Serie: Stilleben von Franz Snyders bis Giorgio Morandi im arp museum Bahnhof Rolandseck, Teil 4/4

 

Claudia Schulmerich

 

Bonn (Weltexpresso) – Wir haben uns festgelesen und sind noch immer mit Band 2, unserem ersten Band beschäftigt. Wir sind schon jetzt völlig angetan von der Idee, die im Bahnhof Rolandseck befindlichen Teile der Sammlung Rau unter spezifischen Themen in einer Auswahl jeweils über mehrere Monate zu zeigen, die es vom Umfang her noch möglich macht, wirklich jedes Bild genau zu betrachten und im Katalog seine Geschichte nachzuvollziehen.

 

Band 3 Superfranzösisch, hrsg. von Oliver Kornhoff, kuratiert von Klaus Gallwitz, fängt bei den Abbildungen mit einem anonymen Elfenbeindiptychon mit Szenen aus dem Leben und der Passion Christi aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts an und endet mit Albert Marquet und „Der alte Hafen von Marseilles von 1916. Dazwischen liegt wirklich die ganze Welt. Und man wundert sich, darum dies das jüngste Bild ist, das er erwirbt. Diesmal stehen die Texte nicht den Abbildungen gegenüber, sondern werden in einem Katalogteil gesondert am Schluß detailliert aufgeführt.

 

Und wieder preisen wir unseren Gallwitz, der fast immer als guter Kunsthistoriker mit der Referenzwissenschaft, der Literatur, beginnt und bei Elias Canetti gefunden hat, was er flugs auf Rau anwenden kann: „Wenn er das Abschüssige seiner Erfahrung fühlt, wendet er sich an ein Bild. Da hält die Erfahrung still, da sieht er ihr ins Gesicht. Da beruhigt er sich an der Kenntnis der Wirklichkeit, die seine eigene ist, obwohl sie ihm hier vorgebildet wurde. Scheinbar wäre sie auch ohne ihn da, doch dieser Anschein trügt, das Bild braucht seine Erfahrung, um zu erwachen. So erklärt es sich, daß Bilder während Generationen schlummern, weil keiner sie mit der Erfahrung ansehen kann, die sie weckt.“ Das hat er aus dem zweiten Teil „Die Fackel im Ohr“ dessen dreiteiligen Lebensbeschreibung , wobei die Fackel auf Karl Kraus gemünzt war.

 

Die Franzosen sind zudem in der Sammlung Rau am häufigsten vertreten. Das hängt sicher auch damit zusammen, daß das 19. Jahrhundert eines der Franzosen war und der internationale Kunstmarkt eine außerordentliche Dichte von französischen Werken aufweist. Im Gegensatz zu den Österreichern, beispielsweise zu Klimt und Schiele, die in großen Sammlungen oft fehlen, deren Bedeutung heute aber offensichtlich ist. Und bei Rau? Dieser hatte Wohnungen in Frankreich, wo er sich – aus Afrika kommend – im geerbten Haus der Eltern in Antibes besonders wohlfühlte. Auch in Monaco hatte er eine Wohnung. Nach Marseilles wollte er sogar seine Bilder geben, aber die Museumsidee zerschlug sich. Gut für UNICEF und gut für den Bahnhof Rolandseck.

 

Band 4 Horizonte. Landschaften von Frau Angelico bis Monet, hrsg. von Oliver Kornhoff hat mit dem Kerber Verlag Bielefeld 2011, nicht nur einen neuen Verlag, sondern mit Susanne Blöcker auch die für die Sammlung Rau nun allein zuständige Kuratorin dieser und der Folgeausstellungen. Ein wunderbares Thema und schaut man sich den HEILIGEN NIKOLAUS VON BARI und ERZENGEL MICHAEL von Frau Angelico aus dem Jahren 1425/30 an, erahnt man, wie weit der Himmel gespannt ist, denn Landschaft, dazu gehört der gestirnte Himmel wie das güldenen Firmament. Die stilisierte Wiese mit Blumen ist irdisch und der junge blonde Michael steht zierlich auf einem niedlichen Drachelein, der ja ein Ausbund des Teufels ist. Die 47 Beispiele – das letzte von 1910 - zeigen dann, wo Natur Staffage und wo sie zum Hauptthema wird, und der Mensch nur noch zur Staffage.

 

 

Katalog: Kunstkammer Rau Band 5. Köstlich! Stilleben von Frans Snyders bis Giorgio Morandi, hrsg. Von Oliver Kornhoff, Kerber Verlag Bielefeld 2012. In sechs Essays wird dem Begriff vom stillen Leben, dem Stilleben auf Leinwand und Tafel Gestalt gegeben. Was sagt ein Totenschädel aus? Was ein totes Rebhuhn? Was die Pastete und die Lammkeule und vor allem, was, wenn eine Fliege, eine Made oder noch Schlimmeres dabei ist. Ganz und gar keine stille Welt, sondern äußerst lebendig, wenn man genau hinschaut. Es geht also beim Stilleben auch immer um Schein und Sein, was absichtlich in Gegensatz gebracht wird. Manchmal. Es geht aber auch um Illusionen, aber selten nach dem Leben. Denn das Leben ist vielfältiger und auch stärker chaotisch und durcheinander, als es dem Stilleben gut tut. Und wer so still vor sich hin steht, wie Morandis Flasche und Gläser, den hört und erhört auch Gustav Rau, obwohl das Bild geradezu jung ist, aus den Jahren 1945/55. Und es ist kein Gegensatz, daß das Stilleben als Sinnbild des Materielles in der Welt genauso die inneren Werte, die Gefühle, Gedanken und Absichten repräsentiert. Es kommt auf den jeweiligen Zusammenhang an, deshalb muß man besonders gut hinschauen und sich seine eigenen Gedanken machen. Still.

 

bis 14. Oktober 2012

 

ab 9. November schließt sich die nächste Kunstkammer Rau-Ausstellung an: LICHTGESTÖBER. Der Winter im Impressionismus.

 

Schon zuvor ab 30. September 2012 gibt es zum fünfjährigen Jubiläum des Museums eine Ausstellung über seinen Architekten: BUILDING AS ART. DIE ARCHTIEKTURKOMPOSITION RICHARD MEIERS.

 

www.arpmuseum.org