wien hatte, während Ciurlionis in der Frankfurter Schirn groß gewürdigt wurde.

 

Dann gibt es Erstaunliches zu entdecken. Von der Begeisterung des 19. Jahrhunderts für die abstrahierte japanische und auch chinesische Kunst wissen wir. Wie sehr aber die Lackmalerei auch als materielles Vorbild diente, zeigt Laurits Andersen Ring im ROSKILDE FJORD 1900, wo die Naturphänomene glänzend wie zerlaufener Lack dünken, aber auch Franz von Stuck in ABENDLICHER LANDSCHAFT VON 1891, erst recht besagter See von Gallen-Kallela, und unschlagbar Albert Edelfett (1854-1905)  mit einem See zum Sonnenuntergang, Gemälde, die hier allesamt in unterschiedlichen Themenbereichen hängen, aber dieselbe Maloberfläche besitzen.

 

Das ist ganz und gar keine Kritik an der Hängung, die man gut nachvollziehen kann, sondern nur der Hinweis, daß es auch andere Möglichkeiten gäbe. Deshalb ist es eben wünschenswert, daß man sich nach Sichtung der Ausstellung noch einmal auf den Weg macht, um eigene Schneisen zu schlagen, die auch formaler Art sein können, nämlich die Machart dieser Malerei im Blick haben. Selbstkritisch müssen wir einräumen, daß hier die englischen Maler vernachlässigt wurden, die in der Ausstellung prächtig wirken, aber eben auch öfter zu sehen sind.

 

Bei aller positiven Gestimmtheit zu dieser Ausstellung, es fehlen uns Malernamen und auch die Österreicher wie Klimt und die südlichen Osteuropäer. Bei dem noch nicht erwähnten Abschnitt STILLE STÄDTE schmerzt einen die Abwesenheit der Dächerorgien von Egon Schiele. Zeit auch, endlich von Fernand Khnopff zu sprechen, der hier mit der monochromen Elegie einer Stadt vertreten ist. Er ist für die Öffentlichkeit am stärksten mit dem Belgischen Symbolismus verbunden, der in Wien vor Jahren  mit das Publikum mit seinen Bildern hinriß. Es hängen  auch weitere schöne Beispiele, die die verlorene Weite auf seinen Bildern ausdrückt. Die Natur im Stillstand, das kann er, und deshalb vermissen wir sein großes Gemälde aus dem Frankfurter Städel, wo Mensch und Natur erstarrt und ewig scheinen.

 

Denn eines wird in dieser Ausstellung auch deutlich: Ozeanische Gefühle gegen Lebensüberdruß, Landschaftsidyllen gegen deren Absterben und Vernichtung, ideelle Anbetung gegen handfeste Verwirklichung sind immer nur die zwei Seiten einer Medaille, die hier auf den Symbolismus beschränkt, deutlich zeigen: das alles ist der Mensch, das alles ist die Welt, das alles ist unser Leben.

 

Bis 17. Juni 2012

 

Katalog: Dreams of Nature. Symbolism from van Gogh to Kandinsky van Gogh Museum 2012, auf Holländisch und Englisch. Interessant sind einerseits die Essays, die die sechs Themenkomplexe analysieren. Vor allem jedoch ist es das Bildmaterial, weswegen der Katalogerwerb so sinnvoll ist, da es sich – wie schon ausgeführt – zum großen Teil um weithin unbekannte, aber hochkomplexe Werke handelt. . Den Katalog gibt es auch auf Französisch, die deutsche Fassung ist im Verlag Belser erschienen

 

Diese Amsterdamer Ausstellung ist in Kooperation mit zwei weiteren Museen entstanden, wo sie anschließend gezeigt wird:

 

The National Galleries of Scotland in Edinburg, 14.Juli bis 14. Oktober 2012

 

Ateneum Art Museum, Finnische Nationalgalerie, Helsinki vom 16. November 2012 bis 17. Februar 2013

 

Das reichhaltige Begleitprogramm mit sonntäglichen Vorträgen und freitäglichen Workshops sowie Aufführungen und Musik entnehmen Sie bitte der Webseite

 

www.vangoghmuseum.com

 

Mit freundlicher Unterstützung des Holland-Tourismus, Köln, www.holland.com und des Lloydhotels in Amsterdam, Oostelijke Handelskade 34, 1019 BN Amsterdam, 020-561 3636, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!